Cat-III-Filme aus Hongkong – Empfehlungen aus der Redaktion
Heute widmen wir uns dem berühmt-berüchtigten Cat-III-Rating aus Hongkong. Drei unserer Autor:innen haben ihre Sammlungen durchwühlt und präsentieren euch ihre persönlichen Empfehlungen.
Das sagenumwobene Category-III-Rating ist im Grunde nichts anderes als FSK 18 – eine jugendschutzrechtliche Einstufung von Filmen, nur eben aus Hongkong. 1988 als einheitliches Bewertungssystem für Filme eingeführt, wird das Label vergeben, wenn Filmschaffenden gewisse Grenzen überschreiten: wie zum Beispiel expliziter, simulierter Sex, die direkte Nennung einer Triade und deren Rituale, grafische (sexualisierte) Gewaltdarstellungen oder gesellschaftliche Tabus wie Kannibalismus.
Schnell erlangte das Rating einen besonderen Ruf unter Filmfans der härteren Gangart und schon bald wurde Cat III sogar vielfach als Synonym für besonders explizite und grenzüberschreitende Filme aus Ostasien verwendet.
In Hongkong werden dem Rating-System natürlich alle Filme unterzogen, die dort gezeigt werden. Wir wollen uns hier aber auf Hongkong-Produktionen konzentrieren und euch einen Einblick gewähren in die vielfältige Welt des Cat-III-Kinos. Viel Spaß!
Florians Empfehlungen
Ebola Syndrome (1996)
R: Herman Yau
„EBOLA! EBOOOLA! EBOOOLAAAAHAAA!“ brüllt Hongkong-Filmlegende Anthony Wong (Hard Boiled) in seiner Rolle als Kai San, als er durch die Straßen der damaligen britischen Kolonie läuft und versucht die Menschen mit dem tödlichen Virus anzustecken. Groteske Szenen, bei denen man nicht so recht weiß, ob man jetzt lachen soll, darf oder ob einem dieses nicht sowieso im Halse stecken bleibt.
Und es sind unter anderen solchen Szenen, die Ebola Syndrome zu einem der wohl berüchtigtsten Cat-III-Filme machte und denen das Label seinen besonderen Ruf in unseren Gefilden zu verdanken hat – und das vollkommen zu Recht!
Ebola Syndrome dreht sich um Kai San, der nach einem von ihm angerichteten Massaker in Hongkong nach Südafrika flüchtet. Dort kann er als Mitarbeiter in einem China-Restaurant unterkommen. Als er mit seinem Chef zu einem Zulu-Stamm fährt, um an billiges Fleisch zu kommen, vergewaltigt Kai eine im Sterben liegende Stammesangehörige und steckt sich mit Ebola an. Kai gehört jedoch zu den wenigen Menschen, die immun sind gegen das Virus, wodurch er bald nicht nur eine Blutspur durch Südafrika zieht, sondern auch für eine Epidemie sorgt.
Der Hongkong-Streifen liefert in erster Linie das erwartete Cat-III-Buffet aus überbordender Gewalt, Splatter-Szenen, jede Menge Sex, Überspitztheiten, die hin und wieder ins Alberne abzudriften drohen, und eine Konventions- und Tabulosigkeit, die das Hongkong-Kino so besonders machte und den Fortgang der Geschichte stets im Ungewissen hält.
Dabei taucht Ebola Syndrome tief ein in all den Schmutz und die Ekelhaftigkeiten, die die Menschheit zu bieten hat, und setzt sie uns mit einer beeindruckenden Radikalität zum Fraß vor.
Eine wahre Perle für Freunde des Tabu- und Geschmacklosen, die für ihre Reise in die unappetitlichen Abgründe der Filmkunst unter anderem mit einer herausragenden Performance von Anthony Wong belohnt werden.
Seeding of a Ghost (1983)
R: Kuen Yeung
Seeding of a Ghost kommt aus dem altehrwürdigen Studio der Shaw Brothers, zeitweilen das größte Studio der Welt, das im Westen insbesondere durch seine Martial-Arts-/Wuxia-Filme wie Das Todesduell der Tigerkralle größere Bekanntheit erlangte.
