Under the Silver Lake
Kritik

Under the Silver Lake (2018) – Review

Mit seiner Indie-Perle It Follows bescherte uns Regisseur und Drehbuchautor David Robert Mitchell 2014 einen der innovativsten und gleichzeitig besten Horrorfilme der letzten fünf Jahre. Vier Jahre später liefert er mit Under the Silver Lake ein wahres Feuerwerk an filmhistorischen Referenzen, irrsinnig witzigen Ideen und Verschwörungstheorien im Gewand eines modernen Mystery-Neo-Noir-Thrillers.

Originaltitel:
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Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:
VÖ:

Under the Silver Lake
USA
139 Minuten
David Robert Mitchell
David Robert Mitchell
Andrew Garfield, Riley Keough u.a.
Ab 19.04.2019 im Handel

Inhalt

Der 33-jährige Sam (Andrew Garfield, The Amazing Spiderman) lebt als Junggeselle alleine in einem kleinen aber feinen Apartment inmitten von Los Angeles. Statt sich einen Job zu suchen oder sich um das Bezahlen der längst überfälligen Miete zu kümmern, beobachtet er lieber seine Nachbarinnen vom Balkon aus mit einem Fernglas. Eines Tages kommt ihm die attraktive Sarah (Riley Keough, It Comes at Night, The House That Jack Built) vor die Linse, die ihn nach anfänglichem Smalltalk mit in ihre Wohnung einlädt. Sie verabreden sich erneut für den nächsten Tag, doch muss Sam verdutzt feststellen, dass Sarahs gesamte Wohnung über Nacht geräumt wurde und von ihr jede Spur fehlt. Zumindest bis er ein Symbol in ihrer Wohnung entdeckt, dessen Bedeutung er alsbald auf den Grund gehen wird. Dies bildet den Startschuss für eine aufregende und wirre Schnitzeljagd durch die spätsommerliche Stadt der Engel.

Kritik

Mit seiner zweiten Regiearbeit It Follows überzeugte Regisseur und Drehbuchautor Mitchell bereits mit einer ausgeklügelten Grundidee, die sich einer ganz eigenwilligen Subtilität bemächtigt und dadurch eine ungemeine Spannung erzeugen konnte. In seinem neuen Film Under the Silver Lake ist eben jene Subtilität ein Fremdwort; an ihre Stelle rückt stattdessen ein komplexer Subtext, der ein riesiges Sammelsurium dessen bietet, was sich an Verschwörungstheorien, Mythen und Legenden im Laufe der Geschichte von Los Angeles aufgetan hat.

Dabei bewegt sich der Film irgendwo zwischen Mystery, Neo-Noir, Comedy und Slice of Life und bietet all diesen Sparten, der langen Laufzeit von fast 2 ½ Stunden sei Dank, genügend Raum zum Atmen. Die schwungvolle Inszenierung gleicht einem Drahtseil-Akt, bei dem ganz nebenbei bravourös mit unterschiedlichsten Elementen der eben genannten Genres jongliert wird. Glücklicherweise gelingt dem Film dies ohne sichtbare Schwierigkeiten. Im Kern der Geschichte steht natürlich die Suche nach Sarah; allerhand äußerst skurrile Vorfälle sorgen jedoch dafür, dass Sams gemütlich bekifftes Schlendern durch die abendliche Metropole ein ums andere Mal gestört wird. Dabei eröffnen sich ihm eher willkürlich und zusammenhanglos immer mehr Teile des großen Puzzles, dessen Zusammensetzung er sich am Tag von Sarahs Verschwinden angenommen hat.

Under the Silver Lake

Was Under the Silver Lake ebenso auszeichnet, ist, dass er sich zu keinem Zeitpunkt krampfhaft auf das Dechiffrieren der Unmengen an Verschwörungen und geheimen Codes konzentriert, woran beispielsweise Number 23 mit Jim Carrey aus dem Jahr 2007 schon scheiterte. Stattdessen erwartet uns eine irrsinnig witzige Achterbahnfahrt, auf der es Unmengen zu entdecken gibt. Dabei ist Under the Silver Lake sehr selbstreflektierend, selbstironisch und voller paradoxer Eigenarten.
So diskutieren Sam und ein Freund von ihm nachts beispielsweise auf einem Hügel mit kaltem Dosenbier und Blick über die Skyline von Los Angeles darüber, wie paranoid die heutige Gesellschaft doch sei. Jeder wäre in der modernen Welt, in der wir leben, ein potentieller Irrer oder Spanner und genauso könnte jeder potentiell von einem Irren oder Spanner belästigt werden. Diese hochphilosophischen geistigen Ergüsse werden ausgetauscht, während die beiden mit einer bei Amazon gekauften Drohne ein ehemaliges Unterwäschemodel ausspannen und ihr dabei zusehen, wie sie nach Hause kommt, beginnt sich auszuziehen und anschließend einen mentalen Zusammenbruch erleidet.

