Ravage – Einer nach dem anderen (2019) – Review
Im Rache-Thriller Ravage wird eine Naturfotografin Zeugin eines blutigen Verbrechens und gerät daraufhin selbst ins Visier der Täter. Doch die Männer unterschätzen die junge Frau und werden so schon bald von Jägern zu Gejagten.
Originaltitel: | Swing Low |
Land: | USA |
Laufzeit: | 84 Minuten |
Regie: | Teddy Greenan |
Drehbuch: | Teddy Greenan |
Cast: | Annabelle Dexter-Jones, Bruce Dern, Robert Longstreet u.a. |
VÖ: | Ab 11.02.2021 als Video-on-demand und ab 04.03.2021 auf DVD und Blu-ray |
Inhalt
Die erfolgreiche Wildlife-Fotografin Harper (Annabelle Dexter-Jones, Under the Silver Lake) ist auf der Suche nach neuen Motiven in den Wäldern des Watchatoomy Valley unterwegs, als sie eine Gruppe von Männern bei einer Folterung beobachtet. Mit ihrer Kamera hält sie die grausamen Szenen fest und rast in den nächsten Ort, um die Polizei zu informieren. Doch ihre Entdeckung macht schnell die Runde und so erfahren auch die Folterknechte von der unliebsamen Zeugin: Die junge Frau wird entführt, gefoltert und zum Sterben in den Wäldern zurückgelassen. Doch die Männer unterschätzen ihr Opfer, denn Harper kann ihnen entkommen und dreht den Spieß nun um.
Kritik
Die Essenz des Rape-and-Revenge-Films lässt sich leicht extrahieren: Gefolterte Frau nimmt blutige Rache. Während zahlreiche Genre-Vertreter die Gewalt ebenso ekstatisch wie unreflektiert in den weiblichen Körper einschreiben, nur um die Frau anschließend als verführerische Kampfamazone auf Männerjagd gehen zu lassen, birgt das Narrativ aber durchaus Raum für eine subversive Inszenierung. Schon in Meir Zarchis reißerischer Low-Budget-Produktion Ich spuck‘ auf dein Grab von 1978 findet sich – neben reichlich Sexploitation – eine schonungslose Darstellung von toxischer Männlichkeit und sexualisierter Gewalt. Zuletzt zeigte die Französin Coralie Fargeat mit ihrem Debüt Revenge, dass die Geschichte des Subgenres noch nicht auserzählt ist – und es ausufernde Vergewaltigungsszenen dazu ebenso wenig braucht wie sadistische Racheorgien.
Auch Ravage schreckt nicht vor expliziten Gewaltdarstellungen zurück, doch ausgerechnet die Vergewaltigung findet abseits der gezeigten Handlung statt – die bewusstlose Harper erlebt sie ebenso wenig mit wie die Zuschauenden, deren Fantasie es überlassen bleibt sich auszumalen, was passiert, nachdem die Männer sich mit heruntergelassenen Hosen ihrem Opfer nähern. Während Vergewaltigungen viel zu häufig – auch abseits des Genre-Kinos – als Plot-Mechanismus genutzt werden, um eine Charakterentwicklung von der hilflosen Puppe zur emanzipierten Rächerin zu begründen, braucht Ravage dieses Hilfsmittel nicht: Harper ist von Anfang an eine selbstbewusste, eigenständige und mutige Frau, die sich für ihre preisgekrönten Fotostrecken in die entlegensten Regionen der Welt wagt.
Das wird ihren Peinigern nun zum Verhängnis, die sich wohl keine Vorstellung vom Überlebenswillen und den Survival-Skills der jungen Fotografin gemacht haben. So ist es Harper, die nach ihrer Entführung den ersten Faustschlag landet und sich anschließend in Lara-Croft-Manier aus ihren Fesseln befreit, bevor sie sich mit ihren Verfolgern eine Hetzjagd quer durch die Wildnis liefert – wobei nicht immer klar ist, wer hier eigentlich wen jagt. Das Gore-Level hält sich dabei in Grenzen. Viel mehr wechseln sich in Ravage stimmungsvolle Aufnahmen der malerischen Natur mit spannungsreichen Gewaltszenen ab, in denen Harper eher raffiniert als grausam vorgeht. Regisseur und Drehbuchautor Teddy Grennan gelingt es, in seinem Debütwerk auch ohne den Einsatz von tonnenweise Eingeweiden bei den Zuschauenden für ein mulmiges Gefühl in selbigen zu sorgen.
Während Hauptdarstellerin Annabelle Dexter-Jones sich als furiose Action-Heldin durch die Wälder kämpfen darf, bleiben ihre Antagonisten aber leider etwas blass. In Aussehen und Habitus unschwer als mustergültige Vertreter des Redneck-Stereotyps zu erkennen, genügt das scheinbar, um ihre ausufernden Foltergelüste zu erklären. Auch die Rolle von Bruce Dern (Monster), der mit seinem kurzen Gastauftritt für nostalgische Momente sorgt, muss eher als Hommage an andere Genre-Vertreter gelesen werden, als dass sie die Handlung vorantreiben würde. Greenan zitiert zwar zahlreiche Klassiker, wie Tobe Hoopers Blutgericht in Texas, an und zeigt ein großes Herz für das Exploitationkino der 70er Jahre, kann den Geist des Terrorfilms aber nur bedingt einfangen. Das liegt maßgeblich an der Erzählweise, die zwischen verschiedenen Zeiten hin- und herspringt, dabei aber häufig nicht den richtigen Anschlusston findet und so mehrfach den sorgsam aufgebauten Spannungsbogen einknicken lässt. Weshalb Greenan die Handlung in Form von Rückblicken erzählt, bleibt dabei unklar, seiner Geschichte erweist er damit jedenfalls einen Bärendienst.
Fazit
Ravage ist kein klischeebeladener Rape-and-Revenge-Klon, sondern ein spannungsreich inszenierter Überlebenskampf in der Wildnis. Eine toughe Heldin nimmt es mit einem Haufen von Hinterwäldlern auf, denen sie mächtig in die Latzhosen-Hintern tritt: Das ist die Quintessenz des Survival-Thrillers, der sich für psychologische Charakterporträts so wenig interessiert wie für irgendeine Art von Subtext. Regie-Newcomer Teddy Greenan beweist ein Gespür für Spannung, Atmosphäre und den wohldosierten Einsatz von Gewaltspitzen – nur das Geschichtenerzählen muss er noch üben.
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Ab 04.03.2021 im Handel:
Bildquelle: Ravage – Einer nach dem anderen © Tiberius Film