VHS94
Kritik

V/H/S/94 (2021) – Review

Mit V/H/S/94 erscheint der nunmehr vierte Teil der erfolgreichen Found-Footage-Horror-Anthologie, die mit insgesamt fünf blutigen Segmenten verschiedener Regisseur*innen den schmutzigen Retrocharme der Videokassetten-Ära heraufbeschwört.

Originaltitel: V/H/S/94
Land: USA
Laufzeit: 100 Minuten
Regie: Jennifer Reeder, Chloe Okuno, Simon Barrett, Timo Tjahjanto, Ryan Prows
Drehbuch: Jennifer Reeder, Chloe Okuno, Simon Barrett, Timo Tjahjanto, Ryan Prows
Cast: Anna Hopkins, Kyal Legend, Donny Alamsyah u.a.

Hintergründe

Die fünfteilige Anthologie V/H/S/94 entstand unter der Schirmherrschaft von David Bruckner (The Ritual) sowie Brad Miska und ist der fünfte Eintrag in das Franchise, wenn man neben dem Originalfilm V/H/S sowie den Sequels V/H/S/2, V/H/S: Viral, auch das Spin-off Siren von Gregg Bishop mit einschließt. Die Idee zu dieser Reihe stammt zudem ebenfalls von Filmproduzent Brad Miska, dessen Unternehmen Bloody Disgusting sich 2012 durch V/H/S von einer Website, die alle Horrormedien abdeckte, zu einem Filmstudio entwickelte. Nachdem 2014 V/H/S: Viral erschien und eher ein gemischtes Echo hervorrief, sollte es sieben Jahre dauern bis zum nächsten Sequel, das exklusiv über den Streamingdienst Shudder veröffentlicht wurde. V/H/S/94 folgt nun grundsätzlich der gleichen Struktur wie seine Vorgänger und besteht aus einer Sammlung von Found-Footage-Kurzfilmen verschiedener Regisseure, die durch eine Rahmenerzählung verbunden sind.

Inhalt

V/H/S/94 beginnt mit körnigen Videoaufnahmen der Rahmenhandlung „Holy Hell“, in der eine SWAT-Sondereinheit in einem heruntergekommenen Lagerhaus eine Razzia durchführen soll. Statt der Drogen finden sie jedoch ein albtraumhaftes Labyrinth aus Leichen und Videobändern vor, die auf eingestaubten Röhrenfernsehern abgespielt werden. Auf der ersten Videokassette „Storm Drain“ begibt sich die ehrgeizige Nachrichtensprecherin Holly Marciano gemeinsam mit ihrem Kameramann Jeff in die örtliche Kanalisation, um über eine rattenähnliche Gestalt zu berichten, die in der Dunkelheit ihr Unwesen treiben soll. Im Zentrum der zweiten Geschichte „The Empty Wake“ steht die junge Hailey, Angestellte eines Bestattungsunternehmens, bei dem sie trotz des stürmischen Wetters eine Totenwache abhalten soll – auch wenn der Tote im Sarg ganz andere Pläne zu haben scheint. Im dritten Teil „The Subject“ entführt der wahnhafte Wissenschaftler Dr. James Suhendra willkürlich Frauen und Männer von den Straßen Jakartas, die er für seine unaussprechlichen Experimente benutzt, um biomechanische Supermenschen zu kreieren. Abschließend folgt „Terror“ einer Gruppe religiöser Alt-Right-Milizionäre, die sich mit einer neuen geheimen Superwaffe in einem drohenden US-amerikanischen Bürgerkrieg verteidigen wollen.

Kritik

Die von Jennifer Reeder (Knives and Skin) abgedrehte Rahmenhandlung ist nicht sonderlich umfangreich und entpuppt sich durch die Unterbrechungen der anderen Kurzfilme als größte Manko des Films. Schade, denn die Prämisse in ihrer Mischung aus schmuddeligen Einsatzvideo der Spezialeinheit und Massenselbstmord à la Peoples Temple ist durchaus interessant, schwächelt aber bei ihrer chaotischen Inszenierung, klobigen Dialogen und einem Finale, das dem anfänglichen Mysterium nicht ganz gerecht wird.

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Zügig geht der Film dann zu Chloe Okunos (Watcher) Segment „Storm Drain“ über, dessen schleimiges Setting innerhalb eines schmutzigen Abwasserkanals eine klaustrophobische Atmosphäre erzeugt, da auch das Publikum nur das sehen kann, was von der Kamera notdürftig beleuchtet wird. Die Kombination aus engem Raum und dem zweiköpfigen Reporterteam erinnert unweigerlich etwas an REC, auch wenn es Holly und Jeff weniger mit Infizierten zu tun haben, sondern vielmehr mit einem monströsen Hybriden aus Ratte und Mensch. Hier bietet „Storm Drain“ ein wirklich fantastisches Creature Design und einige blutige handgemachte Effekte, die bereits darauf hindeuten, dass V/H/S/94 keine Gefangenen macht. Unterbrochen wird die abschließende 1990er-Jahre-Nachrichten-Kulisse von dem amüsanten Werbespot „The Veggie Masher“, der ebenfalls im Stile der 1990er-Werbung gedreht ist.

