Interview mit einem Vampir (1994) – Teil 2: Goldringe für die Ewigkeit
In Interview mit einem Vampir spielt Schmuck eine große Rolle. Wir nehmen heute den von Brad Bitt gespielten Louis unter die Lupe.
Im ersten Teil waren Lestat und sein Fingernagelschmuck der Mittelpunkt meiner Schmuckanalyse. Diesmal widmen wir uns „dem weinenden Vampir“ Louis.
In Teil I findest du eine Zusammenfassung des Films.
Der Vampir Lestat ist, im Vergleich zu Louis, ein sehr extrovertierter Charakter, der sich gerne in der High Society bewegt. Louis dagegen ist mehr in sich gekehrt. Er war Gutsbesitzer und verlor seine Frau samt Kind in jungen Jahren. Diese Trauer lässt ihn auch Jahrhunderte später nicht los. Sie wird zu einem Teil seiner Persönlichkeit und drückt etwas aus, wonach sich die Vampire Lestat und Armand sehnen.
Louis Charakter zeichnet aber noch etwas anderes aus. Er trägt an beiden Händen je einen schlichten goldenen Ring. An der rechten Hand befindet er sich am Ringfinger, und an der linken Hand am kleinen Finger. Sie gehören zu seiner filmischen Charakterisierung, denn es sind nicht einfach nur Fingerringe, sondern es sind Goldringe für die Ewigkeit.
Trägt Louis einen Ehering?
Du wirst dir sicher gedacht haben, dass der Ring, am Ringfinger womöglich ein Ehering ist. Das erscheint logisch, aber nur für unsere Zeit. 1791 war es jedoch für Männer nicht üblich, Eheringe zu tragen. Dieser Brauch setzte sich erst ab dem 20. Jahrhundert für beide Geschlechter gleichermaßen durch. Bei Frauen hingegen ist dies schon seit dem alten Ägypten belegt.
Das vermeintliche Rätsel löst schließlich der Ring am kleinen Finger. Dabei handelt es sich nämlich um den Ring seiner verstorbenen Ehefrau. Die beiden Ringe stellen sogenannte Posy-Ringe dar. Wer romantisch ist, kann jetzt ins Schwärmen kommen. Posy-Ringe übertrafen einen Ehering, der oft mehr Kaufvertrag als Liebesbeweis war, um einiges. Posy-Ringe, auch Poesie-Ringe genannt, sind seit dem Mittelalter bekannt. Sie wurden mit einem persönlichen Spruch an der Außenseite versehen, Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Schrift oftmals auf die Innenseite verlegt. Posy-Ringe erfreuten sich damals großer Beliebtheit und trugen Sprüche wie „Liebe mich und verlasse mich nicht“ oder „Zwei Körper, ein Herz“. So konnte die Botschaft geheim und nahe bei sich getragen werden. Paare gaben sich damit gegenseitig ein intimes Liebes- und Lebensversprechen. Weitere eheähnliche Ring-Arten waren z.B. der Fede- und der Gimmelring, die allerdings beide formellerer Natur waren.
Im Film werden die Ringe als Teil seiner Persönlichkeit inszeniert. Als Louis dem Reporter des 20. Jahrhunderts erzählt, wie er Claudia verloren hat, fällt eine Träne auf den kleinen Finger mit dem Goldring. Dabei werden nur die Hand, die Träne und der goldene Ring gezeigt. Diese Szene ist ein filmischer Höhepunkt und offenbart die Essenz der Handlung: Louis Besonderheit, ein Untoter mit der Fähigkeit ewig zu trauern.
Es ist nicht nur die Schlichtheit und der goldene Glanz des Ringes, der auffällt. Die Besonderheit liegt an der Ringposition. Ein Mann, der einen schlichten goldenen Ring am kleinen Finger trägt, ist ungewöhnlich und prägt sich in das Gedächtnis. Der Ring wird als weiblich wahrgenommen, und betont seine Sensibilität. Wie schon im ersten Teil sieht man auch hier wieder, wie sehr die Zuschreibung des Geschlechts und Schmuck in Verbindung stehen und sich gegenseitig verstärken.
Louis trägt die Ringe als Andenken an seine verstorbene Familie. Wie du unten in der Abbildung siehst, wird der Ring auch nach der Begegnung mit Armand wieder gezeigt, als er darüber haderte ob er sich ihm anschließen soll. Der Ring verknüpft die gegenwärtigen und vergangenen Tragödien von Louis. Er durchlebt sie, als ob sie erst gestern passiert wären.
Der dritte Teil wird sich mit dem Medaillon von Madeleine beschäftigen. Du kannst dich sicher an das Schmuckstück erinnern, wenn du es siehst. Denn nicht nur Louis hat Tote zu beklagen, auch die Lebenden trauern um ihre Toten.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Talkingabout-Schmuck.com.