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Horrorfilme aus 2023, die ihr gesehen haben solltet (Teil 1/2)

2023 ist vorbei und wir haben die Gelegenheit genutzt, um das Jahr Revue passieren zu lassen. Hier sind unsere Horror-Highlights 2023. Viel Spaß!

Im ersten Teil unseres Jahresrückblicks findet ihr wieder die persönlichen Highlights und auch die Enttäuschungen unserer Autor*innen. Wir haben uns nach den internationalen oder deutschen Premieren orientiert, aber auch am regulären (Heim-)Kinorelease. Ihr werdet hier also durchaus auch Filme finden, die schon 2022 ihre Weltpremiere feierten, aber in Deutschland erst 2023 erschienen sind. In Klammer findet ihr die Person, die Regie geführt hat.


Florian

– Empfehlungen –

Speak No Evil (R: Christian Tafdrup)

Das Bösartigste, was das Horrorjahr 2023 zu bieten hat.

Im Werk von Christian Tafdrup trifft eine dänische Familie, bestehend aus Bjørn, Louise und deren Tochter Agnes, in ihrem Urlaub in der Toskana auf das Paar Patrick und Karin sowie deren Sohn Abel aus den Niederlanden und freundet sich mit diesen an. Monate später werden sie von Patrick und Karin in deren abgelegenes Domizil eingeladen. Zunächst zögerlich, nehmen sie die Einladung schlussendlich an. Doch bei der niederländischen Familie angekommen, sorgen schnell diverse Situationen für Unbehagen bei den Gästen. Doch dabei soll es nicht bleiben …

Es ist schon beachtlich, was die dänisch-niederländische Produktion an Gemeinheiten auf das Publikum einprasseln lässt. Und als Vater einer gut zweijährigen Tochter tut es noch einmal besonders weh, dass zwei Familien mit kleinen Kindern im Mittelpunkt der Gewalt stehen – im Gegensatz zu anderen Genrekollegen macht Speak No Evil auch von Anfang an klar, dass in den vom Nihilismus regierten Niederlanden niemand sicher ist – erst recht keine Kinder.
Man kommt dann auch schwer umhin zu überlegen, wie man selbst gehandelt hätte. Wären mir Höflichkeit und Harmoniebedürfnis ebenfalls zum Verhängnis geworden? Doch über diese individuelle Problematik hinaus stellt der Film nicht nur die universelle Frage nach der Existenz des Bösen auf der Welt, sondern beantwortet diese sogleich mit „Weil wir es zulassen“ und damit landen wir dann auch schnell bei Poppers Toleranz-Paradoxon, das gerade heutzutage besonders wichtig erscheint. So darf die Kernfamilie (wieder einmal) als Metapher für unsere Gesellschaft herhalten und beide, Familie wie Gesellschaft, müssen sich überlegen, wie sie im Angesicht von Aggressionen von außen wehrhaft bleiben.

Speak No Evil ist somit nicht nur ein richtig fieser kleiner Horrorstreifen, der es gekonnt versteht, Salz in offene Wunden zu streuen, sondern gibt in seiner Versuchsanordnung durchaus auch etwas zum Nachdenken mit. Für mich daher einer der Überraschungshits 2023.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

When Evil Lurks (R: Demián Rugna)

Der argentinische Filmemacher Demián Rugna konnte 2017 mit seinem Geisterhorror Terrified einen Überraschungshit landen. Sechs Jahre später folgt sein nächster Spielfilm, dem jetzt schon sein Ruf vorauseilt.

When Evil Lurks ist irgendwo zwischen Besessenheitsfilm und Zombie-/Infizierten-Streifen angesiedelt, wobei es Rugna gelingt, durch diese wundersame Melange beiden Subgenres noch Neues abzugewinnen. Spannenderweise ist es gerade das Worldbuilding, das den Film so außergewöhnlich macht. Zu Beginn werden wir ins kalte Wasser geworfen und müssen uns mühsam die Puzzlestücke zusammensuchen, um uns zurechtzufinden. Diese erhöhte Aufmerksamkeit nutzt Rugna perfekt aus, um immer mal wieder Informationen über die Welt von When Evil Lurks einzustreuen, die sich eben doch in einigen Punkten von der unsrigen zu unterscheiden scheint – was genau diese Unterschiede sind, bleibt aber der Fantasie des Publikums überlassen und genau das lässt diese Welt so unendlich groß und organisch erscheinen.
So fühlt sich der Horrorfilm zuweilen sogar wie ein Roadtrip oder gar ein Abenteuerfilm an, in dem wir die Welt und deren Regeln zunächst erkunden müssen. Der Weg, den der Film dabei einschlägt, ist alles andere als geradlinig und so ist auch nie klar, was einen als nächstes erwartet. Auf Genrekonventionen ist kein Verlass und so bleibt When Evil Lurks durchgängig spannend.

