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Horrorfilme aus 2023, die ihr gesehen haben solltet (Teil 2/2)

2023 ist vorbei und wir haben die Gelegenheit genutzt, um das Jahr Revue passieren zu lassen. Hier sind unsere Horror-Highlights 2023. Viel Spaß!

Im zweiten Teil unseres Jahresrückblicks findet ihr wieder die persönlichen Highlights und auch die Enttäuschungen unserer Autor:innen. Wir haben uns nach den internationalen oder deutschen Premieren orientiert, aber auch am regulären (Heim-)Kinorelease. Ihr werdet hier also durchaus auch Filme finden, die schon 2022 ihre Weltpremiere feierten, aber in Deutschland erst 2023 erschienen sind. In Klammer findet ihr die Person, die Regie geführt hat.


Robert

– Empfehlungen –

Thanksgiving (R: Eli Roth)

Mit Thanksgiving hat Eli Roth einen waschechten Slasher der alten Schule geschaffen. Geradlinig erzählt und schnörkellos inszeniert, lässt er in jeder Sekunde Roths Liebe für das Subgenre aufleuchten, indem er sich elegant zwischen Hommage und modernem eigenständigen Beitrag bewegt. Der Humor ist oft subtil und erfrischend unaufdringlich, die Figuren liebenswürdig und die Kills gleichermaßen brutal wie kreativ. Es gelingt Roth scheinbar mühelos, beliebte Tropen des Slasher-Films zu bespielen, während er gängige Schwächen wie nicht nachvollziehbares Verhalten der Figuren gekonnt umgeht. Ohne auch nur in einer Sekunde überholt oder altbacken zu wirken, lässt er den Geist früherer Genre-Lieblinge der 80er wiederauferstehen, kleidet ihn in ein zeitgemäßes Gewand und sorgt für eine Menge blutigen Spaß. Ein wahres Fest für eingefleischte Slasher-Fans.

Vorbestellbar auf Amazon Prime*.

Evil Dead Rise (R: Lee Cronin)

„Mommy’s with the maggots now!“. Was für eine Ansage. Mit Evil Dead Rise beschreitet das beliebte Franchise ähnlich ruchlose Wege wie mit dem zehn Jahre älteren Evil Dead. Mit seinem veränderten Gruppenkontext einer alleinerziehenden Mutter und ihrer Schwester, für die die Dämonen wie eine blutüberströmt überzeichnete Kostprobe auf die eigenen bevorstehenden Herausforderungen des Mutter-Seins verstanden werden können, zeichnet Evil Dead Rise das Bild eines Matriarchats als neue – und vor allem überlebende – Ordnung. Inmitten gröbster Gewaltspitzen gilt es, sich gegen alle möglichen Widrigkeiten zur Wehr zu setzen, die die Welt einer alleinerziehenden Mutter entgegenstellt – auch den übernatürlichen. Dass der Film im obersten Stockwerk, der Spitze der Hierarchie, spielt und sich aus diesem eine neue Heldin erhebt, ist gewiss kein Zufall.

Zwar ist Evil Dead Rise weniger brachial als noch sein Vorgänger, aber die überaus finstere Atmosphäre vor allem der ersten halben Stunde, die zahlreichen Verweise auf frühere Beiträge der Reihe und natürlich das schlichtweg phänomenale Spiel von Alyssa Sutherland als Hauptbösewicht machen ihn aber rundum zu einem enorm gelungenen Eintrag ins Evil-Dead-Franchise.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

No One Will Save You (R: Brian Duffield)

Filme mit Aliens sind in der aktuellen Horrorlandschaft erstaunlich unterpräsent. Umso erfreulicher, dass Regisseur und Drehbuchautor Brian Duffield (Zerplatzt) mit seinem neuen Film No One Will Safe You einen solchen abliefert – und dann noch in der Variation als Home-Invasion-Reißer! Das überaus klassisch-knuffige Design der Außerirdischen vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass das Aufeinandertreffen der buchstäblich sprachlosen Protagonistin (erstaunlich eindringlich verkörpert von Kaitlyn Denver) enorm unheimlich ist. Die gesamte Ausgangssituation bleibt dabei erfrischend unerklärt, sodass der Fokus ohne störende Erklärung über was „Wie? Und Warum?“ voll und ganz auf den zahlreichen Spannungssequenzen liegt. Solche schnörkellosen Geschichten darf es im Horrorgenre gerne wieder häufiger geben. Erst recht, wenn sie so effektiv inszeniert sind wie hier.

