Golem – Wiedergeburt (2018) – Review
Folk Horror boomt seit einigen Jahren und ist auch außerhalb der britischen Inseln, von denen er ursprünglich stammt, ein durchaus populäres Genre geworden. So wundert es nicht, dass neben klassischen europäischen Stoffen immer wieder auch die Traditionen anderer Kulturen thematisiert werden, wie bei Golem – Wiedergeburt. Ob der Film sich einen Platz neben den Genregrößen erkämpfen kann? Wir ziehen ins pestgebeutelte, frühneuzeitliche Osteuropa und werfen einen verstohlenen Blick in die Mysterien der Kabbala.
Originaltitel: |
The Golem Israel 95 Min Doron Paz, Yoav Paz Ariel Cohen Hani Furstenberg, Ishai Golan, Kirill Cernyakov Ab 22.08.2019 als VoD erhältlich |
Inhalt
17. Jahrhundert, Osteuropa: Eine kleine, isoliert lebende jüdische Gemeinde,geht ihrem beschaulichen Alltag mit gottgefälliger Frömmigkeit nach. Von der Außenwelt unberührt, verbringt man seine Tage mit Feldarbeit und Thorastudien. Der Film folgt der jungen Frau Hanna (Hani Furstenberg): Ob ihres Geschlechts von den Geheimlehren der Kabbala ausgeschlossen, ist sie dennoch nahezu besessen von den Mysterien um den Baum der Sephiroth und hofft auf Antworten, warum ihr Gott sieben Jahre zuvor ihren Sohn Josef genommen hat. Ein traumatisches Ereignis, dass sie und ihren Mann Benjamin (Ishai Golan) noch immer in Bann hält. Doch die Ruhe des Dorfes findet ein jähes Ende, als Hanna mit ihrer Schwester beim Baden im nahen Fluss einer Gruppe Gojim, Nichtjuden, aus dem benachbarten Dorf begegnet, das schwer von der Pest verheert wird. Mit der jüdischen Gemeinde, die aufgrund ihrer Isolation von der Seuche unberührt blieb, ist auch schnell der Sündenbock ausgemacht. Anführer Vladimir (Aleksey Tritenko) stellt ein Ultimatum und droht damit, das jüdische Dorf dem Erdboden gleich zu machen. Doch Hanna will sich wehren und greift auf alte und dunkle Kräfte zurück, die besser in ihren verstaubten Büchern gebannt geblieben wären…
Kritik
Das Motiv des Golems, eines aus Lehm geformten und mit Hilfe des geheimen Namen Gottes erweckten, künstlichen Menschen ist durchaus nicht unbekannt, und gerade in der phantastischen Literatur wie auch in Fantasy-Rollenspielen populär. Bekannt wurde der Golem nicht zuletzt durch die Aufarbeitung des Stoffes im gleichnamigen Stummfilmzyklus von Paul Wegener.
Golem ist sowohl ein klassischer Folk-Horror-Streifen als auch ein Creature-Feature: eine isolierte bäuerliche Gemeinde, alte geheime Riten und gefährliches Geheimwissens, das Schrecken ans Tageslicht reißt, die man besser ruhen gelassen hätte. Doch ist das Gros des Folk-Horror-Genres kulturell irgendwo im zentraleuropäischen Raum angesiedelt, nimmt Golem den Zuschauer mit in die eher unberührte, aber darum nicht minder spannende Sphäre der jüdischen Folklore. Das Regie-Duo Doron und Yoav Paz schafft es sehr effektiv die verschiedenen Facetten der jüdischen Kultur authentisch darzustellen. Selbst wenn man kein Experte auf dem Gebiet jüdischer Theologie ist, sind die immer wieder eingestreuten philosophischen Abhandlungen, etwa über die Musik als Dienst an Gott oder die Natur von Leben und Tod, verständlich. Gleichzeitig gelingt es Golem, das Vertraute mit dem Geheimnisvollen zu verweben. Auch die allseits bekannte rituelle Erweckung des Golems bleibt so mit einer exotischen Rätselhaftigkeit und Fremdheit umhüllt.
Der Golem ist in diesem Spiel zunächst ein Symbol für die Gefährlichkeit des Geheimwissens. Denn es wird schnell klar, dass der Lehmmann nicht nur für die Fremden, die das Dorf bedrohen, sondern auch für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde selbst eine Gefahr darstellt. Hanna verliert immer mehr die Kontrolle über ihre Schöpfung. Dies ist Story-technisch interessant umgesetzt, da der Golem in Kindergestalt erscheint. Hanna beginnt in dem Monster einen Ersatz für ihren toten Sohn zu sehen und weigert sich, die Gefährlichkeit des kindsgesichtigen Lehmdämons anzuerkennen. Schauspielerisch wird das solide transportiert, doch obwohl die Figuren durch die psychologische Ebene eine gewisse Tiefe gewinnen, sind die Charaktere letztlich recht einfach gezeichnet, und der Film bleibt eher an der Oberfläche. Und genau hier liegt das Problem: Golem mäandert sich durch die Handlung und plätschert ohne erkennbare Höhepunkte am Zuschauer vorbei. Man folgt der Handlung, und die ästhetisch inszenierten Motive wecken durchaus das Interesse, allerdings schafft der Film es nicht, dieses Potential ernsthaft zu vertiefen und auszubauen.
Ein weiteres Problem ist die technische Umsetzung. Insbesondere die Splattereffekte sehen extrem unnatürlich aus und schreien geradezu CGI, was den Trashfaktor unnötig weit in die Höhe treibt. Hier verliert sich ein wenig die Ernsthaftigkeit des Films. Mehr Subtilität und Atmosphäre hätten Golem hier sicher gut getan. Leider schränken diese Punkte den Sehgenuss sehr ein, obwohl das Spiel mit dem Golem-Motiv und die Verarbeitung einer Jahrhunderte andauernden Geschichte von Verfolgung, Diskriminierung und Ignoranz durchaus ihr Potential hätten entfalten können, wenn mehr Wert auf Stimmung anstatt auf billige Blutorgien gelegt worden wäre.
Fazit
Golem bietet unaufgeregten Folk-Horror. Gespickt mit Motiven der jüdischen Kabbalatradition besticht er insbesondere in der Darstellung fremder Kulturpraktiken. Leider hapert es sowohl an der Erzähltechnik, die es nicht schafft Spannung und echtes Grauen zu erzeugen, als auch an den Spezialeffekten, die dem Ganzen einen etwas zu trashigen Touch geben. Insgesamt ein solider Beitrag, aber neben den Großen des Genres ist der Trip ins frühneuzeitliche Osteuropa eher Pauschalreise als Abenteuerurlaub. Dennoch ist Golem nicht nur für Genrefans und Komplettisten durchaus einen Blick wert, zumindest, wenn man sich für eineinhalb Stunden in eine Welt entführen lassen möchte, die immer neben der unsrigen existiert hat, über die man aber doch recht wenig weiß.
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Grauen | |
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Anspruch | |
Gesamtwertung |
Ab 05. September 2019 im Handel:
Bildquelle: Golem – Wiedergeburt © Tiberius Film