Haus der 1000 Leichen (2003) – Review
In seinem Erstlingswerk lässt Regisseur Rob Zombie die blutigen 70er Jahre wiederauferstehen und gibt sich dabei überaus experimentierfreudig. Das Haus der 1000 Leichen und seine Bewohner laden zur Room Tour!
Originaltitel: |
House of 1000 Corpses USA 89 Minuten Rob Zombie Rob Zombie Bill Moseley, Sid Haig, Sheri Moon Zombie u.a. |
Inhalt
Zwei junge Paare bereisen das US-amerikanische Hinterland, um für ihr Buch über skurrile Sehenswürdigkeiten zu recherchieren. Als ihnen in der Nacht vor Halloween das Benzin ausgeht, landen sie an der Tankstelle von Captain Spaulding (Sid Haig, Bone Tomahawk), der auch ein Kuriositätenkabinett nebst Geisterbahn betreibt. Von ihm erfahren sie allerhand über Dr. Satan, der – so wollen lokale Legenden wissen – grausame Experimente an seinen Patienten vornahm und dafür gehängt wurde. Zufällig ist der Baum, von dem seine Leiche später auf unerklärliche Weise verschwand, ganz in der Nähe. Auf dem Weg dorthin erleiden die vier Touristen eine Reifenpanne und suchen Hilfe in einem nahegelegenen Haus. Die Bewohner sind überaus gastfreundlich, doch unglücklicherweise pflegt die Familie rund um die extravagante Mutter Firefly (Karen Black, Landhaus der toten Seelen), ihren übelgelaunten Sohn Otis (Bill Moseley, Texas Chainsaw Massacre 2) und die quirlige Tochter Baby (Sheri Moon Zombie, Halloween II) ein paar blutige Hobbys. Die vier Freunde erleben eine Halloweennacht, die sie nie wieder vergessen werden …
Kritik
Die amerikanische Provinz: der Ort, an dem Terrorträume wahr werden. Filmemacher wie Tobe Hooper oder Wes Craven haben sich dieser Peripherie ausgiebig angenommen, als sie in den 70er Jahren mit dem übernatürlichen Horror brachen und den Schrecken in die Mitte der Gesellschaft zurückholten. Keine blutsaugenden Vampire oder heulenden Werwölfe machten den Protagonisten in Blutgericht in Texas oder Das letzte Haus links mehr das Leben schwer, sondern – mehr oder weniger – menschliche Antagonisten. Zivilisierter ging es deswegen nicht zu, ganz im Gegenteil: Blutlüstern und moralisch verkommen machten Leatherface und Konsorten sich auf, ihre nichtsahnenden Opfer zu quälen und die Zuschauer das Fürchten zu lehren.
Rob Zombie hat sich für sein Kinodebüt von den dreckigen Terrorfilmen dieser Zeit inspirieren lassen und liefert mit Haus der 1000 Leichen eine wahnwitzige Hommage ab. Die Handlung unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen Backwood-Slashern, dennoch drückt Zombie der Inszenierung seinen ganz eigenen Stempel auf. Die schrägen Charaktere um Clown Captain Spaulding, Hobby-Antichrist Otis und Südstaaten-Schönheit Baby brennen sich mit ihren markigen Sprüchen ins Gedächtnis der Zuschauer ein, während die Opfer viel zu nervig sind, um großes Mitleid für sie aufzubringen.
Mord, Kannibalismus und satanische Rituale sind nur einige der exzentrischen Vorlieben, die Familie Firefly pflegt. Mit ihrem besonderen Sinn für Humor und Masken aus Menschenhaut wären sie in der texanischen Nachbarschaft sicher freundlich aufgenommen worden. Ebenso einfallsreich wie sie sich im Umgang mit ihren Opfern erweisen, zeigt sich auch ihr Schöpfer dabei, das bunte Treiben mit handgemachten Splatter-Effekten in Szene zu setzen. Dekorativ werden die Besucher dem Hause einverleibt – einer von ihnen wird zum schuppenbesetzten „Fischjungen“ – als lebende Dartscheiben in die Freizeitaktivitäten der Familie miteinbezogen oder zum Alice-im-Wunderland-Cosplay genötigt.
Die Grenze zur inszenierten Freakshow verschwimmt angesichts solcher Kreativität schon mal, so dass Zombies Hommage die bedrohliche und bitterböse Atmosphäre von Hoopers Blutgericht in Texas weitestgehend vermissen lässt. Im Gegensatz zum Nachfolger The Devil’s Rejects ist die Story hier auch deutlich weniger griffig und der rote Faden mit zunehmender Laufzeit immer weniger ersichtlich. Trotz dieser deutlichen Schwachstellen bleibt Haus der 1000 Leichen aber ein beachtliches Leinwanddebüt und Zombies Talent als Filmemacher unübersehbar. Bis ins kleinste Detail ausgestaltete Kulissen wie Captain Spauldings „Mörderbahn“ oder das Kuriositätenkabinett, das die Familie Firefly bewohnt, lassen das Herz jedes Horrorfans höherschlagen. Der kongeniale Industrial-Soundtrack, den Zombie selbst beigesteuert hat, gibt sich ebenso räudig wie das Geschehen.
Bereits in Haus der 1000 Leichen deutet sich an, wo die Reise für den Regisseur einmal hingehen wird. Zombie verneigt sich vor seinen Vorbildern, zitiert die Filmgeschichte von Freaks – Missgestaltete über Der Schrecken vom Amazonas bis hin zu Tanz der Teufel III – Armee der Finsternis. Gleichzeitig stellt er ihnen aber auch traditionell amerikanische Identifikationsfiguren wie John Wayne oder Marilyn Monroe an die Seite. „Menschen kommen, Menschen gehen. Doch wie viele bleiben wirklich stehen, um sich den Unterleib der Bestie anzuschauen? Ich bringe sie zum Stehenbleiben! Ich bringe sie zum Hinschauen!“, brüllt Otis einer geknebelten Cheerleaderin ins Gesicht. Das All-American-Girl und der White-Trash-Antichrist – eine Andeutung des Grauens, das unter der Oberfläche des kultivierten, braven Amerika schlummert und dem Zuschauer in The Devil’s Rejects endgültig um die Ohren fliegen wird.
Fazit
Obwohl Haus der 1000 Leichen noch etwas ungeschliffen wirkt, lässt sich bereits in diesem Erstlingswerk der typische Stil von Regie-Rowdy Rob Zombie erkennen. Aus einem klassischen Backwood-Slasher macht er mit seiner Experimentierfreude einen atmosphärisch dichten, zynischen und obendrein verdammt unterhaltsamen Terrorstreifen, dessen Handschrift ebenso einzigartig und unvergesslich ist wie eine Halloween-Party bei Familie Firefly.
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Bildquelle: Haus der 1000 Leichen © StudioCanal