Ohne großartig mehr verraten zu wollen, würde ich einfach wärmstens empfehlen hier einzutauchen, wenn ihr die Gelegenheit habt. Definitiv einer der Genrefilme des letzten Jahres!

Enys Men (R: Mark Jenkin )

In den obskuren Gefilden zwischen psychologischem Horror und Folk Horror ist Enys Men von Mark Jenkin angesiedelt und handelt von einer Frau, die in den 1970ern als Freiwillige für den Wildlife Trust auf einer unbewohnten Insel vor der Küste Cornwalls Beobachtungen anstellt und diese dokumentiert. Tagein, tagaus ändert sich zunächst gar nichts. In den Aufzeichnungen ist immer nur „No Change“ zu lesen. Doch ganz langsam, zunächst kaum erkennbar, machen sich doch seltsame Änderungen bemerkbar. Ein geisterhaftes Echo aus längst vergangenen Tagen des früheren Insellebens oder einfach der sich langsam bahnbrechende Wahnsinn?

Enys Men könnte auch direkt aus der britischen Hochphase des Folk Horror der 70er-Jahre entstammen und Seite an Seite mit Perlen wie Children of the StonesPenda’s Fen oder Robin Redbreast laufen.
Jenkins‘ Werk kommt mit der genau gleichen 70er-TV-Ästhetik daher und presst das ganze natürlich auch in ein 4:3-Format. Doch während selbst die wirrsten Filme aus dem Subgenre noch einen mehr oder weniger klaren roten Faden haben, wirft Jenkins jegliche erzählerischen Konventionen über Bord und reiht sich bei aktuellen experimentellen Genrevertretern wie Skinamarink und The Outwaters ein, die allesamt in erster Linie emotional und assoziativ erfahrbar sind und sich rationalen Zugängen zunächst verschließen. Was eine durchaus spannende Entwicklung ist, da diese kein reines Nischendasein fristen, sondern insbesondere Skinamarink finanziell ein riesiger Erfolg war. Es ist jedenfalls schön zu sehen, dass mutiges Filmemachen abseits der üblichen Konventionen belohnt wird und hoffentlich Filmemacher*innen wie Investor*innen dazu bewegt, solchen Projekten eine Chance zu geben.

Wer sich davon überzeugen will, warum das eine hervorragende Idee wäre, sollte sich auf jeden Fall Enys Men anschauen. Experimenteller Horror at its best.

– Größte Enttäuschung –

Renfield (R: Chris McKay)

In Chris McKays Renfield liegt der Fokus endlich mal nicht auf dem Fürsten der Finsternis, sondern auf seinem geistig zerrütteten wie loyalen Gehilfen Renfield, der schon in Tod Brownings Verfilmung von 1931, damals vom wundervollen Dwight Frye verkörpert, einen der absoluten Höhepunkte darstellt. Riesig hatte ich mich dementsprechend auf diese Adaption von Bram Stokers Roman gefreut und umso größer war die Enttäuschung.

Renfield hat natürlich seine charmanten Momente, die allerdings allesamt in einen Kurzfilm gepasst hätten und die Money Shots wurden allesamt schon im Trailer verpulvert. So wird dann, anstatt sich um die tatsächlich originelle und witzige Idee rund um eine toxische Beziehung zwischen Dracula und Renfield zu kümmern, eine halbgare und seelenlose Polizisten-Crime-Geschichte aufgezogen, die klischeehafter und langweiliger kaum sein könnte.

Im Endeffekt ist Renfield eine Actionkomödie um die von Awkwafina verkörperte Polizistin, deren Love Interest Renfield ist, bei der Nicolas Cage als Dracula ein paar austauschbare Gastauftritte hat – was nicht an Cage liegt, liebend gern würde ich einen Dracula-Film mit Cage sehen. Wie gut das sein könnte, sieht man zu Beginn bei der äußerst charmanten Hommage an den Browning-Klassiker. Leider ist dies auch schon der Höhepunkt des gesamten Films.

