The Dry
Kritik

The Dry (2020) – Review

Ein Bundespolizist, der von schmerzhaften Erinnerungen heimgesucht wird, versucht im Thriller The Dry die Unschuld seines Jugendfreundes zu beweisen. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Jane Harper zeigt Regisseur Robert Connelly, dass sich die Vergangenheit nicht so leicht abschütteln lässt.

Originaltitel: The Dry
Land: Australien/USA
Laufzeit: 117 Minuten
Regie: Robert Connolly
Drehbuch: Robert Connolly, Harry Cripps
Cast: Eric Bana, Genevieve O´Reilly, Keir O´Donnell u.a.
VÖ: seit 12. September 2021 fürs Heimkino

Inhalt

Bundespolizist Aaron Falk (Eric Bana, Erlöse uns von dem Bösen) kehrt nach über zwanzigjähriger Abwesenheit in seine Heimatstadt Kiewarra zurück, um an der Beerdigung seines Jugendfreunds Luke (Martin Dingle Wall, Happy Hunting) teilzunehmen, der seine Frau, seinen Sohn und dann sich selbst erschossen haben soll. Lukes Eltern glauben jedoch nicht an die Schuld ihres Sohnes und bitten Aaron, weitere Nachforschungen anzustellen, woraufhin dieser sich mit dem örtlichen Polizisten Greg Raco (Keir O’Donnell, Incarnate) zusammenschließt. Der Aufenthalt in der Stadt weckt allerdings nicht nur Erinnerungen an eine unbeschwerte Jugend, sondern auch die Feindseligkeit der Einheimischen, die ihn immer noch für den Tod seiner damaligen Freundin Ellie (Bebe Bettencourt) verantwortlich machen. Und so sieht sich Aaron schon bald in der von Dürre geplagten Nachbarschaft mit den Geheimnissen der Vergangenheit konfrontiert.

Kritik

Auf dem gleichnamigen Roman von Jane Harper basierend, bewegt sich die Geschichte zwischen den beiden Kriminalfällen und fesselt mit seiner lebendigen und unverwechselbaren lokalen Atmosphäre, die hauptsächlich durch die ruhigen, aber unheilvollen Aufnahmen der weiten von Dürre gekennzeichneten Landschaft vermittelt wird. Dabei widersteht The Dry überzeichneten Figuren oder melodramatischen Wendungen. Die Wahrheiten, die die Protagonist:innen in diesem bescheidenen Städtchen aufdecken sind so banal wie das Leben selbst und vermitteln eine unangenehme Vertrautheit. Hier sind keine verrückten Machenschaften am Werk, sondern nur die bedauerlichen Schicksale gebrochener Individuen.

The Dry

Während der brutale Mord von Luke an seiner Familie in Staub und Zweifel gehüllt ist, konstruiert Regisseur Robert Connolly die Vergangenheit der Hauptfigur in einer parallelen Geschichte, die gleichermaßen funktioniert. Diese Rückblenden, die in subjektiven Fragmenten präsentiert werden, werden durch den Film gestreut und unterbrechen die gegenwärtige Nachforschung. Sie zeigen nie zu viel, enthüllen ihre Wahrheiten gemächlich, vielmehr unbeabsichtigt und springen manchmal vor und zurück. Dieser Ansatz macht das Publikum zum Detektiv, der versucht, die bereitgestellten Informationen zu interpretieren. Dabei vermitteln die Todesfälle – durch Jahrzehnte getrennt, aber durch bestimmte Personen verbunden – ein Gefühl der kommunalen Tragödie und die Verbreitung von öffentlichen Anschuldigungen sind Katalysatoren für die Aufdeckung der Geheimnisse. Keiner redet davon, aber jeder weiß es mehr oder weniger.

