Ring
Kritik

Ring – Das Original (1998) – Review

oder: alte Sagen, neue Sagen und moderne Technik

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:

Ringu
Japan
96 min
Hideo Nakata
Hiroshi Takahashi

Inhalt

Ringu handelt von einem Fluch, der alle trifft, die sich ein bestimmtes Video anschauen – so zumindest der Urban Myth. Was wirklich dahinter steckt, versucht die Reporterin Reiko Asakawa herauszufinden.

Hintergründe

Das Ring-Universum hat schon eine besondere Stellung im Genre. Hat Nakatas Ringu von 1998 doch eine Welle von japanischen Horrorfilmen losgetreten und 4 Jahre später merkten US-amerikanische Studios, dass man mit Remakes von japanischen Horrorfilmen richtig viel Kohle scheffeln kann.

Die Welt rund um das verfluchte Video ist jedoch wesentlich größer als die zwei angeführten, bekanntesten Vertreter.  Diese Welt habe ich versucht in folgender Graphik zu veranschaulichen, welche sich ausschließlich auf die Bücher und Filme konzentriert.

Ring Universum

Seinen Anfang nahm alles 1991 mit Koji Suzukis Roman Ringu, dem noch 4 weitere Bücher (Rasen, Rūpu, S, Tide) und eine Kurzgeschichtensammlung (Bāsudei) folgten. Darauf basierend erschien auch noch ein Manga.

1995 wurde der erste Versuch unternommen Suzukis Roman zu verfilmen. Das Ergebnis war die japanische TV-Adaption Ring: Kanzenban. 1999 folgte dann noch eine TV-Serie bestehend aus 2 Staffeln Ringu: Saishûshô und Rasen mit insgesamt 25 Episoden, wobei sich diese sehr weit von der Vorlage entfernte.

Dazwischen erblickte Hideo Nakatas Ringu 1998 das Licht der Welt gemeinsam mit Rasen von Jōji Iida. Beide Filme wurden zeitgleich produziert und haben Suzukis erste zwei Romane als Vorlage. Da jedoch Ringu ein Riesenerfolg war und Rasen mächtig floppte entschieden sich Nakata und Drehbuchautor Takahashi ein eigenes Sequel losgelöst von der Buchvorlage und Rasen zu drehen: Ringu 2. Auf diesen folgte 2000 noch Ringu 0 als Prequel, welcher sich wieder auf die Kurzgeschichtensammlung von Suzuki stützt. Takahashi war hier nach wie vor am Start, Nakata verzichtete jedoch und wurde durch Norio Tsuruta ersetzt.

Um es noch ein bisschen komplizierter zu machen, gab es auch noch zwei Sequels zu Iidas Rasen: Sadako 3D von 2012 und Sadako 3D 2 von 2013. Diese wurden beide von Tsutomu Hanabusa inszeniert und der erste Teil ist eine Adaption von Suzukis Roman S.

Als vorerst letztes Stück im japanischen Ring-Universum fügt sich dieses Jahr Sadako vs. Kayako hinzu, ein von Kōji Shiraishi (Grotesque) inszeniertes Crossover von Ju-on und Ringu, welches vor kurzem in die westlichen Kinos kam.

Hideo Nakata
Regisseur Hideo Nakata (Bild: Dick Thomas Johnson)

Raus aus Japan und wir kommen zum südkoreanischen Remake The Ring Virus von 1999. Welches zwar für sich in Anspruch nimmt eine Adaption des Buches zu sein, aber sich doch recht oft bei Nakatas Version zu bedienen scheint.

Anders bei Gore Verbinskis US-amerikanischem Remake, welches erst gar keinen Hehl daraus macht, ein Remake von Nakatas Adaption zu sein. Dem folgte zuerst ein Kurzfilm namens Rings (2005) bevor Nakata dann für das Sequel The Ring 2 sogleich selbst die Regie übernahm und Ehren Kruger eine originäre Story kreierte. Nächstes Jahr wird auch noch Rings (2017) veröffentlicht, welcher wiederum eine eher lose Verbindung zu Iidas Sadako 3D besitzt.

Meiner aufmerksamen Leserschaft ist sicher aufgefallen, dass zwei Romane von Suzuki bisher nicht angerührt wurden. Zum einen Rūpu welches in einem alternativen Universum spielt und von den Ereignissen aus Ringu und Rasen handelt und zum anderen Tide welcher auf Rūpu aufbaut. Es kann also davon ausgegangen werden, dass das Ring-Universum auch in Zukunft noch weiter wachsen wird.

