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13 Horror-Geheimtipps, die ihr wahrscheinlich noch nicht kennt

8. Der Sandmann (1995)

Die aufstrebende Fernsehredakteurin Ina Littmann (Karoline Eichhorn, Das letzte Schweigen) erhält die Chance, für die TV-Show „Auge in Auge“ einen Beitrag über den populären Krimiautor Henry Kupfer (Götz George, Der Totmacher) zu gestalten. Die junge Frau ist von Kupfer, der mehrere Jahre wegen Mordes inhaftiert war, zugleich fasziniert und abgestoßen – doch sie wittert auch eine Sensation, als sie bei ihren Recherchen auf mehrere Prostituiertenmorde stößt, die der damaligen Tat auf erschreckende Weise gleichen. Der ehrgeizigen Journalistin ist fortan jedes Mittel recht: Sie besorgt versteckt gedrehtes Filmmaterial, besticht Zeugen, steckt Kolleg:innen und Polizei mit ihrem Verdacht an, nur um den vermeintlichen Mörder in der Live-Sendung zu enttarnen. Doch der ist nicht so ahnungslos, wie sie denkt.

Der Sandmann ist das zynische Porträt einer reißerischen TV-Landschaft, in der die Grenze zwischen Inszenierung und Wirklichkeit bewusst verschoben wird. Kaum zu glauben, dass eine derart kompromisslose Auseinandersetzung mit der Medienkonsumgesellschaft ausgerechnet von RTL2 koproduziert wurde – und ein Indiz dafür, wie sich das Privatfernsehen seitdem verändert hat. Nico Hofmanns Film zeigt eine Medienwelt, in der die Quote jedes Mittel rechtfertigt – und gerät dennoch nicht zum seichten Lehrstück.

Sympathieträger gibt es in Der Sandmann nicht, die Figuren bleiben durchgehend ambivalent und sorgen damit für Spannung bis zur letzten Sekunde. Newcomerin Eichhorn und Altstar George, der mit seinem abgründigen Charme besticht, ziehen die Zuschauenden vollends in ihr manipulatives Spiel hinein. Das atmosphärisch dicht inszenierte Kammerspiel verwischt die Grenzen zwischen Schein und Sein, sorgt mit seiner vielschichtigen Handlung für spannende Unterhaltung und wirkt im Kontext aktueller Medienphänomene mit seiner brutalen Prämisse aktueller denn je. Innovative Fernsehunterhaltung, die sich hinter aktuellen Produktionen nicht zu verstecken braucht. [Catherin]

Der Sandmann

7. Malpertuis (1971)

Malpertuis steht leider immer etwas im Schatten des sexuell aufgeladenen und kultigen Vampirfilms Blut an den Lippen, den der belgische Regisseur Harry Kümel ein Jahr zuvor drehte. Denn trotz Nominierung für die Goldene Palme bei den Filmfestspielen von Cannes floppte Malpertuis an den Kinokassen und fliegt auch heute noch unter dem Radar.

Dabei hat die Verfilmung des Romans von Jean Ray so viel, das sich zu entdecken lohnt. Der Film dreht sich um den Matrosen Jan (Mathieu Carrière, Parapsycho – Spektrum der Angst), der kurz nachdem er von einer langen Seereise wieder in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist, entführt wird. Er findet sich in einem von einer verwilderten Gartenanlage umgebenen, labyrinthartigen Herrenhaus namens Malpertuis wieder – seinem Elternhaus. Sein Onkel Cassavius (Orson Welles, Citizen Kane) liegt bettlägerig im Sterben und hat seine Angehörigen versammelt, um die Vererbung des Anwesens zu klären. Dieses soll unter allen aufgeteilt werden – unter einer Bedingung: Sie dürfen das Herrenhaus nicht verlassen.