– Größte Enttäuschung –

Man-Eater – Der Menschenfresser ist zurück (R: Dario Germani)

36 Jahre nach seinem Erscheinen soll Joe D’Amatos Eurocult-Klassiker Man Eater – Der Menschenfresser aka. Anthropophagus tatsächlich doch noch eine Fortsetzung präsentiert bekommen, die dann auch noch damit wirbt, das Original in Sachen Unappetitlichkeit in den Schatten zu stellen. Als sich dann überdies der für unkonventionelles Genre-Kino bekannte Verleih Drop-Out Cinema (Die Farbe aus dem All) dem Film annahm, schien die Überraschung perfekt.

Letztlich stellt sich der von Dario Germani realisierte Film aber als hanebüchener Unfug heraus. Handlung, Inszenierung und Effekte können höchstens als stümperhaft bezeichnet werden, während die Namenswahl für diese völlig belanglose Schlachtplatte ausschließlich auf kommerzielle Gründe zurückzuführen ist. Nicht nur gibt es keinerlei inhaltliche Verbindung zu D’Amatos Original, sondern auch Ästhetik und Atmosphäre könnten belangloser nicht sein. Ohne den durchaus prestigeträchtigen Namen würde sich wohl niemand jemals für diesen Ramsch interessieren.

Jana

Jana– Empfehlungen –

Beef (R: Lee Cronin)

Showrunner Lee Sung-jin erzählt eine bissige Geschichte über zwei Menschen, die sich absolut weigern, loszulassen. Dabei wechselt Beef immer wieder geschickt zwischen komödiantischen Rachefantasien und aufrichtig bewegenden Szenen zweier mental ausgelaugter Protagonist:innen.

Im Mittelpunkt der Serie stehen Danny und Amy, zwei Asian Americans, die allerdings aus völlig unterschiedlichen Lebenswelten kommen und deren individuelle anhaltende existenzielle Krisen sie in einen wortwörtlichen Kampf auf Leben und Tod verwickeln. Diese sind den Großteil der Laufzeit zwar zumeist physisch voneinander getrennt, aber dadurch werden ihre Begegnungen noch elektrisierender. Sie beißen so lange auf dem titelgebenden „Beef“ (dem Vorfall) herum, bis er ein Teil von ihnen wird. Trotz seines anfänglichen Adrenalinschubs nehmen sich Lee und seine beiden Mit-Regisseure Jake Schreier und Hikari die Zeit, den Zuschauenden in zehn etwa halbstündigen Episoden fest in das Privatleben der Figuren einzubetten.

Trotz eines einfachen Konzepts ist die Serie nicht nur sehenswert, sondern bietet vor allem frischen Wind in einer überbordenden Streaming-Landschaft und überzeugt sowohl durch seine schiere Originalität, hervorragende Darbietungen von Wong und Yeun sowie die fesselnde Inszenierung.

Zu sehen auf Netflix*.

Sweet Home – Staffel 2 (R: Chris McKay)

Normalerweise ist bei südkoreanischen Dramaserien eine zweite Staffel eher unüblich, allerdings schien diese, nach dem offenen Ende von Teil eins und vieler unbeantworteter Fragen, unumgänglich.

Nachdem die Überlebenden das vertraute Schlachtfeld ihres Wohnhauses verlassen haben, sehen sie sich schnell mit neuen Gefahren konfrontiert. In den Überresten eines Stadions entsteht eine provisorische Gemeinschaft – doch Sicherheit bleibt ein flüchtiger Traum. In einer Welt, in der die Grenze zwischen Mensch und Monster zu einem trüben Dunst verschwimmt, geht die zweite Staffel von Sweet Home nun noch einen Schritt weiter. Was sich zuvor hauptsächlich auf einem begrenzten, klaustrophobischen Territorium abspielte und eine relativ kleine Gruppe von Figuren betraf, ist jetzt vielmehr eine umfangreiche dystopische Zukunftsvision, inklusive fatalistischer Militärquarantäne, verrückter Wissenschaftler und allerlei sozialer Konflikte. Die Diskrepanz zwischen den wirklichen Monstern und den „Monstern“, die aus dieser apokalyptischen Situation geboren wurden, verstärkt sich.

