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Horrorfilme aus 2021, die ihr gesehen haben solltet (Teil 2/2)

2021 ist fast vorbei und wir haben die Gelegenheit genutzt, um das Jahr Revue passieren zu lassen. Hier sind unsere Horror-Highlights 2021. Viel Spaß!

Im zweiten Teil unseres Jahresrückblicks findet ihr wieder die persönlichen Highlights und auch die Enttäuschungen unserer Autor:innen. Wir haben uns nach den internationalen oder deutschen Premieren orientiert, aber auch am regulären (Heim-)Kinorelease. Ihr werdet hier also durchaus auch Filme finden, die schon 2020 ihre Weltpremiere feierten, aber in Deutschland erst 2021 erschienen sind. In Klammer findet ihr die Person, die Regie geführt hat.


Florian

– Empfehlungen –

After Blue (R: Bertrand Mandico)

Bertrand Mandico ließ schon mit seinem Debütfilm The Wild Boys aufhorchen und auch After Blue ist nicht minder beeindruckend. In einer fernen Zukunft hat die Menschheit die Erde längst verlassen und sich auf dem Planeten After Blue niedergelassen, der inzwischen ausschließlich von Frauen bewohnt wird. Nach einem folgenschweren Fehler müssen sich hier Mutter (Elina Löwensohn) und Tochter (Paula Luna) auf eine gefährliche Reise begeben, auf der so allerhand Kuriositäten von After Blue offenbart und so manche skurrile Bekanntschaften gemacht werden.

After Blue ist dabei der queere Fiebertraum eines Sci-Fi-Fantasy-Western mit atemberaubenden Kulissen und Beleuchtung – und damit ein absolut würdiger Nachfolger für The Wild Boys.

Mad God (R: Phil Tippett)

Der Name Phil Tippett, das Mastermind hinter Mad God, wird vielleicht nicht allen etwas sagen, aber seine Werke habt ihr alle schon gesehen, hat der Special-Effects-Guru doch bei RoboCop, Jurassic Park und der ursprünglichen Star-Wars-Trilogie mitgearbeitet. 1984 gründete er seine eigene Special-Effects-Firma und ein paar Jahre später begann er mit der Arbeit an Mad God. Gut 30 Jahre später ist es soweit und wir bekommen endlich zu Gesicht, was der Wahnsinn in drei Dekaden zusammengetragen hat.
Und das Ergebnis ist wahrlich der reinste Irrsinn. Eine Höllenfahrt ohne narratives Fundament, die sich ganz allein auf ihr Worldbuilding und die Faszination ihrer Bilder verlässt. Das wird viele vor den Kopf stoßen und die albtraumhafte Stop-Motion-Welt von Mad God ist auch definitiv eher für ein Nischenpublikum gemacht, aber dieses wird sie lieben. Tippetts Film lädt dazu ein, in die infernale Apokalypse einzutauchen und sich an dieser wundersamen und abartigen Welt zu laben. Am ehesten gleicht Mad God dabei einem Gemälde – einem wiederentdeckten Triptychon irgendwo zwischen Hieronymus Bosch und H.R. Giger, das vor liebenswerten Details nur so strotzt.

Censor (R: Prano Bailey-Bond)

Was für ein Debüt! Prano Bailey-Bond liefert mit ihrer ersten Spielfilmregie in Censor so richtig ab und huldigt virtuos den Video Nasties und dem Mysterium um so manche Underground-Produkte. Denn was heutzutage mühelos mit ein paar Klicks recherchierbar ist, war damals noch in einen ominösen Nebel getaucht. Oft genug wurde gerätselt, ob man es hier mit einem echten Snuff-Film zu tun habe und so manche Regisseure mussten gar ihre Darsteller:innen vorzeigen, um solcherlei Anschuldigungen zu entkräften. Genau dieses Fünkchen Unsicherheit nutzt Bailey-Bond für sich und kreiert schlichtweg einen der besten psychologischen Horrorfilme der letzten Jahre. Mit sehr viel Verständnis für die Materie und formell bis ins kleinste Detail durchkomponiert, erschafft die Britin einen Strudel des Wahnsinns, der es glücklicherweise gar nicht erst nötig hat, auf einen selbstzweckhaften Stranger-Things-80s-Retro-Look zurückzugreifen, sondern die Ära stets in den Dienst der Geschichte stellt.

Cosmetic DNA (R: Ken’ya Ōkubo)

Ken’ya Ōkubos Cosmetic DNA erzählt eine außergewöhnliche Rape-Revenge-Geschichte, die vor allem durch ihre überdrehte Inszenierung mit wilden Schnittmontagen und Happy-Hardcore-Techno-Untermalung punkten kann. Dass der gesamte Wahnsinn schlussendlich so prächtig aufgeht und sich nicht im reinen Selbstzweck verliert, liegt in erster Linie an den drei Protagonistinnen. Die Charaktere sind interessant genug geschrieben und haben alle ihre Ecken und Kanten, so dass sie nicht nur als Trio, sondern vor allem auch als Individuen wahrgenommen werden können. Thematisch schlägt Cosmetic DNA trotz knalliger Farben und Upbeat-Techno-Nummern durchaus düstere Töne an. Dem Thema der sexuellen Gewalt begegnet der Film mit einer gesunden Radikalität und ordentlichen Wut im Bauch, was dem Film äußerst gut steht.

