It Follows (2014) – Review
David Robert Mitchells It Follows zählt zu den innovativsten Horrorfilmen der letzten Jahre. Was diesen ruhigen Film so besonders macht, erfahrt ihr hier!
Originaltitel: |
It Follows USA 100 Minuten David Robert Mitchell David Robert Mitchell Maika Monroe, Keir Gilchrist, Olivia Luccardi u.a. |
Inhalt
Die Studentin Jay geht seit kurzem mit Hugh aus. Nachdem die beiden zum ersten Mal miteinander Sex hatten, müssen jedoch Jays romantische Vorstellungen der chloroformgetränkten Realität weichen. Als sie wieder zu sich kommt, findet sie sich in einem alten, heruntergekommenen Fabrikgebäude an einen Rollstuhl gefesselt wieder. Hugh erzählt ihr irgendwas von einem Wesen, das sie ab jetzt verfolgen wird. Es könne die Gestalt jeder beliebigen Person annehmen. Falls es sie erreicht und sie stirbt, würde das Wesen wieder Hugh verfolgen. Mittels Sex könne sie es auch auf andere übertragen. Kurz darauf taucht eine nackte Frau auf, die langsam auf Jay zugeht. Doch bevor die Frau Jay erreichen kann, zieht Hugh den Rollstuhl mit ihr weg, um sie kurze Zeit später halbnackt auf dem Rasen vor dem Haus ihrer Eltern abzusetzen …
Kritik
Dieses traumatisierende Erlebnis bringt die Handlung von It Follows ins Rollen. Von nun an begleiten wir Jay bei ihrem Versuch ihren Freunden das Trauma und seine Folgen näher zu bringen. Manche versuchen ihr zu glauben, für andere ist es nicht mehr als ein Hirngespinst. Doch selbst jene, die ihr glauben wollen, können das Ereignis nicht begreifen, nicht nachvollziehen – weder rational, noch emotional. Durch die Unterstützung ihrer Freunde ist Jay zwar nicht alleine, aber trotzdem allein mit ihrer Wahrnehmung.
Das traumatisierende Erlebnis hat ihre Welt und ihre Wahrnehmung erschüttert, nicht jedoch jene ihrer Freunde. Jay sieht überall Monster, die nach ihrem Leben trachten, die für ihre Freunde jedoch unsichtbar bleiben. Erst mit der Zeit beginnt der Schrecken sich auch auf ihr Umfeld auszubreiten.
Um ihrer Hilflosigkeit zu entkommen, begibt sich die Truppe auf eine detektivische Entdeckungsreise, mit dem Ziel Hugh ausfindig zu machen – das Einzige, das an dieser Sache für sie greifbar ist. Ähnlich ergeht es auch dem Publikum, das versucht sich aus dem „It“ einen Reim zu machen. Dieses Rätseln macht für mich einen großen Reiz des Filmes aus. Nicht nur darüber, woher die Bedrohung kommen mag und wie sie bezwungen werden kann, sondern vor allem auch, wofür sie stehen könnte.
It Follows gehört wahrscheinlich aus diesem Grund zu jenen Filmen, über die gefühlt schon alles gesagt wurde. Es gibt wohl kaum eine Theorie, die nicht irgendwer schon einmal ausgepackt hat. Sei es als Metapher für Geschlechtskrankheiten oder für die Pubertät an sich. Selbst die moralisierende Lesart, in welcher der Sex etwas Böses darstellt, wofür man bestraft wird, ist mir schon untergekommen. Ich werde daher das Rad hier auch nicht neu erfinden, sondern beziehe mich auf Brendan Morrow von den Kollegen von Bloody Disgusting. Demnach geht es in It Follows um Überlebende von sexualisierter Gewalt. Schaut euch den Film noch einmal mit diesem Gedanken im Hinterkopf an und ihr werdet sehr viele Parallelen entdecken können. Sei es wie Jay halbnackt und benommen auf dem Rasen abgesetzt wird; dass die Polizei ihre Aussage in Frage stellt; die Bilder der stumm weinenden Jay aus dem Krankenhaus; wie sie am nächsten Morgen ihren entfremdeten Körper im Spiegel betrachtet; wie sie danach Tage depressiv im Bett verbringt. Dies ruft eher die Assoziationen mit einer traumatischen Vergewaltigung hervor als mit Geschlechtskrankheiten.