Da die Serie nun völlig unabhängig vom Webtoon agiert, musste Regisseur Lee Eung-bok seine Welt erweitern, die zwar die Wurzeln der Vorlage beibehält, gleichzeitig aber eigens auf diesen aufbauen muss. Ein Balanceakt, die bestehende Gruppe zu schützen und gleichzeitig in eine neue Gemeinschaft einzutreten. Dahingehend überzeugt Sweet Home mit seinen vielschichtigen Figuren und deren komplizierten Verbindungen. Obwohl die letzte Staffel bereits die Abscheulichkeiten thematisierte, die sich Menschen einander antun können, bliebt die Unterscheidung zwischen der monströsen Bedrohung und den Menschen bis zu den letzten Episoden weitgehend klar. Nun verschiebt sich der Fokus und die Figuren werden zur unmittelbaren Gefahr.

Zu sehen auf Netflix*.

Der Untergang des Hauses Usher (R: Scott Beck, Bryan Woods )

Der Untergang des Hauses Usher basiert lose auf verschiedenen Werken des US-amerikanischen Schauerliteraten Edgar Allan Poe – insbesondere auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von 1840 – und verpackt diese in einer nicht linearen Erzählung, die über 50 Jahre Familienhistorie abdeckt.

Regisseur Mike Flanagan versetzt die spannende Familiengeschichte der Usher-Dynastie in die heutige Zeit, weit entfernt von Poes eigener Lebensrealität, inszeniert Der Untergang des Hauses Usher aber dennoch in gewohnter Gothic-Horror-Manier – inklusive düsterer, verfluchter Orte, undurchdringlicher Albträume, mental-instabile Figuren sowie eine geheimnisvolle übernatürliche Bedrohung, die aus der Vergangenheit heraus die Gegenwart unbarmherzig heimsucht. Denn unter der glänzenden Oberfläche des erfolgreichen Pharmaunternehmens brodeln die Motive und Themen des US-amerikanischen Autors. Das Herzstück der Geschichte bleibt jedoch auch hier die dysfunktionale Usher-Familie sowie der gewissenlose Anwalt Arthur Gordon Pym. Vor allem die jüngere Generation bietet eine bunte Bandbreite an Figuren, die das Publikum nicht kaltlassen dürften, auch wenn einige durch die Kälte innerhalb der Familie nicht unbedingt sympathisch wirken. Neben den direkten Handlungselementen aus Poes Kurzgeschichten gibt es auch viele Anspielungen und Referenzen auf seine Gedichte und Balladen. Für Fans der Schauerliteratur und die, die es noch werden wollen, gibt es also viel zu entdecken, sodass sich auch ein re-watch lohnt.

Durch die Kombination von zeitgenössische Setting und klassischem Gothic-Horror-Themen gelingt es Flanagan, altbekannten Geschichten seinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken.

Zu sehen auf Netflix*.

Megalomaniac (R: Karim Ouelhaj)

Zwischen Januar 1996 und Juli 1997 versetzte ein unbekannter Serienmörder die belgische Stadt Mons in Angst und Schrecken. Der sogenannte Schlächter von Mons tötete mindestens fünf Frauen und platzierte ihre zerstückelten, in Kunststoffsäcke verpackten Leichenteile gut sichtbar am Straßenrand oder an einer Kanalböschung. Trotz der zahlreichen aus der Zivilbevölkerung gelangt der Polizei keine Verhaftung, sodass der Fall bis heute als unaufgeklärt bei den Akten liegt. In seinem düsteren Film spekuliert Karim Ouelhaj nun nicht nur über die Identität des Mörders, sondern auch die Schuld und das damit verbundene Trauma, das er seinen potenziellen Nachwuchs vererbt hat.

Dabei konzentriert sich Megalomaniac nicht nur auf das offensichtlich weitergegebene Mindset vom Serienmörder an den Sohn, sondern auch auf das wiederkehrende Trauma, das Martha erlebt, denn sie ist von Männern umgeben, die routinemäßig Frauen entführen, sexuell unterdrücken oder ermorden. Nachdem sie von ihrer Schwangerschaft erfährt, verlässt Protagonistin Martha keineswegs ihren dominanten Bruder, sondern unterstützt ihn schließlich in seinem mörderischen Verhalten. Anstelle von direkter Rache sucht sie Halt in der Idee von Familie und das Publikum erlebt, wie sie langsam, aber sicher vom Opfer zum Monster wird.

