Sea Fog
Kritik

Sea Fog (2014) – Review

In Shim Sung-bos Debütfilm Sea Fog will sich die ausgemergelte Besatzung eines Fischkutters mit dem Schmuggel von illegalen Emigranten aus ihrer finanziellen Notlage befreien. Doch die raue See bringt das Schlimmste in Menschen hervor.

Originaltitel: Haemoo
Land: Südkorea
Laufzeit: 110 Minuten
Regie: Shim Sung-bo
Drehbuch: Shim Sung-bo, Bong Joon-ho
Cast: Han Ye-ri, Kim Yoon-seok, Park Yoo-chun u.a.
VÖ: ab 25.03.2021 im Handel

Inhalt

1998 in der Küstenstadt Yeosu. Die Auswirkungen der Asienkrise sind noch spürbar und auch für Kapitän Kang Cheol-jo (Kim Yoon-seok, The Chaser) und seine Besatzung des heruntergekommenen Fischkutters Jeonjin läuft es mehr schlecht als recht. Trotz harter körperlicher Arbeit reicht das Geld gerade so zum Überleben. Um sein geliebtes Boot nicht zu verlieren und infolge der aussichtslosen finanziellen Situation, willigt er ein, illegale Einwanderer aus China nach Südkorea zu schmuggeln. Obwohl der Auftrag ein immenses Risiko birgt, ist es in Kangs Augen die einzige und letzte Option, das Geld zu verdienen, was sie alle so dringend brauchen. Vor vollendete Tatsachen gestellt, ist die Besatzung einverstanden, das Wagnis einzugehen. Nachts trifft die Jeonjin bei strömenden Regen am Übergabeort ein und die Emigranten werden planlos an Bord geholt. Alles scheint soweit geglückt, wären da nicht die zunehmende Spannung zwischen Besatzung und Passagieren, die schließlich vollkommen außer Kontrolle geraten.

Hintergrund

Der bereits 2014 erschienene Film Sea Fog ist das Regiedebüt des Südkoreaners Shim Sung-bo, der gemeinsam mit Bong Joon-ho (Parasite) das Drehbuch verfasste. Zuvor hatten die beiden bereits bei Bongs Krimi-Drama Memories of Murder zusammengearbeitet. Sea Fog ist die Adaption des Theaterstücks „Haemoo“ aus dem Jahr 2007, das wiederum auf wahren Ereignissen basiert. 2001 starben 25 illegale Emigranten aus China den Erstickungstod im Lagertank des Fischerboots Taechangho, das sie eigentlich über eine Schmuggelroute nach Südkorea bringen sollte. Ihre Leichen wurden von der Schiffsbesatzung südwestlich der Hafenstadt Yeosu ins Meer geworfen. Die Umstände des Vorfalls schockierten nicht nur die Öffentlichkeit, es kam auch zu einer Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen zwischen Südkorea und China, woraufhin Südkorea eine offizielle Entschuldigung abgab und die Verantwortlichen verurteilte.

Sea Fog

Kritik

Darauf aufbauend inszeniert Shim Sung-bo sein Spielfilmdebüt als ein schreckliches Spektakel mit hohem Realismus-Faktor. Das gilt für das Alltagsleben der Besatzung auf dem Boot, aber auch für die Darstellung der allgemeinen Armut zu der Zeit, die sich im Umfeld widerspiegelt. Shim inszeniert ein trostloses Leben ohne glänzende Zukunft am Horizont innerhalb des modrigen Verfalls, der aus den trüben, feuchten Ecken des kleinen Schiffes kriecht. Das unwirtliche Wetter, das von brütender Hitze bis zu dichtem, kriechendem Nebel reicht, verstärkt geschickt den unheilvollen Ton des Films.