Zu sehen auf Amazon Prime*.


Mathias

Matze– Empfehlungen –

Talk to Me (R: Daniel und Michael Philippou)

Jedes Jahr erscheinen einige Horrorfilme, von denen im Vorfeld nur wenig bekannt ist, die sich aber schließlich als Genreperlen entpuppen. 2023 waren es die beiden YouTuber Danny und Michael Philippou, die mit Talk to Me gleichzeitig einen echten Banger liefern und ihr Spielfilmdebüt feierten.

In Talk to Me geht es um eine Gruppe Jugendlicher, die mittels einer mysteriösen Porzellanhand Kontakt zu ruhelosen Verstorbenen aufnehmen können. Natürlich läuft alles aus dem Ruder und die heranwachsende Mia (Sophie Wilde) muss nicht nur ihren Platz in der Gesellschaft finden, sondern sich auch noch mit Geistern herumschlagen.

Talk to Me ist effektiver Grusel ohne große Jumpscares, der sich schleichend aufbaut und in einem wirklich fiesen Ende mündet. Auch die teils kreativ gefilmten Montagen, während der Séancen oder der extrem starke Prolog sind nur ein paar Vorzüge von einem der besten Horrorfilme der letzten Jahre.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

Speak No Evil (R: Christian Tafdrup)

Christian Tafdrup zeigt mit Speak No Evil einen der unangenehmsten Filme der jüngeren Zeit. Eine Familie lernt im Urlaub eine andere kennen und wird in den nächsten Ferien zu ihnen ins Ausland eingeladen. Während des Besuches spitzt sich die Situation immer weiter zu und es entstehen äußerst unangenehme Szenen wie zum Beispiel ein normaler Kneipenbesuch oder auch eine Tanzaufführung der Kinder, die dann zu einem Alptraum mutieren. Das bitterböse Finale setzt dem Ganzen dann die Krone auf und macht Speak No Evil zu einem kleinen Highlight letztes Jahr, auch weil er die Frage aufwirft, wo Freundlichkeit sowie Anstand anfangen und wieder aufhören.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

Godzilla Minus One (R: Takashi Yamazaki)

Zum Jubiläum der Monsterechse Godzilla gab es 2023 aus dem Hause Toho einen bärenstarken neuen Godzilla zu sehen, der nicht nur fantastisch aussieht, sondern auch mitreißende menschliche Figuren bietet. Mit nur rund 15 Millionen Dollar Budget schuf Takashi Yamazaki den verheerendsten und bösartigsten Godzilla aller Zeiten.

In Godzilla Minus One begleiten wir den Kamikaze Piloten Koichi (Ryunosuke Kamiki, Too Young To Die!) auf seiner Suche nach Rache, Vergebung und Läuterung. Zusammen mit einem Team aus Wissenschaftern, Technikern und Seeleuten entsteht hier eine Dynamik, die an Der weiße Hai erinnert. Dazu kommen bombastische Effekte wie der atomare Atem Godzillas oder die zerstörten Städte Odo und Tokio.

Godzilla Minus One zeigt eindrucksvoll, wie gut auch ein vergleichsweise günstiger Blockbuster aussieht und funktionieren kann – und zeigt damit den dicken Mittelfinger Richtung Hollywood. Mein Film des Jahres 2023.

– Größte Enttäuschung –

Der Exorzist – Bekenntnis (R: David Gordon Green)

Meine Hoffnungen ruhten 2023 auf dem neuem Exorzist-Sequel, das von David Gordon Green (Halloween-Trilogie) inszeniert wurde. Mit dabei ein Legacy-Charakter, der das direkte Erbe zum Original 1973 legitimieren soll. Beides ist jedoch ein Witz. Ellen Burstyn holte nur ihren Paycheck ab, hat aber nichts, wirklich nichts zu tun. Und die Fortsetzung zum Original bedeutet, dass es jetzt zwei statt ein Mädchen getroffen hat. Der Film ist weder spannend noch gruselig, wenn die religiöse Justice League ihre Nummer abzieht. Alles in allem absolut enttäuschend und begräbt das ohnehin festgefahrene Exorzismus-Genre unter sich.

Zu sehen auf Amazon Prime*.


