13 Final Girls, die ihr kennen solltet
8. Erin Harson
aus You’re Next gespielt von Sharni Vinson
Erin und ihr Freund Crispian sind zum Hochzeitstag seiner Eltern eingeladen. In Anwesenheit der gesamten Familie soll sich der feierliche Anlass allerdings schnell in einen Albtraum verwandeln, als es sich eine Gruppe maskierter Killer zum Auftrag macht, das Haus zu stürmen und niemanden am Leben zu lassen.
Adam Wingards Home-Invasion-Horror You’re Next zählte 2011 zu den großen Genre-Überraschungen. Die Low-Budget-Produktion kann dabei nicht nur mit einem stetig steigenden Spannungsbogen und fantastischer Effektarbeit überzeugen, er etabliert mit der von Sharni Vinson verkörperten Hauptrolle Erin gleichzeitig noch eines der robustesten und widerstandsfähigsten Final Girls des Horrorfilms. Dass Erin sich als tougher Endgegner für jedweden Antagonisten entpuppt, hält Regisseur Wingard dabei anfänglich unter Verschluss. Wir lernen die junge Dame als ruhige, höfliche Lebensgefährtin von Crispian kennen, die ihren Schwiegereltern gerne zur Hand geht. Erst als sich die Situation zuspitzt, mutiert Erin zur eiskalten Survival-Künstlerin, die den Eindringlingen auf unnachahmliche Art das Handwerk zu legen weiß. Einfallsreich und konsequent entpuppt sich die Protagonistin immer mehr als überlegene Retterin in einer aussichtslosen Situation. Mit brüsker Härte wendet Erin den Verlauf, ehe sie sich gen Ende mit einer erschütternden Erkenntnis konfrontiert sieht.
Adam Wingard liefert mit You’re Next nicht nur bluttriefende Home-Invasion, er krönt die altbekannte Formel mit einer Heldin, die vom stillen Gewässer zur reißenden Strömung mutiert und sich in unbequemer Wucht durch den Verlauf schlägt. [Jan]
7. Mia Allen
aus Evil Dead gespielt von Jane Levy
Die unter einer Drogensucht leidende Mia fährt mit ihren Freunden in eine abgelegene Hütte im Wald. Um der Qual der Abhängigkeit ein für alle Mal ein Ende zu setzen, soll die Gruppe ihre Freundin bei einem kalten Entzug unterstützen. Ein übler Geruch lockt die Freunde in einen Keller. Was dort verborgen liegt, soll den gut gemeinten Ausflug zur Hölle auf Erden mutieren lassen…
Sam Raimis Kult-Klassiker Tanz der Teufel zählt nach wie vor zu den großen Meilensteinen des Genres, der sich nicht nur in den Herzen zahlreicher Fans verankerte, sondern mit Ash Williams gleichzeitig noch eine der größten Kultfiguren des Horrorfilms kreierte. Fede Alvarez wagte – in enger Zusammenarbeit mit Sam Raimi und Bruce Campbell – 2013 die Neuauflage, die nicht nur auf die liebenswerte Heldenfigur Ash verzichtet, sondern mit Mia Allen den Posten der Hauptfigur gleichzeitig auch einer jungen Frau übergab. Die von Jane Levy verkörperte Protagonistin Mia überzeugt dabei auf ganzer Strecke. Sie hat nicht nur mit den Auswirkungen ihrer Drogensucht, sondern vor allem mit dämonischer Fremdeinwirkung zu kämpfen. Entzugserscheinungen, ein Autounfall mit Folgen, erzwungene Selbstverletzungen – Mia bleibt vor nichts verschont. Körperlich und geistig von einer teuflischen Präsenz vereinnahmt, wird sie im Verlauf nicht nur eine ernstzunehmende Bedrohung für ihre Freunde, sondern vor allem für sich selbst. Bereits totgeglaubt, ist es ihr Bruder, der Mia den Fängen der dämonischen Besitzübernahme entreißt, ehe sie sich höchstpersönlich im großen Finale der Gefahr stellen und das Böse endgültig besiegen kann.