Sea Fog

Die Kameraarbeit von Hong Kyung-pyo und Lee Ha-joons Produktionsdesign unterstreichen die Unterschiede zwischen dem riesigen, kalten Hafen, der unversöhnlichen Umgebung des Meeres und den beengten Innenräumen des Fischkutters. Jeder Winkel ist von einer feuchten Wärme durchdrungen, die als Zuflucht vor den buchstäblichen und sinnbildlichen Stürmen an Deck dient, bevor sich das Boot in ein eisernes Labyrinth verwandelt, das keinen Ausweg bietet.

Während sich die Handlung verdichtet und die scheinbar einfache Aufgabe bedrohlicher wird, verdichtet sich auch der Nebel, der den wichtigsten Faktor für die Gestaltung der Atmosphäre darstellt und unablässig das Boot umgibt. Der titelgebende Seenebel wird hier sowohl wörtlich als auch metaphorisch eingesetzt, denn unter dem Schutz des Nebels erliegen Kang und seine Crew ihren unmoralischen und selbstsüchtigen Überlebensinstinkten.

Sea Fog

Was recht langsam und unkompliziert beginnt, wird schnell unberechenbar, wenn ungeahnte Probleme entstehen, die nach raschen Entscheidungen verlangen. So wandelt sich Sea Fog von einem sozialen Drama an einem gewissen Punkt in einen klaustrophobischen, brutalen Thriller. Shim zeigt eine zynische, hoffnungslose Welt, in der jeder Mensch dem anderen ein Wolf ist und bietet den Zuschauenden ein wenig schmeichelhaftes Bild der südkoreanischen Gesellschaft im Allgemeinen. Insbesondere Kim Yoon-seok als Kapitän Kang präsentiert eine zwiespältige Figur, einerseits Opfer der politischen und finanziellen Umstände, andererseits verwandelt er sich im Verlauf der Geschichte und insbesondere im Moment der Eskalation in eine unbeschreiblich furchterregendes Scheusal. Kim trägt den Film, denn seine Anwesenheit treibt Sea Fog an, und wenn seine Persönlichkeit kippt, ändert sich im Gleichklang der Ton des Films.

Sea Fog

Unglücklicherweise leiden hingegen die anderen Figuren unter dem Drehbuch und werden schließlich allmählich zu schablonenhaften, stereotypischen Schurken, wenn die Geschichte voranschreitet. Auch wenn man durch die guten Leistungen der Besetzung davon weitestgehend abgelenkt wird, funktioniert der Film besser als Thriller statt eines Sozial-Dramas. Shim zeigt ein starkes visuelles Gespür und die Fähigkeit, Spannung zu erzeugen, aber sein Stil verhindert eine tiefergehende Reflexion seiner Charaktere und ihrer Notlage. Es ist eine Schande, dass den meisten Charakteren des Films kein wirklicher Charakterbogen vergönnt ist.

Fazit

Sea Fog ist ein solides Erstlingswerk, das trotz sichtbarer Schwächen mit einer düsteren Atmosphäre der allgegenwärtigen Angst und rauer Emotionalität überzeugen kann. Insbesondere die Inszenierung und engagierte Besetzung kann deutliche Drehbuchschwächen abfangen. Shim Sung-bo hat einen sehr realistischen Film geschaffen, der zeigt, dass illegale Migration ein globales Problem ist, dessen Lösung noch weit entfernt scheint.

Bewertung

Grauen Rating: 2 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 1 von 5
Unterhaltung  Rating: 4 von 5
Anspruch rating3_5
Gesamtwertung rating3_5

ab 25.03.2021 im Handel

Sea Fog Sea Fog

Bildquelle: Sea Fog © Koch Films

Horrorfilme… sind für mich eine Möglichkeit, Angstsituationen zu erleben, ohne die Kontrolle zu verlieren. Es ist eine positive Art der Angst, da sich ein Glücksgefühl einstellt, sobald man die Situation durchgestanden hat. Es ist nicht real – könnte es aber sein. Das ist furtchteinflößend und gleichzeitig faszinierend.

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