– Größte Enttäuschung –

Promising Young Woman (R: Emerald Lilly Fennell)

Promising Young Woman ist im Endeffekt einfach ein Wohlfühlfilm, der ja niemandem auf die Zehen steigen will. Sexismus und sexualisierte Gewalt ansprechen, aber nicht so sehr, dass sich jemand angegriffen oder abgestoßen fühlt. Eine reißerische Rache-Story in den Mittelpunkt rücken, aber doch so gezähmt, dass man nicht in die schmuddelige Exploitation-Ecke verstoßen wird. Man kann sich ernsthaft und mit viel Fingerspitzengefühl mit Themen wie Vergewaltigung, Trauma und Suizid auseinandersetzen und etwas Wichtiges zu dem Thema beisteuern. Es ist auch legitim einen reißerischen Exploitationer hinzuknallen, in dem sich eine Frau selbst ermächtigt und sich brutal an der Welt für das ihr zuteilgewordene Unrecht rächt. Das sind beides vollkommen valide Zugänge zum Thema, die bestenfalls das Genre bereichern und einen konstruktiven Diskussionsbeitrag leisten. Promising Young Woman fehlt allerdings das Feingefühl, der Mut und die Radikalität, um irgendwas davon zu sein.


Jan

– Empfehlungen –

Love and Monsters (R: Michael Matthews)

Love and Monsters war einer meiner meist erwartenden Filme des Jahres. Der Weg, weg vom Kino und hin zur Direktauswertung auf Netflix, prophezeit zwar oftmals nichts Gutes, hatte in diesem Falle aber tatsächlich, wie in der Vergangenheit schon öfter, keine Aussagekraft. Love and Monsters erfüllte nicht nur meine Erwartungen, er übertraf sie vollends. Mit einem atemberaubenden Worldbuilding, großartigen Creature Designs und seinen überaus sympathischen Charakteren, gelang Michael Matthews ein hinreißendes Monster-Abenteuer, das meine beiden Lieblingsgenres wundervoll vereint und eine Welt serviert, in die man sich einfach nur verlieben kann.

Shadow in the Cloud (R: Roseanne Liang)

Der Genre-Clash Shadow in the Cloud musste zu seinem hiesigen Release viel einstecken, was sich mir bis heute nicht so ganz erschließt. Die Kombination aus Weltkriegsszenario und übernatürlichen Horrorelementen gelingt Roseanne Liang nämlich so gut, wie kaum einem/einer Regisseur:in vor ihr. Mit einer abermals fantastischen Chloë Grace Moretz in der Hauptrolle, die sich gegen chauvinistische Arschlöcher und einen gefräßigen Gremlin wehren muss, gelingt Liang ein vor Frauenpower strotzender Genremix, der mit wundervollen Ideen für knackige Unterhaltung sorgt und aus seinem beschränkten Setting das Maximum an kurzweiligem Action-Horror schöpft.

The Night House (R: David Bruckner)

Mit The Night House widmet sich Regisseur David Bruckner nach The Ritual erneut dem Horrorgenre. Was zu Beginn noch wie konventionelles Haunted-House-Kino wirkt, entwickelt sich zunehmend zu einer packenden und emotional mitreißenden Auseinandersetzung mit dem eigenen Verstand. Dank seiner zwar durchaus gemächlichen, dafür aber umso intensiveren Inszenierung und einer fantastischen Rebecca Hall gelingt Bruckner ein packender Genrebeitrag, der, trotz leichter Schwächen gen Ende, mit einer rätselhaft-schaurigen Atmosphäre glänzt und sich somit definitiv bei meinen Jahres-Highlights einordnen darf.

– Größte Enttäuschung –

Wrong Turn – The Foundation (R: Mike P. Nelson)

Auch wenn ich nie der allergrößte Fan der WrongTurn-Reihe war, habe ich dem Reboot gespannt entgegen gefiebert. Gespannt war ich vor allem darauf, ob es Autor Alan B. McElroy, der auch schon für das Original verantwortlich zeichnete, gelingen würde, die totgerittene Reihe wieder nach vorne zu bringen. Leider konnte der Neustart aber in keinster Weise überzeugen. Zwar kann man Wrong Turn – The Foundation den Mut zur Veränderung hoch anrechnen, das Scheitern an der eigenen Dramaturgie und der innerfilmischen Logik wog aber zu schwer, um das Endergebnis auch nur als halbwegs gelungen zu erachten. Leider viel zu oft hangelt sich der Neustart der Reihe von einem ins nächste Plothole, verstrickt sich in Widersprüchen und wirkt dadurch an zu vielen Stellen überaus konfus. Dem Reboot mangelt es an Originalität innerhalb des Backwood-Subgenres sowie an Wiedererkennungswert und ist somit viel zu egal, um sich auf Dauer im Gedächtnis zu verankern.