Mia ist nicht nur eine große Bereicherung für das Evil-Dead-Franchise, sondern eines der toughsten Final Girls in der Geschichte des Horrorfilms. Über weite Strecken nicht Herrin ihrer eigenen Sinne und dem Ende nahe, schafft Mia den Sprung von der Schwelle zum Tode, hin zur großen Bezwingerin des Bösen. [Jan]
6. Laurie Strode
aus Halloween gespielt von Jamie Lee Curtis
Die 17-jährige Highschool-Schülerin Laurie Strode (Jamie Lee Curtis, Prom Night) lebt ein scheinbar ruhiges Leben in der Kleinstadt Haddonfield. In der Halloween-Nacht 1978 plant sie, als Babysitterin auf den kleinen Tommy Doyle aufzupassen. Den ganzen Tag über sieht sie jedoch einen mysteriösen maskierten Mann, der ihr auf Schritt und Tritt folgt und sie beobachtet. Laurie macht sich zunehmend Sorgen, obwohl ihre besten Freundinnen Annie und Lynda ihre Bedenken zerstreuen wollen.
Im Gegensatz zu anderen aktiven Frauen des Horrorgenres, stolpert Laurie unfreiwillig in die Rolle des Final Girls. Trotz der vermeintlichen Willkür des Schicksals überlebt Laurie nicht einfach Michaels Massaker, sondern wehrt sich gegen seine unbesiegbare Präsenz. Bereits vor den Morden ist Michael präsent, aber nur Laurie erkennt in ihm eine essenzielle Bedrohung. Die anderen Figuren befinden sich in ihrem eigenen Kosmos und können sich eine Gefahr für ihr Leben nicht vorstellen. Laurie bleibt wachsam, ist engagiert und eine kritische Denkerin, was sie u. a. im Unterricht unter Beweis stellt.
Laurie wird oft in einem Atemzug mit Sally Hardesty genannt, der Protagonistin aus Texas Chainsaw Massacre. Beide vereinen Schlüsselattribute des Final Girl – sie kämpfen, halten durch und attackieren sogar ihre Angreifer, bis sie schließlich entkommen und gerettet werden. Aber Laurie rettet nicht nur sich selbst, sondern auch Tommy und Lindsey. Freilich taucht Dr. Loomis im letzten Moment auf und erschießt augenscheinlich Michael, aber Laurie setzte sich Michael lange genug entgegen, um sich und andere zu schützen. Laurie kämpft und gewinnt, aber sie leidet immer. Sie ist Michaels perfekte Gegnerin – Michael kennt kein Gewissen, keine Schuld, keine Reue und kein Bedauern, seine Einsamkeit ist von Vorteil. Für Laurie ist der Kampf mit hohen Kosten verbunden, denn sie rechnet mit Verlust und Einsamkeit und akzeptiert schließlich, dass Traurigkeit und Traumata zu ihrem Leben gehören. Sie steht auf und kämpft, doch auch wenn der Kampf beendet ist, geht es für Laurie weiter, und in verschiedenen Interpretationen des Halloween-Mythos sehen wir, wie Laurie zu viel trinkt und Pillen schluckt, um Michael aus ihrem Kopf zu verdrängen. Sie ist immer das gefallene, durch Schuldgefühle geplagte Final Girl – es ist keine positive Rezeption einer Überlebenden. [Jana]
5. Jay Height
aus It Follows gespielt von Maika Monroe
Die Studentin Jay geht seit kurzem mit Hugh aus. Zudem ist sie gerade frisch verliebt in Jeff. Nachdem die beiden zum ersten Mal miteinander Sex hatten, müssen jedoch Jays romantische Vorstellungen der chloroformgetränkten Realität weichen. Als sie wieder zu sich kommt, findet sie sich in einem alten, heruntergekommenen Fabrikgebäude an einen Rollstuhl gefesselt wieder. Hugh erzählt ihr irgendwas von einem Wesen, das sie ab jetzt verfolgen wird. Es könne die Gestalt jeder beliebigen Person annehmen. Falls es sie erreicht und sie stirbt, würde das Wesen wieder Hugh verfolgen. Mittels Sex könne sie es auch auf andere übertragen. Kurz darauf taucht eine nackte Frau auf, die langsam auf Jay zugeht. Doch bevor die Frau Jay erreichen kann, zieht Hugh den Rollstuhl mit ihr weg, um sie kurze Zeit später halbnackt auf dem Rasen vor dem Haus ihrer Eltern abzusetzen …
