Folk Horror
Toplisten

13 Folk-Horror-Filme, die ihr gesehen haben solltet!

8. Hexen (1922)

Der dänische Regisseur Benjamin Christensen wagte mit Häxan eine eigenwillige Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm, die sich – für die damalige Zeit nahezu einzigartig – dem Motiv der Hexe und den ihr nachgesagten Künsten widmete. Die obskure Bilderwelt des Stummfilms führt in sieben Abschnitten nicht nur das (vermeintliche) Treiben der Zauberinnen vor, das von Leichenschändung über Unzucht mit dem Leibhaftigen und Kindesopferungen bis hin zu burlesken Hexensabbaten reicht, sondern auch die (tatsächlichen) Folgen für Leib und Leben der beschuldigten Frauen.

Obwohl Häxan Jahrzehnte vor jenen Filmen entstand, die heute als Unholy Trinity des Folk Horrors gelten, prägte er die Ästhetik und das Setting des Subgenres entscheidend mit. Heidnisches Brauchtum und uraltes Wissen werden von den Hexen bewahrt und von ihren Kund:innen gern in Anspruch genommen – doch die magischen Rituale vertragen sich nicht mit der offiziellen christlichen Doktrin, weshalb sie nur im Verborgenen abgehalten werden dürfen. Lustvoll und bisweilen mit grotesker Komik versetzt, zeigt Häxan dieses okkulte Treiben, wobei Christensen einen ganzen Katalog an schaurigen Horror-Motiven einzuflechten wusste, die er mithilfe von detailverliebten Set-Designs und allem, was die damalige Tricktechnik hergab, zu unheimlichem Leben erweckte.

Ob der der archaische Schrecken letztlich von den Hexen oder nicht vielmehr von den Folterknechten der Kirche ausgeht, lässt Häxan offen. Doch die düstere Reise durch mittelalterliche Gefilde mündet in der weiblichen Seelenlandschaft des frühen 20. Jahrhunderts und der damals oft gestellten Diagnose Hysterie. Christensen erkennt in den Hexen vergangener Tage nicht-diagnostizierte Hysterikerinnen und obwohl diese These kaum haltbar ist, deckt er – ohne es zu bemerken – doch die misogynen Parallelen zwischen der Anklage „Hexerei“ und der Diagnose „Hysterie“ auf, die beide von der Norm abweichendes weibliches Verhalten markieren. Häxan mag archaische Bilder zeigen, doch die Frage, die bleibt, ist stets aktuell: Wie aufgeklärt sind wir wirklich? [Catherin]

7. Picknick am Valentinstag (1975)

Victoria, Australien, um 1900: Die Schülerinnen des streng geführten Appleyard-Mädcheninternats machen einen Ausflug zum „Hanging Rock“ – einer uralten geologischen Formation und Sehenswürdigkeit, um die sich uralte Legenden ranken. Als vier Mädchen den Felsen besteigen, geschieht Merkwürdiges: Wie in Trance entsagen sie den disziplinarischen und züchtigen Grundsätzen ihrer Erziehung, um ins ganz und gar Geheimnisvolle einzutauchen…

Merkwürdige Geographien sind seit jeher ein wichtiges Element des Folk Horror: Sie beeinflussen, wie wir denken, erfahren und handeln. Bei Autoren wie Algernon Blackwood oder M. R. James ebenso wie in Filmen wie The Wicker Man oder Der Hexenjäger sind sie, wenn nicht selbst der Antagonist, in jedem Fall Repräsentanten einer Kraft, die die Menschen auf irrationale Weise sowohl fasziniert als auch ängstigt. Hier die einsame Insel, deren Natur zu paganen Riten einlädt, dort das pestgebeutelte England, das allgemeine Verrohung induziert. Picknick am Valentistag geht noch einen Schritt weiter und präsentiert die urzeitlichen, mittlerweile erstarrten Magmamassen der Prähistorie als Träger einer unverständlichen, doch zweifelsfrei machtvollen Aura, die bei den Internatsmädchen alle Grenzen ihres viktorianischen Kosmos sprengt.

Die Abwesenheit konkreter Rituale, vermeintlichen Aberglaubens und/oder atavistisch motivierter Akteur:innen macht Picknick am Valentinstag schwer kategorisierbar. Anstatt Opfer paganer oder anders gearteter Bedrohungen zu werden, bewegen sich die Hauptfiguren zusammen mit den Zuschauenden in einem kryptischen Nebel unklarer Assoziationen – ohne jemals zu erfahren, was wirklich passiert.

