Kritik

The Dunwich Horror (1970) – Review

Aus dem Studio von Tausendsassa Roger Corman stammt eine Lovecraft-Adaption, die den misanthropen Schrecken seiner pessimistischen Erzählungen in die attraktive Gegenkultur der sexuell aufgeladenen 60erjahre transportiert. Kann das gutgehen? Wir sind für euch nach Dunwich gereist.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Vorlage:
Cast:

The Dunwich Horror
USA
90 Minuten
Daniel Haller
Curtis Hanson, Henry Rosenbaum, Ronald Silkosky
Kurzgeschichte „Das Grauen von Dunwich“ von H.P. Lovecraft
Dean Stockwell, Sandra Dee u.a.

Inhalt

Massachusetts Ende der 1960erjahre: Der hippieske, nicht unattraktive Okkultist Wilbur Whateley (Dean Stockwell, Der Wüstenplanet) reist aus seinem Heimatort Dunwich in die nahe Universitätsstadt Arkham, um aus der dortigen Bibliothek das geheimnisumwitterte Grimoire »Necronomicon« zu entleihen. Dessen Hüter, der esoterikbewanderte Professor Armitage (Ed Begley), verweigert dem jungen Sonderling die Ausleihe, stattdessen gelingt es Wilbur jedoch, dessen Studentin Nancy (Sandra Dee) mit nach Dunwich zu nehmen. Als Folge einer scheinbaren Autopanne und eines von Wilbur verabreichten Sedativums übernachtet sie im unheimlichen Spukhaus der Whateleys, das auch von Wilburs kauzigem Großvater, der ein dunkles Geheimnis zu hüten scheint, bewohnt wird.

Wilbur fasziniert die naive Nancy, die sich von ihm sexuell angezogen fühlt und einige Tage in Dunwich bleibt. Sie lernt von ihm über die prähistorische Vergangenheit der als Kultstätte genutzten, umliegenden Hügel und über die orgiastischen Rituale ihrer einstigen Bewohner. Doch die okkulte Präsenz in Dunwich gehört mitnichten der Vergangenheit an: Ein unerhörtes Geheimnis umgibt die Familie Whateley, denn Enkel und Großvater sind nicht die einzigen Bewohner des alten Hauses. Das Unheil wird entfesselt, als Wilbur schließlich doch in den Besitz des Necronomicons gelangt – alles, was er für seinen mysteriösen Plan noch braucht, ist eine menschliche Opfergabe…

Kritik

Ursprünglich hatte American International Pictures´Multitalent Roger Corman (Satanas – Schloß der Blutigen Bestie, Das Grauen aus der Tiefe) die italienische Regielegende Mario Bava (Die toten Augen des Dr. Dracula) für die Verfilmung von H.P. Lovecrafts „Das Grauen von Dunwich“ (1929) auserkoren. Chaotisch, wie es bei Corman für gewöhnlich zuging, kam natürlich alles anders und am Ende landete Daniel Haller, der mit Das Grauen auf Schloß Witley bereits eine Lovecraft-Adaption unter Corman abgedreht hatte, auf dem Regiestuhl. Schade, könnte man meinen, hätte man Bavas Inszenierung des kosmischen Schreckens, die zweifelsohne grell und farbintensiv ausgefallen wäre, doch gerne begutachtet – aber weit gefehlt! Unterstützt von Les Baxters (Das Pendel des Todes) imposant-mitreißendem, aber auch geheimnisvollen Orchestersound holt Haller, der als Ausstatter bei Corman angefangen hatte, vor allem in Sachen Schauerkulisse alles aus seinem Budget heraus. Die surrealen Hügelruinen, das merkwürdige Herrenhaus der Whateleys und die verstörende Jagd auf das unbekannte, zunächst unsichtbare Wesen wirken unter der Sonne Kaliforniens – wenn der Film auch in Massachusetts spielen soll – wie aus einem Guss. Man glaubt die okkult getränkte Atmosphäre im Umfeld der Whateleys förmlich greifen zu können.