Mathias

Matze

– Empfehlungen –

Malignant (R: James Wan)

Die Ankündigung James Wans, einen Giallo-artigen Mystery-Thriller produzieren zu wollen, ließ mich erwartungsvoll ins Kino gehen. Malignant ist in seinem ersten Drittel mit seinen handgemachten Effekten und dem mysteriösen Killer eine Hommage an die Slasher und Gialli der 70er und 80er Jahre. Außerdem punktet der Film mit seiner bedrohlichen Atmosphäre und einer seltsamen Stimmung, die einen aber keineswegs auf den haarsträubend wundervollen Twist vorbereiten, den Wan seinem Publikum am Ende bietet. Insgesamt wirkt Malignant wie eine geheimnisvolle alte VHS, die in der letzten Ecke einer Videothek der 80er Jahre gefunden werden will und von außen nicht preisgibt, was einen erwartet. Wan hat Wort gehalten und inszeniert hier einen frischen und unverbrauchten Horrorfilm, in dem vor allem seine Hauptdarstellerin Annabelle Wallis zu glänzen weiß.

Malignant hat sich wegen seiner überraschenden Auflösung und den finalen Minuten im Kopf eingenistet und ist zu Recht mein Horrorfilm des Jahres 2021.

The Empty Man (R: David Prior)

The Empty Man ist ein vor Atmosphäre nur so strotzender Horrorfilm, der mit einem der stärksten Prologe beginnt, den ich in letzter Zeit gesehen habe. Hier wird eine mysteriöse und durch eine unbekannte Ursache, grausig skelettierte Leiche gefunden, die dann durch ihren mutmaßlich dämonischen Einfluss für das Verschwinden einer Gruppe Bergsteiger sorgt. Die Geschichte, die sich dann rund um das Ermitteln eines verschwundenen Mädchens aufbaut, ist verschachtelt und wird gegen Ende durch das zeigen verschiedener Sichtweisen und den geistigen Abstieg seines Protagonisten extrem verstörend aufgelöst. The Empty Man ist eine ruhig inszenierte Mischung aus Okkult-Thriller, Detektiv-Story und spielt in einigen Sequenzen auch mit der Psychologie seiner Figuren.

The Empty Man nimmt sich Zeit für seine Charaktere, ist mit seiner Laufzeit von 2 Stunden und 17 Minuten zwar kein leichter Film, entführt sein Publikum aber in eine abgründige und düstere Welt.

Ghostbusters: Legacy (R: Jason Reitman)

Nach vielen Ab- und Zusagen des originalen Casts und nach einem größtenteils nicht gut aufgenommenen Reboot 2016, war es dieses Jahr endlich soweit und Jason Reitman produzierte eine liebevolle Weitererzählung der ursprünglichen Reihe, die mit interessanten neuen Figuren, altbewährtem Murray-Sarkasmus und vielen handgemachten Effekten zu Punkten weiß. Der durchaus vorhandene Fanservice wirkt hier zu keinem Zeitpunkt selbstzweckhaft, sondern ist organisch in die Story eingeflochten. Ghostbusters – Afterlife ist somit kein seelenloser Studio-Cashgrab, ganz im Gegenteil ist er vor allem eine Verneigung vor dem bereits 2014 verstorbenen Harold Ramis. Ghostbusters – Afterlife setzt die bekannte Gesichte aus dem ersten Teil fort und bestätigt, dass (verspätete) Sequels in den richtigen Händen würdevoll mit ihren Figuren umgehen können.

– Größte Enttäuschung –

Great White (R: Martin Wilson)

Mit großer Vorfreude bin ich dieses Jahr an The Great White herangegangen, wurde aber schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Sah der Trailer nach einem spannenden Hai-Horror aus, so war der fertige Film eine krude Mischung aus Urlaubsvideo eines Reiseunternehmens, Seifenoper und einer Prise Survival-Thriller ohne jeglichen Tiefgang. Zudem glänzte der Streifen mit unsympathischen Charakteren ausgestattet mit hölzernen Dialogen in einer absolut uninteressanten Story und jede Menge schlechtem CGI. Das ist schade, da doch Filme wie The Shallows oder 47 Meters Down zeigen, wie es deutlich besser geht. Ein Hai alleine, den das Publikum zudem kaum zu sehen bekommt, reicht eben nicht für einen guten, spannenden Tierhorror aus.


Teil 1 mit weiteren Empfehlungen und auch ein paar Enttäuschungen, die das Horrorjahr 2021 bereithielten findet ihr hier. Was waren eure High- und Lowlights des Jahres?

Seid gegrüßt, Ich habe unzählige Namen und erscheine in vielen Gestalten. Hier kennt man mich als Dark Forest und ich bin euer Gastgeber. Ich führe euch durch die verwinkelten Bauten, düsteren Wälder und verfallenen Ruinen. Immer mir nach!

...und was meinst du?