Und doch ist es genau dieses Ende greif- und beschreibbarer Erfahrung, das den Film mit anderen Subgenrevertretern verbindet. Die klammernde Gothic-Kulisse des Internats mit ihrer Prüderie, unterdrückten Affekten und Hysterievorstellungen – alles viktorianische Versuche den weiblichen Geist zu greifen und zu zücht(ig)en – weicht im Angesichte des rauen Hanging Rock. Das dem Folk Horror so typische große Lösungsritual erleben Figuren und Publikum hier gemeinsam in der Zerschlagung aller Klarheiten. Picknick am Valentinstag vollzieht den Übergangsritus der sich in rastlosem Wissen-wollen windenden Moderne zum völligen Indeterminismus und verbleibt dabei selbst auf der Schwelle. Ganz ohne Heiden- oder Hexentum markiert er so den wohl wichtigsten Grundbaustein des Folk Horror mit labyrinthischem Nachdruck. [Alexander]

6. Midsommar (2019)

Eine Gruppe von Freund:innen reist nach Schweden, um die spektakuläre Mittsommerfeier im Heimatdorf eines befreundeten Austauschstudenten mitzuerleben und den lokalen heidnischen Kult näher zu studieren. Das paradiesische Idyll und seine herzlichen Bewohner:innen faszinieren die Neuankömmlinge zunächst, doch schon bald häufen sich die merkwürdigen Vorkommnisse. Als die Bräuche zunehmend bizarr und gewaltsam werden, wollen die Gäste abreisen, aber das große Ritual hat bereits begonnen – und sie sind ein Teil davon.

In Midsommar taucht Regisseur Ari Aster (Hereditary) tief in den rituellen Kosmos einer abgeschiedenen heidnischen Dorfgemeinschaft ein, deren radikale Praktiken weit von der zivilisatorischen Norm entfernt liegen und gerade aufgrund ihrer unheilvoll ruhigen Inszenierung nachhaltig verstörend wirken. In schrecklich-schönen und bildgewaltigen Sequenzen verfolgt der Film Protagonistin Dani dabei, wie sie Schritt für Schritt in diesem fremdartigen Kollektiv aufgeht, nachdem sie zuvor einen existentiellen Verlust erlitten hatte. Der Kult steht hier als Metapher für die Familie, geeint im Schönen wie im Schrecken, die im Stande ist, den Einzelnen in seinem Schmerz aufzufangen und ihm Halt zu bieten.

Das leistet die heidnische Gemeinschaft in Midsommar allerdings auf eine ganz spezielle Weise, die auch das Interesse der Anthropologie-Studenten Christian und Josh weckt. Ihre wissenschaftliche Neutralität weicht jedoch bald einer profunden Faszination, die über jede Furcht und jeden Argwohn siegt und die Männer zunehmend in das rituelle Geschehen hineinzieht. Dass Aster sich im Vorfeld mit zahlreichen rituellen Traditionen beschäftigte, spricht dabei aus jeder einzelnen Szene – die üblichen Okkult-Schocker und ihr Jump-Scare-Horror spielen in einer gänzlich anderen Liga. Midsommar ist ein tagheller Alptraum – ein surrealer Reigen, der sein Publikum bis ins Mark erschüttert. [Catherin]

5. Der Fluch des Dämonen (1957)

Der Psychologe und fest in der Tradition der Aufklärung verwurzelte Experte für Aberglauben John Holden (Dana Andrews) reist zu einer Konferenz nach London. Doch der Aufenthalt in der britischen Metropole steht von Beginn an unter einem dunklen Stern. Schon kurz nach seiner Ankunft muss Holden vom mysteriösen Tod seines geschätzten Kollegen Dr. Harrington erfahren. Gemeinsam mit dessen Nichte Jonana (Peggy Cummins) versucht Holden, Licht in das Dunkel zu bringen. Bei ihren Ermittlungen begegnen die Beiden immer wieder dem exzentrischen Okkultisten Julian Karswell (Niall McGinnis), in dessen Netzen sie sich bald zu verfangen drohen.