Jay erfüllt erstmal klassische Merkmale des Final Girls. Wir nehmen die Geschichte aus ihrer Perspektive wahr, sie ist zunächst die einzige, die die Bedrohung wahrnimmt, sie durchläuft mehrere Phasen, bevor sie schlussendlich die Kraft hat, sich dem Bösen entgegen zu stellen. Und doch ist sie ein überaus untypisches Final Girl. Nicht nur beginnt It Follows damit, dass sein „jungfräuliches“ Final Girl Sex hat, sondern Sex wird hier gezielt zum Mittel der Verteidigung. Damit unterwandert der Film das Narrativ des (meist) männlichen, sexuell motivierten Aggressors. Jay, die schon zu Beginn des Films ihre Sexualität auslebt, gewinnt dadurch an (sexueller) Souveränität. Sie und ihre Freunde müssen sich somit in einer Welt, in der Erwachsene grundsätzlich abwesend sind und Sex zur Waffe wird, zurechtfinden.
Sex und Gewalt gehen im Horrorgenre häufig Hand in Hand und oft ist Sex eine Waffe gegen die fast ausschließlich weiblichen Opfer – auf die Spitze getrieben im Rape-Revenge-Film. It Follows nimmt sich dieser Problematik gezielt an, aber übergibt Jay die Zügel. Und allein das macht aus ihr eines der spannendsten Final Girls. [Florian]
4. Kirsty Cotton
aus Hellraiser gespielt von Ashley Laurence
Die Hellraiser-Reihe fusioniert Lovecraft’sche Fremdartigkeit und rohes Begehren – mittendrin eine junge Frau, die sich immer wieder andersweltlichen Bedrohungen stellen muss. Im Zentrum von Clive Barkers Geschichte steht ein Rätsel-Würfel, der das Tor zu einer anderen Dimension öffnet, die von Lust und Schmerz regiert wird. Die dort lebenden Zenobiten treibt eine morbide Neugier auf das Innere fremder Körper um, und wer dumm genug ist, den Rätsel-Würfel zu benutzen, muss ihr Verlangen befriedigen. Kirsty gerät eher auf Umwegen an die Dämonen, denn ihr Onkel Frank benutzte den Würfel, konnte aber fliehen – und terrorisiert nun seine Familie, deren Seelen er den Zenobiten im Austausch für die eigene anbieten will. Seine Nichte muss versuchen, ihre eigene Haut zu retten und den teuflischen Frank wieder zu seinen Kerkermeistern zurückzuschicken – ein Kampf, der sie bis in die Mauern einer psychiatrischen Anstalt bringen wird …
Kirsty ist ein untypisches Final Girl, denn ihre Beziehung zu den Zenobiten ist durchweg ambivalent. Obwohl sie keineswegs an den Haken und Ketten der Dämonen enden will, sucht sie unbewusst stets die Nähe der Zenobiten und bringt sich immer wieder selbst in gefährliche Situationen – so dass Pinhead ihr gar unterstellt, sie fühle selbst eine subtile Neugier auf jene Lust, die sich am Ende des Schmerzes offenbare. Gleichzeitig beweist sie – anders als ihr Onkel – Mitgefühl sowie eine große mentale Stärke und wächst insbesondere im zweiten Teil über sich hinaus.
Kirsty entspricht nicht dem Bild der jungfräulichen Heroine, die überlebt, weil sie allen Sinnesfreuden entsagt. Umgeben von amoralischen Trieben und ungezügeltem Verlangen, verliert sie sich aber dennoch nicht selbst und stellt sich den Schrecken, die ihrer harren, selbstbewusst entgegen. Gerade weil sie keine blütenweiße Karikatur, sondern ein diskussionswürdiger Charakter, eine Frau aus Fleisch und Blut ist, geht ihre Geschichte unter die Haut. [Catherin]