Abgründe

Full Moon Features: Eine Gebrauchsanweisung

Ihr kennt noch kaum einen Film der US-amerikanischen Filmproduktionsfirma Full Moon Features, wollt das aber dringend ändern? Wir haben für euch die perfekte Gebrauchsanweisung, wo ihr anfangen und was ihr noch aufschieben solltet. Viel Spaß!

Einleitung

Wir schreiben das Jahr 1983: Aus Frust über den Umgang von Verleihfirmen mit seinen Filmen gründet der Regisseur und Produzent Charles Band die Produktionsfirma „Empire Pictures“, die sich schnell zu einem Hort für bizarre und ungewöhnliche Horror- und Fantasyfilme entwickeln sollte. Heutige Kultklassiker wie Re-Animator, From Beyond – Alien des Grauens oder Rawhead Rex entstanden unter dem Banner des neu entstandenen Studios. Doch bereits 1988 ging das Projekt aufgrund von finanziellen Missständen bankrott. Band ließ sich davon jedoch keinesfalls unterkriegen und stampfte gemäß dem Phönix-aus-der-Asche-Prinzip ein noch weitaus emsigeres Produktionsstudio aus dem Boden: Full Moon Features.

Im niedrigen Low-Budget-Sektor angesiedelt, produzierte das Studio eine Vielzahl an Horror-, Fantasy- und Sci-Fi-Filmen, von denen viele für Fans obskurer B-Movies heute Kultstatus haben. Das Portfolio von Full Moon Features umfasst mittlerweile knapp 100 Filme, was es für geneigte Fans von günstigen, charmanten Genre-Filmen zu einer wahren Schatzgrube macht. Im Gegenzug kommt es natürlich einer Mammutaufgabe gleich, sich bei einer solch großen Auswahl einen Überblick zu verschaffen, ohne sich mühsam durch viele weniger gute Beiträge wühlen zu müssen. Wir haben euch die Arbeit abgenommen und wollen euch mit vorliegender Gebrauchsanweisung einen Guide zum koordinierten Erkunden des Full-Moon-Kosmos bieten.

Full Moon Mastermind Charles Band @ Full Moon Features

Wo soll ich anfangen?

Als Einstieg empfehlen wir Demonic Toys aus der Feder von Drehbuchautor und Regisseur David S. Goyer (Blade: Trinity). Gerade Fans von Puppen-Horror abseits der klassischen Mainstream-Filme wie Chucky – Die Mörderpuppe oder Annabelle sollten sich diesen Full-Moon-Klassiker nicht entgehen lassen. Die Story dreht sich um mörderische Spielzeuge, die in einem zufällig auf den Toren zur Hölle erbauten Spielzeugladen Jagd auf eine Gruppe von Leuten machen, die auf der Flucht vor ruchlosen Kriminellen Schutz suchen.

Die Geschichte ist zwar schlicht erzählt, aber genau deswegen großartig unterhaltsam. Goyer hält sich nicht groß mit irgendwelchen Erklärungen auf, sondern konzentriert sich direkt auf die Stärken der Prämisse: Auf welche Art und Weise werden es beispielsweise ein Spielzeugroboter und eine Baby-Born-Puppe schaffen, die Eingeschlossenen um die Ecke zu bringen? Demonic Toys ist einfallsreich, trickreich, geizt nicht mit blutigen, aber humorvollen Spezialeffekten und bildet daher nicht nur den perfekten Start in eine Welt aus günstigen, aber ambitionierten und vor allem kreativen Filmen aller Genres, sondern schafft es auch ohne große Mühe, vorzüglich zu unterhalten.

Sind ganz und gar nicht zum Scherzen aufgelegt: Demonic Toys @ Wicked Vision Media

Als zweiten Schritt empfehlen wir einen Film einer weiteren Spielzeug-Reihe, der sich ebenfalls perfekt als Einstieg anbietet: Puppet Master. Die Prämisse ist schnell erklärt: alle Filme konzentrieren sich auf eine Gruppe anthropomorpher Puppen, die durch einen ägyptischen Zauberspruch zum Leben erweckt werden. Da jede von ihnen mit einem besonderen Werkzeug ausgestattet ist, dauert es natürlich nicht lange, bis die ersten Menschen von eben diesen Mörderpuppen erstochen, verbrannt oder zerquetscht werden.