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Ebenso wie Chloe Okuno konzentriert sich auch Simon Barrett (Seance) in „The Empty Wake“ vielmehr auf eine gruselige Atmosphäre als auf Schockeffekte. Langsam baut Barrett das Spannungsniveau auf und orchestriert mit einer kurzweiligen, aber effektiven Geschichte ein beklemmendes Gefühl des Ausgeliefertseins. Dennoch scheint sich Barretts Segment nicht vollständig der übergreifenden Prämisse hinzugeben, wie es bei den anderen Geschichten der Fall ist. Diese beschwören eindringlich die digitale Landschaft herauf, die in den 1990er-Jahren entstand, als neue Technologie nicht nur die Kommunikation veränderten, sondern auch individuelle und kollektive Denkweisen und Meinungen.

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Vollkommen entgegengesetzt inszeniert Regisseur Timo Tjahjanto (The Night Comes for Us) seinen Beitrag „The Subject“ als ein wahres Fest an Blutfontänen und herumfliegenden Körperteilen für Gore-Hounds. Aus der Perspektive von Laborkameras und anderer Aufnahmegeräte schickt uns der Indonesier auf eine kompromisslose Tour de Force aus Cyberpunk und Survival-Horror-Videospiel in Ego-Shooter-Perspektive. Die Mischung funktioniert hervorragend, wobei die bizarren Figuren und die actiongeladene Gewalt für ein wirklich unterhaltsames Spektakel sorgen. Das titelgebende Subjekt wird selbst zur Kamera, wenn Dr. Suhendra es neu einschaltet und ihre Sicht auf den Fernseher überträgt. Tjahjanto zeigt, wie tief sich das menschliche Gehirn mit den Medien verbindet und diese nicht mehr loslässt, als ob die Köpfe selbst nur noch Bildschirme wären – in einer Welt, in der Fleisch und Metall gleichwertig nebeneinander existieren und Mensch und Maschine buchstäblich eins werden. Obwohl sich Tjahjanto auf intensive visuelle Schocks konzentriert, sind die grotesken Anblicke von den menschlichen Versuchskaninchen kreativ und erinnern nicht zuletzt an den japanischen Körperhorror der späten 1980er-Jahre.

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„Terror“ von Ryan Prows (Lowlife) ist der letzte Eintrag, bevor die Rahmenhandlung die Anthologie als Ganzes abschließen wird, und fühlt sich bezüglich seines Themas um weiße männliche religiöse Alt-Right-Aktivisten gefährlich aktuell an. Auch in den 1990ern waren rassistische Extremisten, religiöse Fundamentalisten und Verschwörungstheoriker*innen keine Seltenheit und wussten schon damals die Medien für sich zu nutzen. Prows fängt die Ästhetik der frühen 1990er-Jahre am besten ein und bringt diese auf den Punkt, um seiner Mischung aus beunruhigenden Figuren à la Ruby Ridge, deren allgemeiner Clownerie und einem bösartigen Blutbad Authentizität zu verleihen.

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Fazit

V/H/S/94 ist nicht nur eine qualitative Steigerung zu seinem Vorgänger V/H/S: Viral, sondern auch der bisher beständigste Film des Franchise. Und V/H/S/94 profitiert hier abermals eindeutig vom Found-Footage-Genre, bei dem die Technologie als passiver Beobachter immer präsent ist. Die verschiedenen Regisseur*innen positionieren ihre Kurzfilme in den 1990er-Jahren, rekonstruieren gekonnt die Körnung, den Verschleiß und die Abnutzung von Heimvideobändern aus dieser Zeit. Die Low-Budget-Verdorbenheit der Visuals passte gut in die Underground-Tape-Trading-Szene, von der der Film sicherlich inspiriert wurde. Auch wenn es sich bei VHS um ein längst totes Format handelt, ist der Film zugleich zeitgemäß, da er sich mit der menschlichen Beziehung zur Technologie befasst. An anderer Stelle erwartet das Publikum gelegentliche Einblicke in das frühere Internet und natürlich die unvermeidliche Präsenz von Grunge-Musik. V/H/S/94 hat sich die Nostalgie zu eigen gemacht, die oft durch das Blut von Horrorfans sickert und verwandelt sie in einen Fiebertraum, gemischt mit Bildern, die sich anfühlen, als wären sie aus den dunklen Winkeln von YouTube gezogen. Ein wahrlich digitaler Albtraum.

Bewertung

Grauen Rating: 3 von 5
Spannung rating4_5
Härte Rating: 3 von 5
Unterhaltung rating4_5
Anspruch  Rating: 2 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Bildquelle: V/H/S/94 © Shudder

Horrorfilme… sind für mich eine Möglichkeit, Angstsituationen zu erleben, ohne die Kontrolle zu verlieren. Es ist eine positive Art der Angst, da sich ein Glücksgefühl einstellt, sobald man die Situation durchgestanden hat. Es ist nicht real – könnte es aber sein. Das ist furtchteinflößend und gleichzeitig faszinierend.

...und was meinst du?