The Dry

The Dry gelingt es, das Publikum in seine Umgebung einzuschließen und nutzt das lokale Setting als wesentlichen Charakter der Geschichte. Gedreht in der flachen, trockenen Landschaft der Wimmera-Region im Süden Australiens, fiel die einst blühende Stadt Kiewarrra der Dürre zum Opfer. Was von der wirtschaftlich starken Gemeinde übrig geblieben ist, lebt heute zwischen ausgetrockneten Flussbetten, sonnenverbrannten Feldern und der allgegenwärtigen Bedrohung durch Buschfeuer. Kameramann Stefan Duscio (Der Unsichtbare) eröffnet den Film, indem er über die trockene, karge Landschaft schwenkt, seine Kamera bewegt sich langsam über die rissige Erde und endlose Hektar staubigen, ausgedörrten Weizens, bevor er zu einem abgelegenen Bauernhaus fährt. Es sind Bilder eines ausgedörrten Landes: der Rauch von Waldbränden, Staubteufel, die sich über unfruchtbare Felder winden und Autos, die in Richtung Stadt rasen, dabei riesige, staubige Pfade hinterlassend. Das alles vermittelt ein unheimliches Gefühl von Isolation und Trostlosigkeit. The Dry lässt das Publikum nie vergessen, wo es ist. Am deutlichsten wird das in den Szenen, in denen die Figuren an einen Fluss zurückkehren, in dem die Teenagerin vor 20 Jahren ertrank. Mittlerweile ist nur noch ein trockenes Flussbett übrig, das sich wie eine mahnende Narbe durch das Land zieht.

The Dry

Tatsächlich betonen die Bilder, wie sehr sich die Dinge verändert haben. Die Rückblenden haben einen fast idyllischen Glanz und heben eine Zeit mit saftig-grünem Gras und reichlich Wasser, das über das Flussufer trat, hervor. Dieser scharfe Kontrast überträgt sich auch auf die städtische Bevölkerung, die ebenfalls im übertragenen Sinne an Lebenskraft verliert.

The Dry

Kiewarra konnte sich von den vergangenen Verbrechen nie ganz erholen. Die städtische Gemeinschaft ist zusammengekauert und während der großen Trockenheit nicht nur scheinbar in Raum und Zeit gefangen, sondern durch zwei Jahrzehnte Verbrechen – und beides droht den ganzen Ort in Brand zu setzen. Das allgemeine Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber Kräften, die viel größer sind als das Individuum, ist in die Atmosphäre eingewoben. Charaktere treten in diese Geschichte ein, nicht als potenzielle Verdächtige oder Ablenkungsmanöver, sondern als Spiegelungen dieser übergeordneten Stimmung. Dadurch berührt der Film mehrere schwierige Themen, von Existenzängsten über Spielsucht bis hin zu sexualisierter Gewalt. Jedes Thema wird mit der nötigen Sensibilität behandelt, ohne kitschige Auflösungen anzubieten, sodass sich die Welt von The Dry greifbar anfühlt. Die Figuren versuchen lediglich, unausgesprochene Wünsche und gebrochene Herzen mit der Schwere unaussprechlicher Verbrechen in Einklang zu bringen.

Fazit

Auch wenn The Dry in bekannten Fahrwassern verweilt, setzt er die vorhandenen Genrekonventionen geschickt ein und weiß über die ruhigen, fast zwei Stunden Laufzeit zu fesseln. Wunderschöne Bilder, eine gut inszenierte Kriminalgeschichte und großartiges Schauspiel von allen Schauspieler:innen machen The Dry zu einem spannenden und unterhaltsamen Film, der niemals seine Prämisse aus den Augen verliert.

Bewertung

Grauen Rating: 2 von 5
Spannung rating4_5
Härte rating3_5
Unterhaltung rating4_5
Anspruch rating3_5
Gesamtwertung rating4_5

seit 12.09.2021 im Handel:

The Dry The Dry

Bildquelle: The Dry © LEONINE Distribution Spielfilm

Horrorfilme… sind für mich eine Möglichkeit, Angstsituationen zu erleben, ohne die Kontrolle zu verlieren. Es ist eine positive Art der Angst, da sich ein Glücksgefühl einstellt, sobald man die Situation durchgestanden hat. Es ist nicht real – könnte es aber sein. Das ist furtchteinflößend und gleichzeitig faszinierend.

...und was meinst du?