Regisseur David Schmoeller legt 1989 mit Puppet Master den Grundstein für das umfangreiche Franchise, das mittlerweile ganze 15 Filme umfasst – einschließlich einem Crossover mit Demonic Toys. Trotz des geringen Budgets bietet Puppet Master sehenswerte Unterhaltung, was natürlich insbesondere den liebevoll gestalteten Puppen zu verdanken ist. Diese sind unbestreitbar das Herzstück der Filme. Weitere Pluspunkte des Erstlings sind zum einen die gut gealterten Special Effects und die hervorragende Kameraarbeit von Sergio Salvati, der die kleinen Antagonist*innen gut in Szene zu setzen weiß. Vor allem der erste der Puppet-Master-Filme ist daher eine gute Gelegenheit, sich mit den Eigenheiten von Full Moon wie Stop-Motion-Technik und bizarren Geschichten vertraut zu machen und sich mit der hauseigenen Verschrobenheit günstig gedrehter Horrorproduktionen anzufreunden.

Puppet Master @ Wicked Vision Media

Wo soll ich weitermachen?

Wer nach den Stop-Motion-Grausamkeiten noch nicht das Handtuch geworfen hat und vielmehr bereit ist, noch weiter in die bizarre Welt von Full Moon abzutauchen, wird mit einer Fülle von Genrebeiträgen belohnt. Nach Demonic Toys und Puppet Master ist nun ein guter Zeitpunkt, sich vom Horror-Spielzeug zu entfernen und auch andere Geschichten zu erkunden. Das Schöne an Full Moon ist neben charmanten Effekten und irrwitzigen Geschichten nämlich die kreative und vor allem abwechslungsreiche Vielfalt der Bedrohungen, mit denen die Protagonist*innen in den verschiedenen Filmen konfrontiert werden.

Wer klassische Filmmonster bevorzugt, dürfte mit dem ersten Teil der Filmreihe Subspecies von Ted Nicolau glücklich werden. Im Großen und Ganzen folgen die Filme dem Vampir Radu Vladislav (Anders Hove, Critters 4 – Das große Fressen geht weiter) und der vorerst Sterblichen Michelle Morgan (Teil 1: Laura Tate, Teil 2-4: Denice Duff), die sich immer wieder als Widersacher*in gegenüberstehen. Dabei kommen für die titelgebenden Kreaturen ebenfalls wieder liebreizende Stop-Motion-Spezialeffekte zum Einsatz und auch wenn die Handlung hin und wieder in typische Vampir-Romanzen-Klischees abdriftet, punktet vor allem der erste Teil der Reihe mit dem detailreichen Produktionsdesign und authentischen Schauplätzen in Rumänien.

Anders Hove als Radu in Subspecies – Diener des Bösen @ 88 Films

Um einen abwechslungsreichen Querschnitt der verschiedenen Spielarten der Bedrohungen in Full-Moon-Filmen zu kriegen, lohnt sich als nächstes ein Blick in noch bizarrere Gefilde. So finden sich beispielsweise für Fans von Horrorgeschichten à la H.P. Lovecraft gleich zwei wundervolle Produktionen, um weiter in die Welt von Full Moon einzutauchen: Lurking Fear und Castle Freak, die auf den Geschichten „Die lauernde Furcht“ beziehungsweise „Der Außenseiter“ beruhen.