Jaques Tourneaus (I walked with a Zombie) Night of the Demon ist über die Jahre zurecht zu einem Klassiker des okkulten Folk Horrors avanciert. Elemente einer klassischen Detektivgeschichte werden um übernatürliche Bestandteile ergänzt. Diese werden jedoch nicht bloß im bäuerlichen Aberglauben der ländlichen Peripherie verortet, sondern wirken direkt im Zentrum der englischen Zivilisation. Der Magier Karswell kommt zwar eher wie ein dekadenter Crowleyanhänger daher. Doch der zentrale magische Akt findet in Form eines traditionellen Runenfluches statt. Darüber hinaus werden durch kurze Einstellungen auf einen Steinkreis immer wieder Anbindungen an die britische Frühgeschichte eingebracht. Die im Film eher am Rande gezeigte bäuerliche Gemeinschaft kennt und fürchtet diese Tradition, derer sich Karswell in seinem Eifer bedient, wird aber eher zu ihrem eigenen Schrecken benutzt. Diese kanonisch gewordenen Elemente werden darüber hinaus auf sehenswerte Weise präsentiert und umgesetzt. Insbesondere die aufwendigen Effekte beim Erscheinen des Dämons sind beeindruckend, auch wenn sie eher nuancierte Ausbrüche, in einem sonst eher von Spannung und Atmosphäre getragenen Film, sind.

Mit Night of the Demon bescherte uns Jaques Tourneau einen Horrorfilm der zwischen Okkult- und Folk Horrors changiert. Ein die Zeitalter überdauerndes Böses, eingeschleppt in die moderne Welt die nun erzittert vor dieser Urgewalt. Ein Gespür für Spannung und für die Entstehungszeit eindrückliche Effekte, kulminieren in einem Genreklassiker, der für jeden Folk-Horror-Fan ein Muss ist. [Philipp]

4. The Witch (2015)

Neuenglang zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Eine puritanische Familie wird aufgrund der exorbitanten Gottesfürchtigkeit des Mannes aus ihrer Siedlung verstoßen und versucht von nun an, sich abgeschottet am Rand eines düsteren Waldes ein autarkes Leben aufzubauen. Bald schon besteht der Alltag ausschließlich aus Arbeit und Gebet, was zu ernsthaften Spannungen führt. Als der Säugling Samuel eines Tages plötzlich verschwindet, stürzt das die Familie in einen Strudel aus Wahn und Paranoia, dessen Dreh- und Angelpunkt die vermeintliche Existenz einer Hexe im angrenzenden Wald zu sein scheint…

The Witch ist der perfekte filmgewordene Albtraum der Menschen Neuenglands im 17. Jahrhundert. Er vereint all jene Ängste in sich, die ein strenger Glaube in Gott und die Furcht vor Hexerei in den Menschen hervorgerufen hat und kulminiert sie zu einer Geschichte, die die Menschen der damaligen Zeit vor Angst hätte erstarren lassen. Das Erwachen der Sexualität, die in der Wildnis am Waldesrand strenger Repression unterliegt, die unvermeidbare göttliche Bestrafung sündenhaften Handels und die ständige Furcht vor höllischen Verführungen Satans sind die Grundzutaten dieser „New England Folktale“, die für die Familie in The Witch zur Hölle auf Erden wird. Grauenerregende Folklore und zeitgemäße Hexenhysterie verschmelzen zu einem einmaligen Filmerlebnis, in dem die Familie durch ihren festen (Aber-)Glauben selbst zur heidnischen Community wird, in deren in sich geschlossenes Glaubenssystem wird als Zuschauende als eigentliche Eindringlinge hineintaumeln.

The Witch ist eine Kapsel in die Vergangenheit, die uns den ganz realen Horror des frühen 17. Jahrhunderts heute noch wie kaum ein anderer Film spüren lässt und dabei so authentisch, so greifbar ist, dass es einem selbst 400 Jahre später noch das Blut in den Adern gefrieren lässt. Denn wenn wir in die Welt von The Witch eintauchen, treffen wir selbst in der abgelegensten Gegend auf ein dermaßen verzerrtes Glaubenssystem, dass es unsere Weltansicht in den Grundfesten erschüttern dürfte. [Robert]

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Seid gegrüßt, Ich habe unzählige Namen und erscheine in vielen Gestalten. Hier kennt man mich als Dark Forest und ich bin euer Gastgeber. Ich führe euch durch die verwinkelten Bauten, düsteren Wälder und verfallenen Ruinen. Immer mir nach!

...und was meinst du?