Dass die Filmeschmiede auch mit einigen deftigen Beiträgen das Cat-III-Rating prägte, ist in unseren Gefilden weitaus weniger bekannt. Darunter eben auch Seeding of a Ghost von 1983, der die 1988 eingeführte berühmt-berüchtigte Einstufung nachträglich verliehen bekam.
Irene Chou wird Opfer eines Überfalls, bei dem sie vergewaltigt und schlussendlich ermordet wird. Durch eine Reihe von mysteriösen Zufällen findet ihr Ehemann Tang Chou die Leiche in einer heruntergekommenen und entlegenen Villa. Da sich die Exekutive als nicht sonderlich hilfreich herausstellt, beginnt Chou die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Setzt Seeding of a Ghost zunächst auf eine klassische Rape-Revenge-Narration, verfällt der Hongkong-Streifen schon bald dem eigenen Wahnsinn und lässt diesem freien Lauf. Wie viele seiner Cat-III-Geschwister kümmert sich auch der Film von Kuen Yeung herzhaft wenig um Vorhersehbarkeit, Konventionen oder irgendwelche Tabus. Spätestens wenn ein alter Schamane Irene Chous Leichnam in eine Art Liebes-Rache-Göttin verwandelt, beginnt ein unfassbar wilder und spaßiger Irrsinns-Ritt, der vollgestopft ist mit jede Menge Gewalt, Softsex-Szenen, Magier-Duellen und einem herrlich skurrilen Finale, dessen Wahnwitz seinesgleichen sucht.
A Chinese Torture Chamber Story (1994)
R: Bosco Lam
Wer sich von dem Titel einen räudigen und fiesen Folterfilm erwartet, dürfte doch etwas verwundert sein über die humorvolle Wundertüte, die Regisseur Bosco Lam in A Chinese Torture Chamber Story entpackt. Dabei ist schon der Titel der Wuxia-Geisterromanze A Chinese Ghost Story entlehnt und lässt damit erahnen, dass man hier eher Schabernack als grausame Qualen im Sinn hatte.
Ganz in diesem Sinne beginnt der Film auch mit einem Gerichtsprozess wegen Mordes durch einen explodierten Penis und gibt damit ganz klar die Marschrichtung vor. Die Angeklagte Shaw (Yvonne Yung, Ancient Chinese Whorehouse), die von allen nur Little Cabbage genannt wird, soll ihren Ehemann ermordet haben, doch beteuert eisern ihre Unschuld. Dementsprechend schreckt der Richter auch vor Foltermethoden nicht zurück, um den Willen der jungen Frau zu brechen – denn hinter allem steckt wesentlich mehr, als man zunächst vermuten würde…
A Chinese Torture Chamber erzählt nun in Rückblenden wie Little Cabbage in diese missliche Lage geraten konnte. Tonal geht Bosco Lam dabei äußerst erratisch zu Gange und changiert zwischen albernen Peniswitzen und durchaus deftigen Folterszenen, die zwar für die Gorehounds nichts Neues bereit halten, aber im Kontext der luftig-lockeren Inszenierung dennoch dezent verstörend wirken. Aber im Cat-III-Kino Hongkongs ist alles erlaubt, was Kohle bringt, und das sind offenbar absurd überspitzte Gewalt, jede Menge Sexszenen und Sinn für einen absurden wie auch überaus morbiden Humor.
Spätestens wenn losgelöst von der Story ein paar luftige Wuxia-Kampf-Sex-Szenen eingebaut werden, bei der Spezialattacken wie „Wonder Screw“ laut gebrüllt werden müssen, damit sie ihre Wirkung entfalten, die Ernsthaftigkeit eines Antrages mittels Nackt-über-ein-Nagelbrett-Rollen bewiesen werden muss und die Töpferszene aus Ghost – Nachricht von Sam als Masturbationsszene parodiert wird, weiß man woran man ist. Hier regiert der Wahnsinn und das ist gut so.
Mathias‘ Empfehlungen
The Untold Story (1993)
R: Herman Yau
Eines Tages werden am Strand von Macau die Überreste einer Leiche angespült. Nach längeren Ermittlungen kann die Polizei den Restaurantbesitzer Wong Chi–hang als Mörder stellen, dessen Spezialität Fleischbällchen aus Menschenfleisch sind. Mit ausufernden Foltermethoden bringen ihn die Beamten schließlich dazu, seine Untold Story zu erzählen.