Jan

– Empfehlungen –

Evil Dead Rise (R: Lee Cronin)

Gut zehn Jahre nach Alvarez’ fulminantem Remake Evil Dead waren meine Erwartungen im Hinblick auf den neusten Franchise-Beitrag rund um das dämonische Necronomicon natürlich immens hoch. Die Chance auf einen Totalausfall schien, solange Raimi und Campbell ihre schützenden Hände über die Reihe legen, praktisch nicht vorhanden. Umso erfreulicher, dass Genre-Jüngling Lee Cronin mit Evil Dead Rise den erhofften Volltreffer landete.

Ähnlich wie es bereits die Serienauskopplung Ash vs. Evil Dead oder Armee der Finsternis über weite Strecken taten, verabschiedet sich auch Evil Dead Rise von der abgelegenen Waldhütte und verlegt sein Setting in die dunklen Gemäuer eines Hochhauskomplexes. Wenngleich das Setting selbst durchaus noch innovativer hätte genutzt werden könnte, gelingt es Cronin eindrucksvoll, die vor Brutalität strotzenden Evil-Dead’schen Mechanismen auf den Zuschauer loszulassen. Gepaart mit jeder Menge Easter Eggs, die wohl jedem alteingesessenen Fan ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern, entwickelt sich Evil Dead Rise zu einem höllisch-guten Spaß, der sich qualitativ nahtlos in einer der wohl besten Horror-Reihen der Filmgeschichte einordnen darf.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

Renfield (R: Chris McKay)

Dass Nicolas Cage und das Horrorgenre ein ganz wunderbares Match sind, wissen wir spätestens seit Panos Cosmatos eindrucksvollem Höllentrip Mandy. Als bekannt wurde, dass der ehemalige Oscar-Preisträger in Chris McKays Renfield niemand Geringeres als die Kultfigur Dracula verkörpern darf, war ich natürlich gleich Feuer und Flamme. Renfield beschäftigt sich hingegen, wie der Name schon verrät, nicht direkt mit dem Fürsten der Finsternis, sondern mit Renfield, dem treuen Diener Draculas.

Anstatt einer ernsten, düsteren Geschichte, die sich tiefgreifend mit der Beziehung zwischen Herr und Diener auseinandersetzt, liefert Regisseur McKay eine herrlich-überdrehte Horror-Komödie ab, die auf wunderbare Wortgefechte, überspitzte Splatter-Einlagen und seine fantastischen Darsteller setzt. Gänzlich unbekümmert manövriert sich Renfield knackig durch seine 90-minütige Laufzeit und stellt dabei alle Regler auf Spaß. Renfield ist eine der größten Überraschungen 2023, der ich lediglich noch etwas mehr Screentime für den fantastischen Nicolas Cage gewünscht hätte, die ich ansonsten aber jedem Freund des komödiantischen Splatter-Kinos wärmsten ans Herz legen kann.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

– Größte Enttäuschung –

65 (R: Scott Beck, Bryan Woods )

Ließ der Trailer zu 65 noch auf den lang erwarteten Jurassic-Park-Konkurrenten hoffen, den ich mir über all die Jahre sehnlichst herbei wünschte und der das Jurassic-World-Desaster der letzten Jahre vergessen machen könnte, entpuppte sich die Co-Produktion von Scott Beck und Bryan Woods schnell als heiße Luft.

Zwischen Beziehungsdrama und Abenteuer-Action tendierte 65 zwar oft eher zu Letzterem, konnte sich letztendlich aber für keine seiner beiden Facetten genug begeistern, um aus der eigenen Komfortzone auszubrechen. Die Dino-Science-Fiction fühlte sich über weite Strecken schlichtweg wie „Dienst nach Vorschrift“ an und das machte ihn besonders ärgerlich. Nicht, weil er das, was er tat, besonders schlecht machte, sondern weil er das alles so viel besser hätte machen können. Der sympathische Cast, das stattliche Budget und nicht zuletzt das spannende Setting hätten das allemal hergegeben. So mutierte 65 leider zur größten Enttäuschung des Jahres.

Zu sehen auf Amazon Prime*.


Teil 1 mit weiteren Empfehlungen und auch ein paar Enttäuschungen, die das Horrorjahr 2022 bereithielten findet ihr hier. Was waren eure High- und Lowlights des Jahres?

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Seid gegrüßt, Ich habe unzählige Namen und erscheine in vielen Gestalten. Hier kennt man mich als Dark Forest und ich bin euer Gastgeber. Ich führe euch durch die verwinkelten Bauten, düsteren Wälder und verfallenen Ruinen. Immer mir nach!

...und was meinst du?