Under the Silver Lake

Under the Silver Lake ist unglaublich vollgepackt mit solchen selbstironischen Szenen, die so banal und selbstverständlich dargeboten werden, dass man das Offensichtliche meist auf den ersten Blick gar nicht wahrnimmt. Dieses Den-Wald-vor-lauter-Bäumen-nicht-sehen trifft auch auf die Hauptfigur Sam zu, der, ohne einer tagesfüllenden Tätigkeit, wie einem Job nachzugehen, sich einfach nur treiben lässt von dem Sog der Stadt und dabei immer wieder neue Hinweise und Rätsel entdeckt, die ihn bei seiner Suche vermeintlich voranführen. Was wirklich am Ende dieser Odyssee auf Sam und die Zuschauer warten wird, ist vorerst zweitrangig. Der Weg ist hier das Ziel und eben dieser wird zu einer urkomischen, grasgeschwängerten, verwirrenden und von falschen Fährten übersäten Reise durch verschiedenste Subkulturen, Popkultur und Genrereflexionen werden. Dabei lässt es sich Under the Silver Lake trotz aller Gelassenheit nicht nehmen, zwei sehr überraschend harte Gewaltszenen zu involvieren, von der eine bereits in der ersten halben Stunde einen unerwartet heftigen Tabubruch mit sich bringt.

Das anschließende Entdecken dieser ganzen filmhistorischen und popkulturellen Anspielungen bereit dann so unglaublich viel Spaß, dass die leichten dramaturgischen Schwächen im Drehbuch gekonnt kaschiert werden. Nicht selten kam es während der 139-minütigen Laufzeit vor, dass ich dank entdeckter Referenzen oder Hommagen vor Freude unweigerlich aufgejubelt habe. Die recht unspektakuläre Auflösung am Ende hätte zwar noch etwas spannender ausfallen können; wenn die Reise dorthin aber so irrsinnig witzig, spannend und teils auch sehr schockierend ist, lässt sich über diese Schwächen gerne hinwegsehen. Bei einer so schwungvollen Inszenierung stört es auch nicht weiter, dass einige der wirklich bizarren Einfälle der Geschichte überhaupt nicht zuträglich sind, sondern einfach nur ihrer selbst wegen eingestreut scheinen. Coolness und Kult stehen hier deutlich über Kohärenz und Logik.

Under the Silver Lake

Daneben bietet Under the Silver Lake einen beflügelnden Soundtrack, der so locker-flockig daherkommt, dass er ganz für sich alleine stehend schon außerordentlich unterhält und ganz nebenbei die teilweise arg überspitzten Handlungen noch treffsicher untermalt. Ebenso ist die Kameraarbeit herausragend. Die eingefangenen Bilder werden zu einem surrealen Augenschmaus und laden dabei immer wieder ein, sich in der Szenerie und der stilsicheren Cinematographie vollkommen zu verlieren. Nicht nur für Cineasten, sondern auch für Laien sind diese eine wahre Bereicherung.

Fazit

Under the Silver Lake ist in jeglicher Hinsicht außergewöhnlich. Die von allerhand skurrilen Einfällen durchzogene Geschichte lädt zum permanenten Miträtseln und Mitfiebern ein. Die Kamerafahrten und Einstellungen sind ein Fest für die Augen, der Soundtrack für die Ohren. Der ungezwungene Vibe des Films sorgt, kann man sich im Vorfeld auf eine lose erzählte Geschichte ohne logisch verknüpfte Erzählstruktur einstellen, für immensen Sehspaß. Obgleich dieses unkoordinierte und oftmals ziellos wirkende Narrativ einige Zuschauer vor den Kopf stoßen wird, so hatte ich bei Under the Silver Lake so viel Spaß wie schon lange nicht mehr bei einem Film. Einfach mal komplett abschalten und sich von der wahnsinnig irren Geschichte mitreißen lassen – die Geheimnisse und Eigenarten von Silver Lake zu entdecken, ist es allemal wert.

 

Bewertung

Grauen Rating: 2 von 5
Spannung Rating: 5 von 5
Härte Rating: 3 von 5
Unterhaltung Rating: 5 von 5
Anspruch Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Bildquelle: Under the Silver Lake © Weltkino

Horrorfilme sind für mich die beste Möglichkeit, die Grenzen des Zumutbaren und des eigenen Sehvergnügens auszuloten und neu zu definieren. Außerdem gibt es kaum ein anderes Genre, das so viele verschiedene gute Ideen, Möglichkeiten und Geschichten hervorbringen kann, da, ähnlich wie im Science-Fiction, einfach alles möglich ist. Es ist faszinierend, wie stark einen gute Horrorfilme in ihren Bann ziehen können und dabei sowohl schockieren als auch unterhalten.

...und was meinst du?