After Midnight (2019) – Review
In After Midnight, der dritten Regiearbeit von Jeremy Gardner, sieht sich ein Mann mit einem Monster konfrontiert, das nach dem Verschwinden seiner Freundin Nacht um Nacht versucht, in sein Haus einzudringen. Wir haben für euch bis nach Mitternacht gewartet, um zu gucken, was es mit der nächtlichen Bedrohung auf sich hat.
Originaltitel: | After Midnight |
Land: | USA |
Laufzeit: | 83 Minuten |
Regie: | Jeremy Gardner, Christian Stella |
Drehbuch: | Jeremy Gardner |
Cast: | Jeremy Gardner, Brea Grant, Justin Benson u.a. |
VÖ: | Ab 29.05.2020 im Handel |
Inhalt
Eigentlich läuft alles gut in der augenscheinlich glücklichen Beziehung zwischen dem Hobby-Jäger Hank (Jeremy Gardner, Ben and Mickey vs. the Dead) und seiner Freundin Abby (Brea Grant, A Ghost Story, Halloween II). Die getraute Zweisamkeit wird jedoch jäh unterbrochen, als Abby eines Tages Hals über Kopf verschwindet und nur eine kurze, nichtssagende Nachricht am Küchenschrank für Hank hinterlässt. Dieser verfällt daraufhin in einen Trott der Ungewissheit und Trauer. Als wäre dieser Kummer, den er in reichlich Alkohol zu ertränken versucht, nicht schon belastend genug, kommt seit Abbys Verschwinden jede Nacht ein Monster auf Hanks Terrasse und versucht sich Zugang zu seinem Haus zu verschaffen. In seinem Freundeskreis will ihm jedoch niemand glauben und als Hank eines Nachts betrunken nach Hause kommt, steht auf einmal die zerkratze Tür seines Hauses offen…
Kritik
After Midnight ist ein perfektes Beispiel für irreführendes Marketing. Viele Genrefilme und ihre Rezeption hatten in der Vergangenheit unter der Marketingstrategie gelitten, dass durch Trailer und Poster Eindrücke von einem Film vermittelt werden, die ein breiteres Publikum auf den Film aufmerksam machen sollen und sich dann jedoch als gänzlich falsch herausstellten. Nicht selten kam es deswegen zu verhaltenen bis enttäuschten Reaktionen seitens Publikum und Kritiker. Ähnliches lässt sich auch bei After Midnight beobachten, bei dem das Poster und auch der Trailer einen mit Humor gespickten Monster-Horror suggerieren. Das Endergebnis ist dann aber nicht nur viel weniger monströs, als es auf den ersten Blick erscheint, sondern viel mehr Romanze mit Elementen des fantastischen Films à la Spring – Love is a Monster. Ganz so einfach ist es dann zum Glück aber doch nicht. Im Kern geht es hier nämlich nicht einfach um ein Monster, das für Radau sorgen soll, sondern der Fokus liegt auf dem Ergründen von zwischenmenschlichen und existenziellen Unsicherheiten und Problemen, die sich auch nach zehn Jahren Beziehung zwischen zwei Menschen auftun können.
After Midnight bewegt sich dabei stets selbstbewusst zwischen den Stühlen, wenn es um die gegenseitige Wechselwirkung der verschiedenen Genrezonen geht. Die häufigen Flashbacks zu Hanks und Abbys Beziehung in den „guten, alten Tagen“, die zugegeben häufig nur ganz knapp an triefendem Kitsch vorbeischrammen, konterkarieren die düsteren Momente, in denen Hank zwischen Zynismus und zunehmender Verzweiflung dem selbstzerstörerischen Alkoholismus frönt und der nächtlichen Bedrohung nichts als eine Couch vor der Tür und ein Gewehr in der Hand entgegenzubringen hat. Es sind die Momente der Stille, des melancholischen Schwelgens in den Erinnerungen an eine bessere, strahlende Vergangenheit, in denen ihn das Monster heimsucht und terrorisiert. Dass Abbys Verschwinden und die Ankunft des Monsters in irgendeinem verzwickten Zusammenhang stehen müssen, scheint für den Zuschauer von Anfang an klar. An einer Stelle beweist der Film dann sein Verständnis für seine eigens aufgestellten Erwartungshaltungen und Hank fragt Abby gerade heraus, ob nicht gar sie das Monster – oder zumindest ein Werwolf – wäre. Indem After Midnight den Zusammenhang der für Hank einschneidenden Erlebnisse dann aber nie konkret ausformuliert, sondern stets als vage Vermutung im Raum stehen lässt, unterwandert der Film nicht nur Erwartungshaltungen, sondern bezieht die Zuschauer aktiv mit ein, unausgesprochene aber offensichtliche Konflikte zu erkennen und offen zu benennen.
Sicher, der handfeste Redneck-Humor von Hank und seinen Freunden wird in seiner oftmals ländlichen Plumpheit nicht jedem gefallen. Aber er funktioniert, denn er vermittelt das Bild eines Mannes, der für komplexe zwischenmenschliche Probleme, die er von selbst gar nicht fähig ist zu erkennen, einfache Antworten erwartet. Als er in der schönsten Szene des Films, eine über zehnminütige Kameraeinstellung, die einen einzigen Dialog aufzeichnet, mit dem Ursprung und dem Auslöser der Probleme konfrontiert wird, erzeugt dies bei ihm Unverständnis und Trotzreaktionen. After Midnight greift damit nicht nur individuelle Probleme eines fiktiven Charakters auf, sondern ist gleichzeitig erschreckend aktuell und pointiert, wenn man einen Blick auf momentane soziale Unruhen wirft. Als Hank dann endlich erkennt, dass es einer Erweiterung seines eigenen Horizonts über die Grenzen seiner kleinen Heimatstadt hinaus bedarf und sich voller Hingabe dieser Herausforderung stellt, bricht der vorher unter Verschluss gehaltene Horror erbarmungslos und unvermittelt über ihn her und zwingt ihn sofort, seine Worte zu Taten werden zu lassen und aus dem Trott seiner bequemen Untätigkeit auszubrechen.
Fazit
After Midnight ist ein merkwürdiger Monsterfilm. Merkwürdig deshalb, weil er im Grunde wegen seiner langen konsequenten Abwesenheit des Monsters eigentlich gar kein solcher Film ist, die entsprechenden Genreelemente aber wie angegossen in den Film passen. Jeremy Gardner schafft es auf vollkommen unaufgeregte und oftmals possierliche Art, die gängigen Erwartungen an einen solchen Genre-Mischling zu unterwandern und sich seiner Thematik auf angenehm unbefangene Weise zu nähern. After Midnight erreicht dabei zwar nie die rührend-mitreißende Einfühlsamkeit des erwähnten Genre-Kollegen Spring – Love is a Monster und ist unterm Strich auch nicht außergewöhnlich mitreißend geschweige denn gruselig. Vielmehr besticht er durch seine Ruhe und Liebe zu seinem Stoff und benutzt seine Ambiguitäten, um mit den Versatzstücken seiner bedienten Genre zu spielen und zu einem ganz eigenen, ungewöhnlichen Mix zusammenzustellen. Dieser Mix ist sehr sehenswert, dürfte aber eher Freunde von abseitigem und ungewöhnlichem Nischenkino im Bereich Horror zusagen.
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Ab 29.05.2019 im Handel:
Bildquelle: After Midnight © Meteor Film