The Field Guide to Evil (2018) – Review
The Field Guide to Evil ist eine Anthologie zu Folklore aus aller Welt. Den Zuseher*innen bieten sich acht verschiedene Sagen und Legenden aus acht verschiedenen Ländern, gebündelt als eine Art Märchenbuch.
Originaltitel: |
The Field Guide to Evil USA/Polen/Griechenland/Ungarn/Neuseeland 117 Minuten Veronika Franz, Peter Stickland, Agnieszka Smoczynska u.a. Severin Fiala, Ketrin Gebbe, Can Evrenol u.a. Birgit Minichmayr, Claude Duhamel, Sarah Navratil u.a. |
Die Macher*innen von ABCs of Death haben sich wieder ins Zeug gelegt den Freund*innen des Episodenfilms etwas Herausragendes zu bieten, wofür sie auf eine Mischung aus Crowdfunding und klassischem Fundraising zurückgriffen. Mit dieser Methode konnten sie $ 500.000 lukrieren, welche dann unter den Filmemacher*innen aufgeteilt wurden. Ihre Aufgabe: die Verfilmung einer gruseligen Sage aus ihrem Heimatland – mit geringem Budget und einer festgelegten Laufzeit. Schlussendlich wurden es acht Beiträge aus aller Welt, darunter einige bekannte Genre-Talente wie Veronika Franz und Severin Fiala (Ich seh, Ich seh), Peter Strickland (Berberian Sound Studio), Can Evrenol (Baskin), Yannis Veslemes (Norway), Calvin Reeder (The Rambler), Katrin Gebbe (Nothing Bad Can Happen), Ashim Ahluwalia (Miss Lovely) oder Agnieszka Smoczynska (The Lure).
Eine der Stärken von Anthologien ist ihre Vielfalt. Bevor ich also The Field Guide to Evil als Gesamtes bewerte, werde ich im Folgenden jeden Beitrag kurz inhaltlich zusammenfassen und meine jeweiligen Eindrücke diesbezüglich festhalten.
The Sinful Women of Hollfall (Österreich)
von Severin Fiala & Veronika Franz (Ich seh, Ich seh)
Zwei junge Frauen im ländlichen Österreich Anfang des 16. Jahrhunderts. Die Warnung der Mutter in den Wind werfend, dass ein sündiges Leben die „Trud“ heraufbeschwört, gehen die zwei Frauen genau diesem nach. Das Interesse aneinander ist doch zu reizvoll und vielversprechend…
Gleich zu Beginn zog mich The Sinful Women of Hollfall in seinen Bann. Diese Liebe zum Detail (die Waschszenen wurden an einem echten kalten Bach mit echter Holzasche durchgeführt) und die spannende Geschichte voller Überraschungen waren ein wahrer Genuss.
Haunted by Al Karisi, The Childbirth Djinn (Türkei)
von Can Evrenol (Housewife, Baskin)
Eine hochschwangere junge Frau pflegt eine ältere Greisin. Als sie der Greisin einen schön verzierten Talisman abnimmt, beginnt der Wettlauf mit der Zeit, denn ein böses Wesen trachtet ihrem Neugeborenen nach dem Leben…
Wem es nicht gruselig genug erscheint, fernab jeglicher Zivilisation im Umfeld einer schwer pflegebedürftigen Greisin ein Kind aus sich herausquetschen zu müssen, hat hier ausgezeichnetes Bildmaterial, das die Verzweiflung einer solchen Situation sehr gut greifbar macht. Die visuelle Darstellung der Gedanken der Hauptdarstellerin hat mich trotz oder gerade durch die offensichtliche Absurdität berühren können. So konnte ich mich gut in sie hinein versetzen und war gleich gleichzeitig froh, nicht ihrer Situation zu sein. Ob das ähnlich abgeschieden heute wohl anders wäre?
The Kindler and the Virgin (Polen)
von Agnieszka Smoczynska (The Lure)
“Iss die Herzen drei frisch verstorbener Personen und ich gebe dir ewige Kraft und nie endenden Reichtum”. Wer würde da nicht in Versuchung geraten? Der Warenhändler dieser Geschichte jedenfalls folgt den Ratschlägen einer jungen weiblichen Geistes und tut dies in einer die Zuschauer bedrückenden Genauigkeit…
Ich bin ja besonders schwach bei solchen Szenen und konnte tatsächlich nicht hinschauen, als der Hauptdarsteller sich an seine Mahlzeiten machte. Doch abseits der ansprechenden Bilder wirkte der Beitrag auf mich nicht logisch genug, sehr schnell geschnitten – so dass mir immer irgendwie ein Teil der textlichen Erzählung gefehlt hat, um der Handlung zu folgen – und plötzlich war die Geschichte abrupt zu Ende. Da sind die Macher*innen wohl am Format gescheitert.
Beware the Melonheads (USA)
von Calvin Reeder (V/H/S)
Eine Familie verbringt den Urlaub in einem Ferienhaus im Wald und stößt dabei auf kindliche Kannibalen mit Melonenköpfen. Und ja, der Film war genauso, wie er klingt…
Der Beitrag ist bestenfalls absurd und das schlechte Schauspiel wurde nur vom noch schlechteren Make-up übertroffen. Könnte jedoch für Trash-Fans einen gewissen Reiz haben.
