H.P. Lovecrafts Necronomicon (1993) – Review
Mit Necronomicon legt Schmuddelikone Brian Yuzna eine weitere schleimig-groteske Lovecraft-Adaption vor. Die Anthologie drehte er ohne Stammregisseur Stuart Gordon, verzichtete jedoch keineswegs auf Genrestar Jeffrey Combs. Wir haben für euch einen riskanten Blick ins verfluchte Necronomicon gewagt!
Originaltitel: |
Necronomicon Frankreich/Japan/USA 96 Minuten Brian Yuzna, Christophe Gans, Shûsuke Kaneko Brent V. Friedman u.a. Jeffrey Combs, David Warner u.a. |
Inhalt
Der neurotische Schriftsteller H. P. Lovecraft (Jeffrey Combs, Re-Animator) sucht in dem geheimnisumwitterten Grimoire „Necronomicon“ nach Inspiration für seine Geschichten. Da dieses von einem Bund mysteriöser Mönche unter Verschluss gehalten wird, schleicht er sich unter einem Vorwand in deren Bibliothek und schließt sich ein, um das unheilige Werk zu studieren. Im Folgenden erlebt Lovecraft drei Episoden aus der fluchbeladenen Geschichte des merkwürdigen Buches.
Im Segment „The Drowned“ wird der letzte Spross eines alten Adelsgeschlechtes, Edward De LaPoer (Bruce Payne, Dungeons & Dragons), mit einem düsteren Geheimnis konfrontiert, als er sein Erbe auf dem Familienanwesen an der Küste Neuenglands antritt. Denn sein verstorbener Onkel Jethro paktierte nicht nur mit obskuren Fischmenschen, sondern praktizierte mit Hilfe des Necronomicons Nekromantie. Im zweiten Teil, „The Cold“, wird ein etwas zu neugieriger Bostoner Reporter in die unorthodoxen Machenschaften eines ruchlosen Arztes, Dr. Madden (David Warner, Das Omen), verstrickt, als er eine junge Frau bezüglich einer verstörenden Mordserie in ihrer Nachbarschaft bedrängt. Zentrum der dritten Geschichte schließlich sind die Taten eines vermeintlichen Serienkillers, der in Philadelphia sein Unwesen treibt. Doch der „Butcher“ ist weder eine Einzelperson noch menschlich, und die schwangere Polizistin Sarah gerät auf ihrer Jagd an monströse Gestalten, die nicht nur ihr eigenes Leben bedrohen.
Doch nicht nur in den einzelnen Episoden treiben die kosmischen Kräfte des Necronomicons ihren teuflischen Spaß mit den Menschen, denn auch Lovecraft selbst entfesselt beim Lesen Ungeheuerliches…
Hintergrund & Kritik
Die dreiteilige Anthologie Necronomicon entstand unter der Kuration von Schmocklegende Brian Yuzna, der sich in den 1980er Jahren vor allem durch seine Produzententätigkeit an der Seite Stuart Gordons hervortat. Die Zusammenarbeit brachte legendäre Tentakelorgien wie die Re-Animator-Reihe und From Beyond – Aliens des Grauens hervor, die bereits auf den Werken des Horrorautors H.P. Lovecraft basierten. Mit Necronomicon wagt sich Yuzna nun ohne Gordon an eine verschachtelte Adaption verschiedener Lovecraft-Geschichten. Mit japanischen Produktionsgeldern an Bord und dem Wunsch, drei Regisseure von drei verschiedenen Kontinenten unterzubringen, tat er sich mit Christophe Gans (Silent Hill) und Shûsuke Kaneko (Death Note von 2006) zusammen.
Die von Yuzna abgedrehte Rahmenhandlung ist nicht sonderlich umfangreich – schade, kommt Jeffrey Combs als Altmeister Lovecraft doch überaus reizvoll daher – aber durchaus nett. Schnell geht der Film dann zu Gans‘ Segment über, das mit gruseliger Xylophonmusik, grellgrünen Neonaugen und schlabbernden Polypengesichtern daherkommt. Auf einen angenehm altmodischen Gothic-Horror-Grundplot in wunderbar kulissenhaftem Setting folgt die spektakuläre Auseinandersetzung mit einer schmockigen Tentakelbestie, die Fans praktischer Effekte zu begeistern vermag und überraschend versiert inszeniert wurde. Neben Payne, der seine Sache als schwermütiger Träger einer fluchbeladenen Aristokratenbürde überaus gut macht, erfreut vor allem der kurze Gastauftritt Richard Lynchs (Die Barbaren).
