The Lodge (2019) – Review
Mit The Lodge meldet sich das österreichische Regie-Duo, bestehend aus Veronika Franz und Severin Fiala, mit einem Paukenschlag zurück. Ihr Debütfilm Ich seh Ich seh schlug 2015 ordentlich Wellen und so sind die Erwartungen bezüglich ihrem neuesten Werk natürlich groß. Wir hatten beim /slash Filmfestival die Möglichkeit, uns in die Isolation der abgelegenen, eingeschneiten Hütte zu begeben, und verraten, ob sich der Kinobesuch lohnt.
Originaltitel: |
The Lodge USA/Großbritannien 108 Minuten Veronika Franz, Severin Fiala Sergio Casci, Veronika Franz, Severin Fiala Richard Armitage, Riley Keough, Jaeden Martell u.a. Ab 06.02.2020 im Kino |
Nach dem höchst erfolgreichen Ich seh Ich seh und einem Segment für die Horror-Anthologie The Field Guide to Evil stand für Veronika Franz und Severin Fiala die erste internationale Produktion unter dem Banner der berüchtigten Hammer Studios an, das sich mit einem Skript des Schotten Sergio Casci (The Caller) ausdrücklich an das Duo gewandt hatte.
The Lodge kann dabei durchaus als geistiger Nachfolger von Ich seh Ich seh betrachtet werden. Auch dieses Mal beschränkt sich das Ensemble in erster Linie auf zwei Kinder und eine Frau – mehr benötigen die Österreicher nicht, um ihren Schrecken im abgelegenen Ferienhaus zu entfalten. Wie schon in ihrem Debüt dreht sich auch dieses Mal wieder alles um Bruchstellen in der bürgerlichen Familie und den sich dahinter erstreckenden, unheilvollen Abgründen. Ein Sujet, dem sich das österreichische Kino von Ulrich Seidl (Im Keller) über Jessica Hausner (Hotel) bis hin zu Michael Haneke (Funny Games) offenbar sehr verbunden fühlt.
Ging es in Ich seh Ich seh noch um das entfremdete Elternteil, das die Zwillinge nach einer Operation derselben nicht mehr als Mutter (an-)erkannten, kommt das bedrohliche Fremde dieses Mal von außen. Denn obwohl der Jugendliche Aidan (Jaeden Martell, Es) und seine kleine Schwester Mia (Lia McHugh, Serie Into the Dark) noch mit der hässlichen Scheidung ihrer Eltern zu kämpfen haben, gedenkt ihr Vater Richard (Richard Armitage, Der Hobbit) erneut zu heiraten. Damit sich seine Verlobte Grace (Riley Keough, It Comes at Night) und die Kinder näher kommen können, fahren sie zu viert über die Weihnachtsferien in ihr Ferienhaus in den Bergen. Während Richard für ein paar Tage in die sechs Autostunden entfernte Stadt muss, will Grace mit den Kindern die Zeit alleine bleiben und tut alles dafür, um sich mit ihnen anzufreunden. Diese begegnen ihren gutgemeinten Annäherungsversuchen jedoch nur mit Ablehnung und als sie durch einen Schneesturm von der Außenwelt komplett abgeschnitten werden, der Strom ausfällt und sich seltsame Vorfälle mehren, wird die fragile Beziehung endgültig auf eine harte Probe gestellt…
Sobald die Familie in den Bergen angekommen ist, sticht insbesondere das absolut großartige Set ins Auge. In wunderschönen Panorama-Shots bekommen wir die eisige Schneelandschaft vorgeführt, die uns auch zugleich die isolierte Situation, in die sich die Familie begibt, bewusst werden lässt. Gerade im weiteren Verlauf der Geschichte spiegelt das frostige Setting geradezu perfekt die Gefühlswelt der ProtagonistInnen wider und Assoziationen mit Stanley Kubricks Shining werden wach.
Franz und Fiala entfalten dabei ihre Geschichte ausgesprochen bedächtig und beziehen ihre Spannung in erster Linie daraus, dass wir nie ganz sicher sein können, was genau vor sich geht. Könnten die befremdlichen Vorkommnisse mit Graces Vergangenheit in einer Sekte, die Massensuizid beging, zusammenhängen? Sind es die Kinder, die mit Grace nur ein böses Spiel spielen oder haben wir es mit übernatürlichen Mächten zu tun, welche die kleine Schicksalsgemeinschaft terrorisieren?
Virtuos eingefangen wird das von Kameramann Thimios Bakatakis, der sich bislang hauptsächlich für seine Arbeit für Yorgos Lanthimos einen Namen machen konnte und bereits dort mit innovativen Einstellungen glänzte. Ähnlich wie in Lanthimos‘ The Killing of a Sacred Deer gelingt es Bakatakis auch in The Lodge diese Ungewissheit mit seiner Kameraarbeit zu unterstützen und ein mulmiges Gefühl zu erzeugen. Dabei sind die Bilder in ihrer präzisen Komposition äußerst beeindruckend, allerdings weniger streng als noch bei Martin Gschlachts Kamera in Ich seh Ich seh. Bakatakis Kamera ist organischer und bezieht uns mit seiner dynamischen Kamera mehr in die Gefühlswelt der Charaktere ein.
Dies funktioniert vor allem deshalb so gut, weil die Charaktere ausreichend differenziert geschrieben wurden und die SchauspielerInnen es verstehen ihren Rollen Leben einzuhauchen. Gerade dass sich Franz und Fiala in ihrer Figurenzeichnung gern im moralischen Graubereich bewegen, macht viel ihrer Anziehungskraft aus. Vor allem Riley Keough liefert hier eine der besten Performances ihrer bisherigen Karriere ab. Sie verleiht ihrem Charakter einen mystischen Sog, dem man sich nicht entziehen kann und der einen mit in ihren scheinbaren Wahnsinn zieht.
Im Zusammenspiel mit der steten Ungewissheit gelingt es Franz und Fiala, wieder eine äußerst bedrohliche Atmosphäre zu kreieren. Der Film legt seine Karten erst sehr spät auf den Tisch und selbst wenn man den Braten bis dahin schon längst gerochen hat, dürfte die Auflösung einem trotzdem einen dumpfen Schlag verpassen.
Die große Stärke von The Lodge liegt jedoch nicht nur in seinem clever konstruierten Vexierspiel, sondern an der grimmigen Kompromisslosigkeit, wie Franz und Fiala ihren düsteren Familien-Horror zu Ende bringen. Denn wenn das österreichische Duo das bürgerliche Familienidyll seziert, bleiben am Ende nur leblose Körper, zerfetzte Ideale und ein zerrüttetes Publikum zurück.
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Bildquelle: The Lodge © SquareOne Entertainment
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