Trotz der mitunter fast schon übertriebenen Brutalität bleibt der Film in der Realität verankert, das sich in der Kameraarbeit von François Schmitt zeigt, der jegliche Wärme fehlt – vielmehr gelingt es ihm, mit einer gedämpften Farbpalette eine wahrlich trostlose Atmosphäre auf Zelluloid zu bannen. Neben den in Eintönigkeit gefilmten Umkleideräumen und Toiletten der Fabrik wird insbesondere das langsam verrottende Haus der Geschwister in Szene gesetzt – es ist dunkel, kalt und leer. Genauso wie seine Bewohner:innen. „Megalomaniac“ beginnt und endet mit Gewalt sowie der Fortsetzung des tief verwurzelten Traumas der nächsten Generation potenzieller Serienmörder:innen.

 

Michaela

– Empfehlung –

Vincent doit mourir (R: Stéphan Castang)

Das Debut des Franzosen Stéphan Castang startet wie eine gewöhnliche Zombievirus-Apokalypse. Vincent (unaufdringlich schräg: Karim Leklou) hat keinen guten Tag erwischt. Nach einem kleinen Scherz haut ihm sein Kollege völlig unverhältnismäßig ein Arbeitsgerät in die verdutzte Visage. Erst spielt der auf Harmonie bedachte Vincent den Vorfall bei seinen Vorgesetzten herunter, die ihn kurzerhand ins Home Office abkommandieren, bald muss er indes einsehen, dass er nicht nur im Büro im Fokus zügelloser Gewaltausbrüche steht.
Weshalb es seine Zeitgenossen ausgerechnet auf ihn abgesehen haben, bleibt lange Zeit im Unklaren und erhöht den Reiz dieser ohnehin charmanten Horror-Komödie. Stéphan Castang inszeniert die Aggression ungeschönt realistisch wie eine sinnlose Seuche, vor der es nirgends Zuflucht gibt. Ohne diese Horror-Elemente wäre Vincent doit mourir (Vincent muss sterben) der Road-Trip eines Durchschnittstypen in der Midlife-Crisis, der schrulligen Charakteren begegnet sowie einer im Drive-In seiner Wahl arbeitenden, ebenso einsamen Frau. Diese Tragikomödie hätte ich mir ebenfalls gerne auf dem Fantasy Filmfest in München angesehen, zu dem Regisseur Castang eigens angereist war, denn ich hätte Vincent ewig dabei zusehen können, wie er rauchend im Peugeot 504 dahin fährt, auf der Suche nach einem Ruhe versprechenden Fleckchen Land.

 

– Größte Enttäuschung –

Beau is Afraid (R: Ari Aster)

Ari Asters dritter abendfüllender Spielfilm fußt auf dem Siebenminüter Beau aus dem Jahre 2011. Beide Werke zeichnen sich durch eine eigentümlich beängstigende, irrwitzige Qualen für Dauerphobiker Beau parat haltende Welt aus. Nun wälzt Auteur Aster den Leidensparcour auf eine stattliche 2 Stunden 59 währende Odyssee aus und bescherte A24 damit angeblich die bis dato teuerste Produktion.
Wie toll tobt Aster, indem er seinem Star Joaquin Phoenix rein gar nichts erspart, sondern ihn wie einen tumben Helden durch Scylla und Charybdis schickt. Das kommt streckenweise hübsch originell, theaterhaft anmutend und auch lynchig traumtrunken daher und kann man grundsätzlich spaßig finden: So wenn Beau anfangs den verzweifelten Versuch startet Pillen einzunehmen, es jedoch just an dem dringend benötigten Schluck Wasser zur Medizineinnahme mangelt. Dass Joaquin Phoenix komisches Talent besitzt, steht außer frage, in dieser als ‚schwarze Komödie’ vermarkteten Tour de Force wirkt er indes allzu oft verloren, gehetzt oder schaut mitleiderregend ermattet drein. Spätestens nach zwei langatmigen Stunden möchte man ihm einfach nur den bestmöglichen therapeutischen Beistand und gute Besserung wünschen.

 


Teil 1 mit weiteren Empfehlungen und auch ein paar Enttäuschungen, die das Horrorjahr 2023 bereithielten findet ihr hier. Was waren eure High- und Lowlights des Jahres?

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Seid gegrüßt, Ich habe unzählige Namen und erscheine in vielen Gestalten. Hier kennt man mich als Dark Forest und ich bin euer Gastgeber. Ich führe euch durch die verwinkelten Bauten, düsteren Wälder und verfallenen Ruinen. Immer mir nach!

...und was meinst du?