In Ersterem haben es Ghoul-ähnliche Wesen auf ein turbulent zusammengewürfeltes Figurenensemble abgesehen, das mit unter anderem Jeffrey Combs (Re-Animator) und Ashley Laurence (Hellraiser) exquisit besetzt ist. Was Lurking Fear neben zahlreichen anderen Filmen zum Weitermachen qualifiziert, ist das überaus stimmungsvolle und für Full Moon in seiner Inszenierung so typische Setting: eine Kirche direkt neben einem schaurigen Friedhof, ein heftig tobendes Unwetter, das die armen Seelen an diesem gottverlassenen Ort zusammengepfercht hat und die absonderlichen Kreaturen, die einen nach dem anderen ausmerzen und zudem auf ominöse Weise mit einem oder einer aus der Gruppe in besonderer Verbindung zu stehen scheinen. Die angenehme Erschwinglichkeit der Ausstattung versprüht einen kuriosen Charme, wenngleich die Ungeheuer in Lurking Fear in der Qualität ihrer Umsetzung vielen anderen Full-Moon-Filmen voraus sind.

Wollen nicht nur spielen: die Ungeheuer in Lurking Fear @ Wicked Vision Media

Letzterer, der seine Vorlage nur sehr lose interpretiert, wird von Regisseur Stuart Gordon trotz des niedrigen Budgets als kleiner, blutiger Schocker inszeniert, der sich noch einmal deutlich von seinen früheren Lovecraft-Adaptionen Re-Animator und From Beyond abhebt. In einem auffallend klassischen Gothic-Horror-Gewand ist Castle Freak jedoch nicht einfach nur sleazy, sondern durchaus brutal und in einem ernsten Ton inklusive einer sehr bedrückenden Atmosphäre gehalten. Wenn man sich mit den bereits vorgestellten Filmen erst mal an die Full-Moon-Ästhetik gewöhnt hat, bildet Castle Freak in dieser Hinsicht sicher ein Highlight des Portfolios.

Nach all der Monster-Action darf natürlich die schlimmste aller Bestien nicht fehlen: der Mensch. Hier lohnt es sich, zu Meister des Grauens zu greifen. Als Verfilmung der Edgar-Allan-Poe-Geschichte „Die Grube und das Pendel“ bläht Regisseur Stuart Gordon die Handlung mit einer Liebesgeschichte und reichlich Sexappeal auf, sodass die Schauwerte in Sachen Nacktheit und Gewalt reichlich nach oben geschraubt werden.
Der Cast dieses stimmungsvollen Folterfests weiß mit einem starken Dreiergespann bestehend aus Oliver Reed (Der Fluch von Siniestro), Lance Henriksen (Pumpkinhead) und Gordons Stammdarsteller Jeffrey Combs (Lurking Fear) zu gefallen. Meister des Grauens gelingt es mit perfider Bravour, die Full-Moon-Maßstäbe mit Blick auf die Gewaltdarstellungen auszuloten und obwohl man den Kulissen ihr Dasein als solche auch hier wie so oft ansieht, erzeugt gerade diese artifizielle Natur der Sets eine überaus bizarre Note, die in Kombination mit Lance Henriksens Overacting jene anderer Full-Moon-Streifen übertrifft. Wem die bisher vorgestellten Filme zwar charmant, aber nicht reißerisch genug waren, denen dürfte Meister des Grauens eine große Freude sein, vereint er doch die mittlerweile hoffentlich lieb gewonnenen Merkmale mit ausufernder Exploitation.

Lance Henriksen als eiskalter Großinquisitor Torquemada in Meister des Grauens @ Wicked Vision Media

Wo sollte ich besser nicht anfangen?

Wenn man einen Film von Full Moon schaut und minimal mit der Filmschmiede vertraut ist, sind an eine Sichtung immer auch konkrete Erwartungen geknüpft: günstige, aber charmante Spezialeffekte, ein zwischen albern und unbeschwert pendelnder Humor, schamlose Zurschaustellung von weiblichen Reizen (man denke nur an diverse Filme mit der hauseigenen Mätresse Linnea Quigley) und spaßig anzusehende aber im Grunde harmlose Gewalt. Dark Angel – Tochter des Satans ist ein Sonderfall, denn obwohl er die meisten dieser Kriterien in sich vereint, gelingt es ihm, den üblichen Zutaten eine ernsthafte und vor allem niveauvolle Würze zu verleihen, die ihn qualitativ trotz derselben Bestandteile von anderen Full-Moon-Streifen abhebt.