Kritik

Ganz ehrlich. Ringu ist nicht perfekt und insbesondere wenn man sich das US-amerikanische Remake anschaut, sieht man was man zum Beispiel bei der Charakterzeichnung und -entwicklung der Protagonistin hätte besser machen können. Zudem liefert Naomi Watts eine wirklich gute Performance ab. The Ring halte ich grundsätzlich für ein respektables Remake, auch wenn es nicht im Stande ist viel Neues hinzuzufügen. Auch wenn Nakatas Ringu mein ganz klarer Favorit ist, lohnt es sich durchaus sich im Ring-Universum etwas umzuschauen.

Ring - Das Original

Was macht Ringu nun aber so besonders, dass ich ihn zu den 139 besten Horrorfilmen der letzten 100 Jahre zähle?

Einerseits spricht mich die durch Poltergeist und Videodrome inspirierte Geschichte an.  Die Verknüpfung von alten japanischen Sagen, urbanen Legenden und damals moderner Technik trifft einfach meinen Nerv. Das wertet für mich die ansonsten sehr konventionelle Fluch-Story doch sehr auf.

Andererseits, und für mich der ausschlaggebende Punkt, finde ich den Stil und die dadurch erzeugte Atmosphäre einfach umwerfend. Ich bin ein großer Fan des Surrealismus besonders von Salvador Dalí und Luis Buñuel. Schon seit meiner Jugend fasziniert mich deren surrealistisches Meisterwerk Un chien andalou (Ein andalusischer Hund) und dementsprechend finde ich es natürlich richtig geil, dass das verfluchte Video aus Ringu zu einem großen Teil von genau diesem inspiriert wurde. In meinen Augen ist dies auch wahnsinnig gut gelungen und richtig schön gruselig.

Ein weiterer wichtiger Baustein für die einnehmende Atmosphäre ist das Design von Sadako und wie sie von der Schauspielerin Rie Inō dargestellt wird. Rie Inō ist Mitglied der Theatergruppe Ban’yuu Inryoku, deren Performances sich stark auf Körperlichkeit fokussieren und auch hauptsächlich mit dem Körper arbeiten. Da Sadako nur wenig Screentime hat und auch keinerlei Dialoge ist es natürlich wichtig, dass die wenigen Momente, die sie im Bild ist, eine starke Präsenz von ihr ausgeht. Durch die tolle Technik von Regisseur Hideo Nakata die Szenen von Sadako rückwärts ablaufen zu lassen, erhalten die Bewegungen ein richtig schönes, unmenschliches, unnatürliches, beängstigendes Flair. Rie Inō musste lange üben, um die Rückwärtsbewegungen gut hinzubekommen und ich finde das Endergebnis ist der schiere Wahnsinn.

Ring - Das Original

Zu guter Letzt hat vor allem auch der irrsinnig gute Soundtrack geholfen mein Herz zu erobern. Für den Soundtrack zeichnet sich Kenji Kawai verantwortlich, der schon für Ghost in the Shell einen meiner absoluten Lieblingssoundtracks geschaffen hat. Die große Stärke des Soundtracks bei Ringu ist seine Unaufdringlichkeit. Es gibt nur wenige Momente in denen er sich in den Vordergrund schiebt, ansonsten ist er subtil im Hintergrund und schafft es mit seinen vielfach unmelodischen Klängen die Atmosphäre hervorragend zu unterstützen. Was vor allem auch daran liegt, dass er sich Nakatas fragmentarischem, wellenartigen story telling perfekt anpasst.

Unterm Strich ist Hideo Nakata mit sehr begrenztem Budget eine atmosphärisch einnehmende Geistergeschichte gelungen, die klassisch und modern zugleich ist. Zudem hat er mit Sadako eine Figur visualisiert, die das Erscheinungsbild des japanischen Geistermädchens entscheidend geprägt hat. Alle die ruhige Geistergruselgeschichten mögen, werden ihre Freude damit haben.

 

Bewertung

Spannung Rating: 2 von 5
Atmosphäre Rating: 4 von 5
Gewalt Rating: 1 von 5
Ekel Rating: 1 von 5
Story Rating: 4 von 5

Bildquelle: Ring – Das Original © Anolis Entertainment

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?