Selten wurde ein großes altes Herrenhaus mit all seinen verwinkelten Korridoren, endlosen Treppen, verschlossenen Türen und unter zentimeterdickem Staub versteckten Geheimnissen so wundervoll phantastisch in Szene gesetzt wie in Malpertuis. So ist dieser verwunschene Irrgarten von einem Haus trotz der überaus illustren Runde an mysteriösen Bewohner:innen, die hier versammelt werden, ganz klar der wahre Protagonist der Geschichte. Mit diesem wundervollen Setting und inszenatorischer Virtuosität gelingt es Kümel, ohne große Effekthascherei Spannung zu erzeugen und das Publikum in die phantasmagorischen Strudel von Malpertuis hineinzusaugen. Unterstützt von Georges Delerues eindringlichem Score entstand eine wahre Perle des phantastischen Films, das nicht nur Freunden surrealer Kunst wärmstens empfohlen sei. [Florian]

6. Vampire gegen Herakles (1961)

Ercole al centro della Terra, also Herakles im Mittelpunkt der Erde, gehört zur überaus experimentellen Regie-Frühphase von Mario Bava, in der er unterschiedlichste Genres mischte und deren Komponenten neu zusammensetzte. In Vampire gegen Herakles bekommen wir ein mit Horrorelementen durchsetztes Sandalenspektakel mitten in der mythischen Sagenwelt Griechenlands.

Der große Held Herakles muss nach der Rückkehr von einem seiner Abenteuer erfahren, dass seine geliebte Deianira mit einem bösen Zauber belegt wurde, der laut dem Orakel Medea nur durch einen seltenen Stein aus der Unterwelt gebrochen werden kann. So steigen Herakles und sein Freund Theseus ins Reich der Toten hinab, wo es allerlei Hindernisse zu bewältigen gilt…

Herakles‘ Höllentrip ist wie gemacht für Bavas intensives Farbenspiel. So erstrahlt Hades‘ Unterwelt in kräftigem, giftigen Grün, verführerischen Violett und rauschhaften Rot. Selten sah der Ort der Verdammnis und des Todes so atemberaubend betörend aus. Herakles‘ und Theseus‘ Abenteuerreise durch die Unterwelt, wobei hier fleißig auf die griechische Sagenwelt zurückgegriffen wird, seien es die zwölf Arbeiten des Herakles oder der Raub der Persephone, macht zudem richtig viel Spaß.

Die Kulissen, Miniaturmodelle und Effekte sehen zum Verlieben aus und da ist es dann auch verschmerzbar, dass sich hie und da ein paar Längen einschleichen und auch schauspielerisch durchaus noch Luft nach oben wäre. Es ist auch etwas schade, dass Christopher Lees Charakter kaum eine Rolle spielt und ihm dadurch die Bedrohlichkeit ein bisschen verloren geht.

Aber im Mittelpunkt steht sowieso die bezaubernde Optik und allein die Szenen mit Herakles und Medea sind mit das Ästhetischste, was je auf Zelluloid gebannt wurde. Somit gehört diese Perle im Œuvre Bavas vollkommen zu Unrecht zu seinen unbekanntesten Werken. [Florian]

5. Der Samurai (2014)

Jakob Wolski (Michel Diercks) versucht als pflichtbewusster Grünschnabel im polizeilichen Dienst für Recht und Ordnung in seinem Heimatdorf zu sorgen. Während er sich sonst insbesondere mit jugendlichen Halbstarken rumschlägt, die kaum jünger sind als er selbst, liegt seine Aufmerksamkeit derzeit ganz bei einem Wolf, der im Dorf Unruhe stiften soll. Im dichten Forst legt Jakob rohe Fleischstücke aus, um das Tier im Zaum zu halten. Doch bei seinen nächtlichen Nachforschungen trifft der junge Polizist nicht auf den Wolf, sondern auf einen Samuraischwert-schwingenden Transvestiten im weißen Sommerkleid. Der Beginn einer wilden Nacht…