Whatever Happened to Panagas the Pagan? (Griechenland)
von by Yannis Veslemes
Ein geselliger Goblin mischt sich jährlich heimlich unter Menschen, um mit ihnen Weihnachten zu feiern. Leider reagieren diese alles andere als wohlwollend, als sie herausfinden, wer sich da in ihrer Mitte befindet. Die gelassene Stimmung alkoholisierter Massen kippt schnell. Und ebenso schnell kommt die Retourkutsche…
Ganz im Sinne von Frankensteins Monster ist klar, auf welcher Seite die Sympathien liegen. In meinen Augen definitiv einer der unterschätzten Beiträge, da er sehr vielschichtig anmutet aber durch die Bildgewalt die Zeit und der Raum fehlt, all die angedeuteten Zusammenhänge in einen nachvollziehbaren Kontext zu setzen. Ich erinnere mich an das beklemmende Gefühl, das die vormals erheiterte Menschenmenge in mir auslöste und dennoch ist die weiterfolgende Handlung äußerst verschwommen und nur schemenhaft geblieben.
Palace of Horrors (Indien)
von Ashim Ahluwalia
Ein Team von „Entdeckern“ (eher Menschenhändlern) reist in den indischen Urwald, um das Gerücht einer Auffangstation mythisch-heiliger Wesen zu erkunden – mit dem Ziel, diese der Welt vorzuführen. Sie landen in einer Art Tempel voller Menschen mit körperlichen Anomalien. Die Gruppe erhält eine umfassende Führung und Erläuterung des Anwesens, mitsamt der Warnung einen bestimmten Bereich nicht zu betreten, da dieser nur einem kleinen auserwählten Kreis zugänglich wäre. Unbefugtes Betreten sei lebensgefährlich. In diesem Bereich lebe ein „heiliges Wesen“, von Pfleger*innen und Bewohner*innen gleichermaßen gefürchtet wie beschützt. Diese Warnung reizt den Expiditionschef natürlich erst recht dazu, sich dieses Wesen einmal mit eigenen Augen anzusehen…
Der Beitrag ist wirklich gut gemacht. Die Selbstverständlichkeit des „Expeditionsteams“ sich in unbekannte und potentielle Bereiche vorzuwagen allein aus finanzieller Motivation und ohne jegliche Rücksicht auf örtliche oder kulturelle Begebenheiten löste ein vielfältiges unangenehmes Gefühl bei mir aus. Weniger die angedeutete mythische Gefahr als diese treffend dargestellte Mischung aus Wagemut, Egozentrik und Leichtsinn sind es, die mir eine Gänsehaut bescherten.
A Nocturnal Breath (Deutschland)
von Katrin Gebbe
Abgeschieden von der Außenwelt leben Bruder und Schwester mit nach und nach dezimiertem Vieh auf einem Berg. Immer häufiger plagt ein bösartiges Wesen die Schwester mitsamt ihrer Lebensgrundlage, doch der Bruder weigert sich, ihrem Leiden ein Ende zu setzen…
Mich hat es fasziniert wie, ähnlich zum Beitrag aus Österreich oder der Türkei unerklärliche Phänomene, Geistern, Gestalten und überhaupt magischen Benachteiligungen zugeschrieben wurden. Die Darstellung erwies sich allerdings als zu steif und oberflächlich für meinen Geschmack.
The Cobblers‘ Lot (Ungarn)
von Peter Strickland (Berberian Sound Studio)
Zwei Brüder verlieben sich in die gleiche Prinzessin. Beide sind bekannte Schuhmacher. Doch ihre Gunst gewinnen kann nur einer…
Eine allzu normale Geschichte im Stummfilmformat erzählt. Peter Strickland versteht es wirklich Inhalt und Kontext in kurzer Zeit ans Publikum zu bringen. Da es keinen einzigen gesprochenen Satz gibt, liegt der Schwerpunkt auf den wenigen Szenen und noch weniger geschriebenem Text. Und es fasziniert mich jedes Mal wieder, wie viel doch durch Gestik, Mimik, Musik und den entsprechenden Kontext vermittelt werden kann. Allein darum ist dieser Beitrag es wert, sich The Field Guide to Evil anzusehen.
Insgesamt leidet The Field Guide to Evil unter den typischen Merkmalen eines Episodenfilms. Die Vielfalt der Beiträge führt notgedrungen dazu, dass diese sehr unterschiedlich in ihrer Form, Darstellung und Qualität sind. Hier ist jedoch zudem spannend, wer mit den gleichen Mitteln was bewirken kann. Ich habe in den letzten Jahren eine Vorliebe für Episodenfilme entdeckt, denn sie bieten unglaublich viel Entdeckungspotential. Für alle ist etwas dabei! Allerdings bedarf es auch einer gewissen Toleranz, was die Kohärenz des Gesamtwerkes angeht. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass es auch enttäuschende Teile gibt und der Rahmen um selbige nicht den eigenen Sehgewohnheiten entspricht, ist äußerst hoch.
Persönlich könnte ich gerne auf die Melonheads (USA) verzichten und während Beiträge wie The Kindler and the Virgin (Polen)oder Whatever Happened to Panagas the Pagan? (Griechenland)eher unter dem Kruzfilmformat schwächeln, reizen The Sinful Women of Hollfall (Österreich)und The Cobblers‘ Lot (Ungarn) das Episodenformat perfekt aus.
So gesehen halte ich The Field Guide to Evil für ein überaus gelungenes Werk, das Lust auf mehr macht.
Bewertung |
|
Spannung | |
Atmosphäre | |
Gewalt | |
Ekel | |
Story |
Bildquelle: The Field Guid to Evil © Legion M
One Comment
whydonateofficial
Ziemlich guter Beitrag. Ich bin gerade über deinen Blog gestolpert und wollte dir sagen, dass es mir sehr viel Spaß gemacht hat, deine Blog-Beiträge zu lesen. Auf jeden Fall werde ich deinen Feed abonnieren und hoffe, dass du bald wieder postest.