Es ist sicher kein Zufall, dass ausgerechnet dieser Film mit Linda Hassani eine Frau auf dem Regiestuhl zu verbuchen hat – ein Umstand, den man Dark Angel durchaus anmerkt. Die Beziehung der beiden Hauptfiguren ist gekennzeichnet von gegenseitigem Respekt und aufrichtiger Zuneigung, die viele Geschlechterklischees gekonnt umschifft. Nicht nur begegnen sie sich zu jedem Zeitpunkt auf Augenhöhe, sondern die gegenseitige Unterstützung beim Kampf gegen das Böse auf Erden sorgt für eine emotionale Bindung zu den Figuren, die man bei Full Moon sonst selten findet. Dark Angel – Tochter des Satans ist sicher eines der großen Highlights der B-Movie-Schmiede, würde wegen seiner sensiblen und feinfühligen Gangart aber falsche Erwartungen an die anderen Filme des Studios wecken, weswegen wir von ihm als Einstieg abraten würden.

Ungleiches Duo: Dämonin Veronica und Unfallarzt Dr. Max Barris in Dark Angel – Tochter des Satans @ Wicked Vision Media

Geheimtipps

Wenn ihr von Charles Band und seinen Full Moon Features nach wie vor noch nicht genug habt, würden wir euch als Abschluss zwei eher unbekannteren Werke des Studios ans Herz legen: einerseits Doctor Mordrid (1992), in dem der Zauberer Anton Mordrid seinen ebenso mächtigen Widersacher Kabal davon abhalten will, das Tor zur Hölle zu öffnen; und andererseits Shrunken Heads (1994) über drei Teenager, die nach ihrem gewaltsamen Tod von einem Voodoo-Priester als Schrumpfköpfe wiederbelebt werden und von nun an auf Rache sinnen. Insbesondere Richard Elfman, Bruders des Komponisten Danny Elfman, kreiert mit seinen Shrunken Heads eine einzigartige Horror-Wundertüte aus bizarrem Superheldenfilm, Voodoo-Grusler und Over-the-Top-Klamotte mit einer großartigen Meg Foster als genderbending Gangsterboss Big Moe.

Darris Love und Aeryk Egan als Schrumpfköpfe in Shrunken Heads (1994) @ 84 Entertainment

Und auch das Vater-Sohn-Duo um Albert und Charles Band liefert mit Doctor Mordrid alias Rexosaurus einen Superheldenfilm, der aufgrund von Lizenzproblemen nicht unter „Doctor Strange“ veröffentlicht werden durfte. Die Hauptrolle übernimmt wieder einmal niemand Geringeres als Jeffrey Combs (Castle Freak), der eine wunderbare Vorstellung als Dr. Mordrid abliefert, sein Gegenspieler Kabal wird von Brian Thompson (Mein Nachbar, der Vampir) verkörpert, der Genre-Fans vor allem als Bösewicht in diversen Filmen begegnet sein dürfte. Doctor Mordrid ist nicht nur ein großartiger Film für diejenigen unter euch, die die üblichen Full-Moon-Features bereits gesehen haben, sondern auch für alle, die sonst nicht wirklich etwas mit Superheldenfilmen anfangen können. Besonders die fantastische Stop-Motion-Dinosaurier-Szene wird lange im Gedächtnis bleiben.

Jeffrey Combs in Doctor Mordrid (1992) @ Wicked Vision Media

Wir hoffen, ihr habt jetzt einen kleinen Einblick in die Welt von Full Moon bekommen und habt Lust, hier weiter einzutauchen. Wir wünschen jedenfalls ganz viel Spaß beim Entdecken!

Seid gegrüßt, Ich habe unzählige Namen und erscheine in vielen Gestalten. Hier kennt man mich als Dark Forest und ich bin euer Gastgeber. Ich führe euch durch die verwinkelten Bauten, düsteren Wälder und verfallenen Ruinen. Immer mir nach!

...und was meinst du?