Eine Inhaltsangabe kann nicht annähernd dem gerecht werden, was einen in Till Kleinerts Abschlussfilm von der dffb erwartet. Kleinert zeichnet von Anbeginn ein überaus düsteres Bild von seinem brandenburgischen Dorf, in dem die Gartenzwerge mit harter Hand über die kleinbürgerlichen Vorgärten herrschen. Die ländliche Spießigkeit tropft nur so von jeder Fassade und aus jeder Pore ihrer Bewohner:innen. Jakob ist Außenseiter und lebt zurückgezogen bei seinen Großeltern. Trotz alledem soll ausgerechnet er den Status Quo aufrechterhalten und hat nicht schon, wie wohl die meisten seiner Schulfreund:innen, längst das Weite gesucht. Es wundert daher wenig, dass Jakob sich nicht nur zum Wolf, sondern auch zu dem Fremden hingezogen fühlt. Der selbstbewusste und animalisch agierende Transvestit hat es auch nicht auf Jakob abgesehen, sondern ladet zum blutgetränkten emanzipativen Tanz. Der Samurai wandelt hier auf Pfaden eines Coming-of-Age-Films und arbeitet mit dem Wolf als Metapher für Jakobs Triebe, Lüste und entfesselte Sexualität. Dabei legt Kleinert seine Themen und Bilder offen aus, ohne sie vollkommen zu dechiffrieren. So bleibt bis zum Ende die Grenze zwischen Traum und Realität verschwommen und die Interpretationsarbeit beim Publikum.

Der Samurai kommt mit seiner sich herkömmlichen Erzählmustern entziehenden Inszenierung durchaus sperrig daher und setzt anstatt auf einen klaren Spannungsbogen vielmehr auf eine traumwandlerische Atmosphäre. Es ist ein mutiger und konsequenter Film, der wieder einmal beweist, dass das so oft totgeschriebene deutsche Genrekino doch immer wieder im Stande ist, wahre Perlen hervorzuzaubern. [Florian]

4. Tore tanzt (2013)

Der heimatlose Punk und „Jesus-Freak“ Tore (Julius Feldmeier, Babylon Berlin) ist aufrichtig entschlossen, seinem göttlichen Vorbild nachzueifern. Im Glauben findet der weltfremde junge Mann einen Sinn und ist fest überzeugt, dass Gott seine Wege leiten wird. Als er Familienvater Benno (Sascha Alexander Geršak, Bad Banks) kennenlernt und von ihm aufgenommen wird, wähnt Tore sich zunächst im Glück. Doch der großherzige Benno entpuppt sich als Tyrann, der seine Familie mit eiserner Hand regiert und im demütigen Tore das perfekte Opfer für seine sadistischen Triebe gefunden hat.

„Verstörend“ ist ein Prädikat, das Horrorfilmen viel zu leichtfertig zugeschrieben wird – zum Langfilmdebüt von Regisseurin Katrin Gebbe (Pelikanblut) jedoch passt es perfekt. Die junge Filmemacherin bewegt sich fernab ausgetretener Pfade und zeigt mit Tore tanzt, wie kraftvoll, mitreißend und provokant deutschsprachiges Kino sein kann. Tore tanzt verliert sich nicht in Gewaltexzessen und tut dennoch weh. Gerade die Beiläufigkeit, mit der die körperlichen wie seelischen Misshandlungen stattfinden, und ihre unaufgeregte Inszenierung führen an den Rand des Erträglichen.

Perfide ist vor allem die Dynamik zwischen Hobby-Sadist Benno und Jesus-Freak Tore, der in dem cholerischen Familienvater seine persönliche Prüfung gefunden zu haben glaubt und den Misshandlungen mit radikaler Liebe begegnet – und mit einer geradezu provokanten Passivität. Ob sein Peiniger genüsslich eine Katze in der Regentonne ersäuft oder ihn verschimmeltes Hähnchen aus dem Müll essen lässt, Tore wehrt sich nicht und stachelt Benno damit zu immer neuen boshaften Fantasien an.

Was als klassisches Sozialdrama zu beginnen scheint, wächst sich nach und nach zu einer modernen Passionsgeschichte aus, die gerade in ihrer Ambivalenz verstört. Tore tanzt ist eine Herausforderung, denn zum körperlichen Unwohlsein gesellt sich ein zwiespältiger Blick auf den Protagonisten, der zwischen mutigem Opfer und religiösem Fanatiker chargiert. Für welche Lesart sie sich entscheiden, bleibt letztlich den Zuschauer:innen überlassen – für Glücksgefühle sorgt aber definitiv keine von beiden. [Catherin]

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Seid gegrüßt, Ich habe unzählige Namen und erscheine in vielen Gestalten. Hier kennt man mich als Dark Forest und ich bin euer Gastgeber. Ich führe euch durch die verwinkelten Bauten, düsteren Wälder und verfallenen Ruinen. Immer mir nach!

...und was meinst du?