Kritik

Luz (2018) – Review

Das Label Bildstörung beglückt die Horrorgemeinde immer wieder mit ins Auge stechenden Produktionen, die klassische Genregrenzen gerne hinter sich lassen und auch der deutsche Streifen Luz erweist sich wieder einmal als ein solcher Grenzgänger. Wir sind ins Taxi einer rätselhaften Chilenin gestiegen und haben für euch herausgefunden, wo die Reise hinführt.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:
VÖ:

Luz
Deutschland
70 Minuten
Tilman Singer
Tilman Singer
Luana Velis, Jan Bluthardt, Julia Riedler u.a.
Seit 27.09.2019 im Handel

Inhalt

Luz (Luana Velis), eine junge Frau chilenischer Herkunft, arbeitet in Deutschland als Taxifahrerin. Als sie eines Morgens blutverschmiert in eine Polizeiwache stolpert, gibt sie den Beamten zunächst Rätsel auf. Zeitgleich werden wir Zeugen, wie der Psychotherapeut Dr. Rossini (Jan Bluthardt) in einer Bar seinen Bereitschaftsdienst verbringt und mit einer fremden Frau, die sich als Nora Vanderkurt (Julia Riedler) vorstellt, ins Gespräch kommt. Als Rossini zu einem Notfall auf die Polizeiwache gerufen wird, deutet sich schnell an, dass die Schicksale der Drei auf mysteriöse und schreckliche Weise miteinander verbunden sind…

Kritik

Das Debütwerk von Tilman Singer, gleichzeitig seine Abschlussarbeit an der Filmhochschule Köln, ist einer jener Filme die den Zuschauer zunächst einmal massiv irritieren. Zu wenig scheinen die ersten Szenen miteinander zu tun zu haben, zu willkürlich wirkt der Wechsel der Settings. Luz folgt keiner streng linearen Erzählstruktur. Vielmehr fließen die Szenen ineinander und formen ein verschachteltes Gebilde, während es dem Zuschauer überlassen bleibt, das Gesehene zu ordnen. Das detailverliebte Setting entbehrt jeder Möglichkeit, es zeitlich oder räumlich einordnen zu können. Vieles wirkt vergangenen Jahrzehnten entnommen, anderes wiederum, beispielsweise die erwähnte Bar, erscheint nahezu futuristisch. Dabei versetzen die unterschiedlichen Perspektiven und die häufig für lange Zeit reglose Kamera den Zuschauer in eine Beobachterperspektive, die nicht auf eine Identifikation mit den Figuren abzielt.

Die wenigen Sprechrollen und Locations machen Luz zu einem die Sinne verwirrenden Kammerspiel. Zugegebenermaßen ist das Schauspiel gerade zu Beginn gewöhnungsbedürftig, wirkt es doch oftmals geradezu einer Theaterbühne entsprungen. Dies äußert sich in einer präzise überbetonten Sprechweise sowie in der teils überspielten teils bewusst reduzierten Umsetzung. Doch wenn man einmal im Setting angekommen ist, trägt diese Darstellungsform die Charaktere vorzüglich. Startet der Film noch extrem langsam die ersten Einstellungen sind nahezu nervenaufreibend langgezogen so entwickelt sich schon bald ein fesselnder Sog, der den Zuschauer in das Geschehen hineinzieht und in einen bildhaften Rausch mündet. Die kreative Inszenierung des Films wird besonders deutlich in der zentralen Verhörszene, in welcher die Ermittler und Dr. Rossini Luz unter Hypnose befragen, um herauszufinden, was es mit ihrem rätselhaften Auftreten auf sich hat. An Stelle von einfachen Rückblenden erleben wir, wie die hypnotisierte Luz die Geschehnisse nachstellt. Soundeffekte rücken die Bilder an den richtigen Ort, sodass Zeit und Raum erneut,zu einer fiebrigen Traumlandschaft verschwimmen, in die sich der dämonische Schrecken eingeschlichen hat und nun immer klarer hervortritt.

Das Ende dieses hypnotischen Trips kommt nach etwas mehr als einer Stunde recht unvermittelt und hinterlässt zunächst einmal ein unbefriedigtes Gefühl. Vor dem Hintergrund der detailverliebten technischen Inszenierung scheint dies aber durchaus zum Programm zu gehören und ist im Grunde nur die letzte Konsequenz des gesamten Filmkonzepts: der Sieg der Form über den Inhalt. Luz ist vor allem eine Huldigung an die Kunst des Filmemachens.

Diese Liebeserklärung ist nicht an eine Epoche gebunden. Zwar wird über weite Strecken ein gewisser Retroflair transportiert, so verwendet Singer eine 16mm-Kamera und setzt auf einen extrem synthie- und saxophonlastigen Soundtrack, aber er erschöpft sich nicht in der nostalgischen Reproduktion, sondern bindet sie harmonisch ins Gesamtwerk ein

Fazit

Luz ist ein exzellenter Film, der durch seine Detailverliebtheit auf der technischen wie inszenatorischen Ebene überzeugen kann. Allerdings muss man sich auf dieses spezielle Seherlebnis auch einlassen. Wer eine vielschichtige Story mit Interpretationsspielraum erwartet, wird genauso enttäuscht wie Gorehounds auf der Suche nach der nächsten rekordverdächtigen Menge an Kunstblut. All dies spielt für Luz keine Rolle. Braucht es auch nicht, nimmt man Singer doch in jeder Sekunde seine Liebe zur Filmkunst ab. Wer mit diesen handwerklichen Aspekten etwas anfangen kann, wird mit Luz sicher seine Freude haben.

Bewertung

Grauen Rating: 3 von 5
Spannung Rating: 4 von 5
Härte  Rating: 2 von 5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 4 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Seit 27.09.2019 als DVD und Bluray im Handel:

Bildstörung veröffentlicht LUZ auf DVD, Blu-ray und als streng limitierte Dual-Format-Edition mit Soundtrack-CD.
Bonusmaterial:

  • Audiokommentar mit Regisseur Tilman Singer & Production Designer Dario Mendez Acosta
  • Kurzfilm „The Events at Mr. Yamamoto’s Alpine Residence“ (2014, 10 Min.)
  • Kurzfilm „El Fin Del Mundo“ (2014, 17 Min.)
  • Making of (70 Min.)
  • Trailer
  • Booklet mit einem Text von Ariel Esteban Cayer
  • Soundtrack-CD (exklusiv in der Limited Edition über unseren Online-Shop)
Luz

Bildquelle: Luz © Bildstörung

Horrorfilme… sind für mich das Erkennen, Überschreiten und Herausfordern von gesellschaftlichen Grenzen durch abgründige Ästhetik und damit Kunst in ihrer reinsten Form. Vor allen Dingen machen sie aber einfach unfassbar Spaß.

...und was meinst du?