Kritik

Hunter’s Creek – Gefährliche Beute (2018) – Review

Nicht alles entpuppt sich als das, wonach es zunächst aussieht. Jen McGowans Hunter’s Creek beginnt wie ein x-beliebiger Backwood-Horror-Film, doch hinter diesem ersten Eindruck verbirgt sich weitaus mehr.

Originaltitel: Rust Creek
Land: USA
Laufzeit: 108 Minuten
Regie: Jen McGowan
Drehbuch: Julie Lipson, Stu Pollard
Cast: Hermione Corfield, Daniel R. Hill, Jay Paulson u.a.
VÖ: Ab 26.08.2021 im Handel

Inhalt

Die erfolgreiche Studentin Sawyer (Hermione Corfield, Stolz und Vorurteil & Zombies) wollte eigentlich nur zu einem Bewerbungsgespräch nach Washington fahren. Doch mitten im amerikanischen Hinterland gibt das Navi den Geist auf. Als sie auf einer verlassenen Straße anhält, um sich analog zu orientieren, begegnet sie zwei Brüdern, die sich als Buck (Daniel R. Hill, Wrong Turn – The Foundation) und Hollister (Micah Hauptman) vorstellen. Sawyers anfängliches Misstrauen stellt sich schnell als begründet heraus. Die Situation eskaliert und die junge Frau flieht in die nahen Wälder. Doch wird sie ohne Verpflegung und Unterschlupf die kalten Novembernächte durchstehen?

Kritik

Wer nur die erste halbe Stunde von Jen McGowans Hunter’s Creek schaut, mag dem Eindruck erliegen, dass es sich um einen weiteren generischen Backwood-Horror-Streifen handelt. Doch dieser Eindruck trügt. Im genretypischen Setting dichter, von der Zivilisation nahezu unberührter Wälder geht McGowan vielschichtiger vor. Statt den nächsten Wrong-Turn-Klon zu drehen, entwickelt sie eine Mischung aus Thriller und Drama, in dem die Backwoods eher als Kulisse dienen.

Gehetzt von den Hillbillybrüdern bricht Sawyer entkräftet im Wald zusammen. Hier wird sie aufgelesen von Lowell (Jay Paulson), einem Cousin der beiden, der sie in seine abgelegene Methküche bringt und aufzupäppeln versucht. In dieser Konstellation bewegt sich der Großteil des Films. Der Zuschauer begleitet das ungleiche Paar aus misstrauischer Studentin und kleinkriminellem Einsiedler, das sich zunächst eher gegenseitig belauert, doch schnell begreift, dass die Situation Geduld erfordert. Die beiden lernen einander kennen und nähern sich nach und nach an. Sawyer unterstützt Lowell beim Meth kochen und kommt nicht umhin zu bewundern, wie souverän er, trotz mangelnder Vorbildung, die komplizierten chemischen Prozeduren beherrscht. Lowell versteckt Sawyer im Gegenzug immer wieder vor seinen Cousins. Doch das eigentümliche Idyll kann nicht ewig andauern und so spitzt sich die Situation zur finalen Auseinandersetzung zu.

Hunter's Creek

Obgleich des vergleichsweise übersichtlichen Settings und der linearen Narration gibt es immer wieder überraschende Wendungen, sodass trotz der eher langsamen Erzählweise keine wirklichen Durststrecken vorkommen. Zwar kauert man nicht die ganze Laufzeit über fingernagelkauend auf der Sofakante, aber das Spiel mit Spannung und Erleichterung wird wohldosiert eingesetzt. Die herbstlichen Wälder Nordamerikas sind für diesen Film ein hervorragendes Setting. Das vertrocknete Laub und der graue Himmel unterstreichen die Gesamtstimmung, mit der hier erzählt wird. So wundert es nicht, dass die Kamera häufig mit eher statischen Totalen und Panoramen arbeitet, alles andere wäre auch Verschwendung. Gerade in den Verfolgungsszenen im Wald wird auch das akustische Ambiente – raschelndes Laub, das Brechen eines Zweigs, Wind in den Ästen oder das Rauschen eines Bachs – wirkungsvoll ins Gesamtbild eingefügt.

Hunter's Creek

Die wahre Stärke von Hunter’s Creek liegt jedoch im Skript von Julie Lipson und Stu Pollard, die es schaffen interessante Charaktere und bewegende Dialoge zu schreiben. Sawyer wird von Anfang an als wehrhaft und selbstbewusst gezeichnet. Sie muss nicht erst in die Krise gestürzt werden, um ihr Potenzial zu entfesseln, sondern ist sich ihrer Fähigkeiten und Stärke durchaus bewusst. Lowell hingegen erscheint deutlich getriebener. Zu Beginn wirkt er von der Einsamkeit der Wälder und der eintönigen Ziellosigkeit seines Alltags verbittert, doch durch die Begegnung mit Sawyer taut er immer mehr auf und erkennt, dass er sein Leben in die eigene Hand nehmen muss. In der Sprache, die er am sichersten beherrscht, bringt er das in Form einer ausgesprochen treffenden Analogie zum Ausdruck: „Wenn wir Leute treffen, ist das eine chemische Reaktion. Sie verändern uns und wir verändern sie“. Eine Kettenreaktion, die sich bis in die Unendlichkeit fortsetzt. Und so tritt trotz ihrer Stärke auch Sawyer nicht unverändert aus den Wäldern wieder hervor. Sie erscheint weicher und geduldiger, ohne dabei schicksalsergeben zu werden. Denn wenn die Zeit kommt, ist sie bereit, ihr Geschick in die Hand zu nehmen.

Fazit

Wer bei Hunter’s Creek auf beinharten Backwood-Horror hofft, dürfte enttäuscht aus diesem Film herausgehen. Statt auf Inszest, Hinterwäldler und Gemetzel zu setzen, schlägt Jen McGowan ruhige und nachdenkliche Töne an. Trotz des langsamen Tempos und der Dialoglastigkeit des Films, fällt jedoch auch die Spannung nicht unter den Tisch.

 

Bewertung

Grauen Rating: 2 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 2 von 5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 3 von 5

Ab 26.08.2021 im Handel:

Hunter's Creek Hunter's Creek

Bildquelle: Hunter’s Creek  Gefährliche Beute © Koch Films

Horrorfilme… sind für mich das Erkennen, Überschreiten und Herausfordern von gesellschaftlichen Grenzen durch abgründige Ästhetik und damit Kunst in ihrer reinsten Form. Vor allen Dingen machen sie aber einfach unfassbar Spaß.

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