Was ich an dieser Lesart besonders faszinierend finde, ist, wie der Film die Wahrnehmung der Realität verändert. Vor dem Vorfall spielen Jay und Hugh ein Spiel bei dem sie sich in das Leben einer wildfremden Person hineinversetzen. Damit fokussieren sie ganz bewusst einzelne Individuen in der ansonsten anonymen Masse. Im Normalfall wandern wir durch Menschenmassen, ohne diesen viel Aufmerksamkeit zu schenken. Es zeugt von einem immensen Vertrauen in unsere Mitmenschen, dass sie uns nichts Böses tun werden. Dieses Vertrauen in ihre Mitmenschen wird bei Jay durch den traumatisierenden Vorfall komplett zerstört. Hinterher ist jede einzelne Person in der Masse nicht mehr egal, sondern eine potentielle Gefahr.
Regisseur David Robert Mitchell gelingt es hervorragend jene allgegenwärtige Bedrohlichkeit auf Zelluloid zu bannen. Dies hat viel mit der Grundidee an sich zu tun, dass überall und jederzeit die Bedrohung auftauchen kann. Unterstützt wird dies von Rich Vreelands Score, der mit seinem experimentellen Ambient-Soundteppich viel zur unheilvollen Atmosphäre beiträgt. Eine der besten Entscheidungen von Mitchell und Kameramann Mike Gioulakis (Split) war es, vielfach auf subjektive Kameraeinstellungen zu verzichten und sich distanzierter zum Geschehen zu positionieren. Dadurch wird der Blick des Publikums weniger gezielt gelenkt und man kann sich selbst entscheiden, wohin man seinen Fokus richtet. Ohne einen vorgegebenen Fokus suchte ich intuitiv das Sichtfeld nach etwas Ungewöhnlichem, Bedrohlichem ab. So gelingt es It Follows ganz ohne Jump Scares die Spannung hochzuhalten.
Dies funktioniert aber vor allem deswegen so gut, weil die Charaktere so sympathisch gezeichnet sind. Vollkommen konträr zu den Teenagern aus 70er-/80er-Slashern geht es diesen kaum um Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Sie sind viel mehr die herangewachsenen Versionen der nerdigen Kids aus Goonies, Stand By Me oder The Monster Squad. Über der Clique liegt zudem stets eine melancholische Nostalgie. Die Truppe auf dem Sprung ins Erwachsenenleben fiebert diesem nicht entgegen, sondern sehnt sich vielmehr zurück. Statt dem ersten Suff wird eher die Kindheit zelebriert. Beim oben erwähnten Spiel wünscht sich Hugh daher sicher nicht zufällig wieder Kind sein zu dürfen. Als Schutz vor der Bedrohung werden etwa die Fenster mit Comics zugeklebt. Und doch ist klar, dass es kein Zurück mehr gibt. Frei von Klischees hat Mitchell hier Charaktere kreiert mit denen man gerne seine Zeit verbringt und dementsprechend auch mit ihnen mitfiebert. Dies liegt natürlich auch am hervorragenden Cast, insbesondere Maika Monroe als Jay brilliert in ihrer Rolle.
Fazit
Unterm Strich ist It Follows ein optisch beeindruckender Film, der in seinen verträumten Bildern an Richard Kellys Donnie Darko oder Filme von David Lynch (Blue Velvet, Lost Hightway) erinnert. Zudem kann er mit einer innovativen Story und tollen Charakteren glänzen. Mit seinem wundervollen melancholischen Touch, der bedrohlichen Atmosphäre und den vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten ist David Robert Mitchell einer der besten Horrorfilme der letzten Jahre gelungen.
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Bildquelle: It Follows © Weltkino