Wie „The Drowned“ maßgeblich von Rückblenden getragen wurde, besteht auch „The Cold“ zum Großteil aus einer Binnenerzählung. Genrefans wird hier vor allem David Warner als ruchloser Mediziner gefallen, der seine Rolle wie immer mit autoritär-undurchsichtigem Charme spielt. Seine Figur Dr. Madden ist es auch, an der sich Regisseur Shushuke Kaneko in Sachen Spezialeffekte austobt. Der sleazige Gore, in detailverliebter Großaufnahme präsentiert, wirkt etwas aus der Zeit gefallen, begeistert aber dennoch. Die Geschichte drumherum kommt trotz verschiedener Zeitebenen und einem elementaren Twist leider etwas vorhersehbar, oberflächlich und einfach uninteressant daher. Obwohl auch hier das Thema Körperlichkeit im Zentrum steht, bleibt „The Cold“ recht blutleer. Der Versuch, den Monsterspektakeln des ersten und dritten Segmentes hier ein ruhigeres Interludium hinzuzufügen, bleibt durchwachsen.
Der dritte Part, „Whispers“, ist schließlich Yuznas eigener filmischer Beitrag zu Necronomicon – neben der Rahmenhandlung. Beginnend als herkömmlicher Cop-Thriller steigert sich der Part zügig in ein Fiasko puren Wahnsinns. Das grandios besetzte Ehepaar Benedict (Judith Drake, Haus der 1000 Leichen; Don Calfa, The Return of the Living Dead), dem Sarah in den Kanälen unter einem abgewrackten Lagerhaus begegnet, ist an karikatureskem Irrsinn kaum zu überbieten und treibt mit der armen Polizistin bis zum Ende ein konfuses Spiel. Dieser Alptraum, der Sarah auf der Suche nach ihrem verschwundenen Partner durch tropfende Katakomben bis in mesoamerikanisch anmutende Kavernen und höllische Abgründe führt, steigert sich beständig. Was folgt, ist ein surrealer Trip voller Gore, Body Horror und entfesselter Ängste, der auch vor einem unappetitlichem Umgang mit dem ungeborenen Kind seiner Protagonistin nicht halt macht. Realität und Traum verschwimmen im Angesichte außerirdischer Monster, deren Natur die Polizistin weder zu bekämpfen noch zu begreifen vermag.
„Whispers“ dreht den Schmuddelhahn nach dem durchwachsenen zweiten Teil wieder voll auf und interpretiert die Unfassbarkeiten von Lovecrafts Konzept des kosmischen Grauens in hypnotischer Perversität. Manche Spezialeffekte überzeugen absolut, andere wirken ein wenig billig. Waren sie ja auch. Zum Abschluss dürfen wir Lovecraft dann noch einmal dabei zusehen, wie ihm seine gefährliche Recherche zum erwarteten Verhängnis wird. Wie in früheren Produktionen Yuznas vermischen sich hier herumspritzende Unannehmlichkeiten mit viel freiwilligem sowie ein klein wenig unfreiwilligem Humor und einem wahnwitzig aufspielenden Combs.
Fazit
Necronomicon punktet mit einer starken ersten und dritten Episode, deren beachtlicher Schauwert vom Mittelteil leider etwas heruntergezogen wird. An die gemeinsamen Arbeiten Yuznas und Gordons kommt er nicht heran, jedoch vermag er es erfolgreich, deren Geist zu beschwören und Fans zu erfreuen. Ob man diese aufgedrehten, rasenden Interpretationen der Geschichten Lovecrafts schätzt oder unaufgeregte Inszenierungen wie The Call of Cthulhu oder den großartigen, ein Jahr jüngeren Dark Waters vorzieht, muss jeder selbst entscheiden. Eines liefert Necronomicon in jedem Falle, und bleibt damit der Tradition Yuznas treu: Phantastische praktische Spezialeffekte, denen man die Liebe, mit der sie fabriziert wurden, absolut ansieht. Und die einen Schlag in die Magengrube jedes gutbürgerlichen Elternhauses darstellen.
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Bildquelle: H.P. Lovecraft´s Necronomicon © Wicked Vision Media