Mit der literarischen Vorlage hat der Film freilich nur noch den Grundplot gemein. Dean Stockwell als schlanker Schlaghosenträger mit Hippie-Charme gleicht dem ungeschlachten, als ziegenhaft beschriebenen Wilbur Lovecrafts kaum, Nancy – sowohl sein Love Interest als auch auserkorenes Opfer – existiert in der Geschichte nicht. Haller und seine Drehbuchautoren modernisieren „Das Grauen von Dunwich“ radikal und betten es in den esoterischen Kontext der Gegenkultur ihrer Zeit ein. Merkwürdige Kristallobjekte, entwaffnende sexuelle Offenheit und allerlei rituelle Mantren und Gesten sind nur einige Elemente davon. Endgültig ins Psychedelische rutscht The Dunwich Horror in Nancys Träumen von prähistorischen Orgien, die früher auf den Hügeln abgehalten wurden und in ihrer verschwommen-bunten Optik teils paradiesisch, teils schrecklich anmuten. Noch greller kommt die Inszenierung des namensgebenden Dunwich Horrors – des Übels, welches das Familienanwesen bewohnt – daher, das die Menschen als stroboskopartiges Farbfiasko heimsucht. Da der Schrecken in seiner ganzen Pracht, lediglich für einen Augenblick am Ende des Films enthüllt, leider nur mäßig überzeugt, ist dies ein cleverer Kniff: Das flimmernde Gewimmel der Szenen, in dem man mit Mühe einige Tentakel zu erkennen glaubt, bildet die Unfassbarkeit des Wahnsinns, der sich den Opfern auftut, auf kreative Weise hervorragend ab.

Dean Stockwell, obwohl erst zweite Wahl nach Peter Fonda (Easy Rider), verkörpert die Filmversion Wilburs mit zugleich gewinnendem Charisma und abstoßender Merkwürdigkeit – wohl ein Glückstreffer für Haller und American International, kann man doch davon ausgehen, dass mit seinem Auftreten der Film steht und fällt. Und so erzählt, schlendert und ritualisiert sich der schnurrbärtige Lockenkopf in einer lässig-jugendlichen Unschuld dem grausamen Ende entgegen, das dem Zuschauer – ganz im Sinne einer Corman-Produktion – einen famosen Genremoment in Form nackter Haut auf steinernem Altar beschert. Abgerundet wird dieser teils leichtfüßig, jedoch keinesfalls frei von unheilvoller Vorahnung verlaufende Trip durch ein wunderschönes, vom Score perfekt untermaltes Zeichentrickintro, das den Zuschauer sofort in seinen Bann zieht und in unbekümmert-spielerischer Optik die überaus verstörende Ausgangslage des teuflischen Plots präsentiert.

Fazit

Altmeister Lovecraft hätte sicher so einiges an dieser kalifornischen 60er-Variante seiner Erzählung, die im Original jegliche Erotik vermissen lässt, auszusetzen gehabt. Haller gelingt es jedoch virtuos, aus der vierzig Jahre älteren Grundlage seinen ganz eigenen amerikanischen Albtraum zu kreieren, der einen unheilsschwangeren Ritualismus hinter dem alternativen Lebensgefühl seiner Zeit inszeniert. The Dunwich Horror ist ein psychedelisches Kaleidoskop esoterischer Kuriositäten, das dennoch zu keinem Zeitpunkt beliebig oder zusammengewürfelt, sondern auch heute noch erschreckend wirkt.

Bewertung

Grauen Rating: 4 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 2 von 5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Bildquelle: The Dunwich Horror © Wicked-Vision Media

Horrorfilme… sind die audiovisuelle Adaption des gesellschaftlich Abgestoßenen, Verdrängten und/oder Unerwünschten, das in der einen oder anderen Gestalt immer wieder einen Weg zurückfindet.

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