Danny Lees auf wahren Begebenheiten basierender The Untold Story gilt bis heute aufgrund seines extrem harten und schonungslosen Finales, als einer der umstrittensten Filme, die in die Cat-III-Wertung fallen. Das rührt daher, dass Lees Werk den Mord an einer gesamten Familie, in all seiner Grässlichkeit zelebriert und für einen Schlag in die Magengrube sorgt. Auch wenn viele Gewalttaten im Off passieren, reicht das Gezeigte völlig, um keinerlei Zweifel an der Skrupellosigkeit Wongs zu lassen. Gespielt wird dieser von Anthony Wong (Infernal Affairs), der dem Wahnsinn verfallen Killer so überzeugend darstellt, dass es erschreckend ist. Sein Spektrum geht dabei vom unterkühlten Psychopathen bis hin zur wild gewordenen Bestie, die ohne Rücksicht auf Verluste vergewaltigt, mordet und verstümmelt. Anthony Wong ist ein Star des düsteren Hongkong-Kinos, denn er steigert sich regelmäßig in seine Rollen hinein und kann sein Publikum in die Abgründe der Menschlichkeit entführen.
Aufgelockert wird dieses drückende Meisterwerk von Cat-III-typischem Slapstick und überzeichneten Figuren auf Seiten der Polizei. Wie in vielen Cat-III-Produktionen wird man jedoch auch mit Sexismus und Frauenfeindlichkeit konfrontiert, die oft für billige Witze missbraucht werden. So scheint es selbstverständlich, dass der Polizeichef Prostituierte mit zum Dienst bringt oder sich eine Beamtin dreiste Sprüche über ihre Oberweite gefallen lassen muss. Da The Untold Story einige dieser Momente hat, sei es jedem selbst überlassen, sich damit zu arrangieren.
Wer erste Einblicke in die groteske Welt von Cat-III-Filmen erleben möchte, der ist mit The Untold Story sehr gut beraten, da der Film sowohl die Härte als auch den schrägen und für unsere Sehgewohnheiten oft deplatziert wirkenden Humor bietet. Ist die Begeisterung dafür aber erstmal entfacht, ist die Belohnung dafür ein schonungsloses Meisterwerk.
Men Behind the Sun (1988)
R: Mou Tun-fei
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Einheit 731 der kaiserlichen Armee Japans, menschenverachtende Experimente an Kriegsgefangenen und der chinesischen Zivilbevölkerung vorgenommen. Men Behind the Sun basiert auf diesen Kriegsverbrechen und erzählt die Geschichte rund um einen Trupp junger Kadetten, die Zeuge dieser Grausamkeiten werden. Auf diese Art soll ihnen jegliche Menschlichkeit und emotionale Einfühlsamkeit abtrainiert, eine skrupellose Armee geschaffen und der Sieg Japans sichergestellt werden. Ob diese Experimente so wirklich stattgefunden haben, kann nicht ganz belegt, aber auch nicht dementiert werden, denn die besagte Einheit, dessen Existenz 2002 durch Japan bestätigt wurde, vernichtete nach Kriegsende sämtliche Dokumente beziehungsweise noch verwendbares Archivmaterial ist bis heute unter Verschluss. Das Besondere im Vergleich zu anderen Cat-III-Filmen ist, dass er nicht allein in Hongkong, sondern in Co-Produktion mit dem verfeindeten China produziert wurde und den Auftakt der Cat-III-Bewertung darstellt. Hiermit startet eine Reihe von einzigartigen und auch grenzüberschreitenden Erwachsenenfilmen.
Dass Men Behind the Sun einer dieser Filme ist, der Grenzen überschreitet, zeigt Regisseur Mou Tun-fei mit seinem halbdokumentarischen Stil, insbesondere bei der Darstellung der Gewalt am menschlichen Körper. Zu sehen sind Experimente mit Unterdruckkammern, eingefrorene Gliedmaßen, deren Haut bis zum blanken Knochen abgezogen wird, oder auch Obduktionen am lebenden Körper, deren Grausamkeit immer wieder mit echten Kriegsaufnahmen verstärkt werden. Schwer zu verdauen ist ebenso eine Obduktionssequenz an einer erst kürzlich verstorbenen Kinderleiche sowie eine Einstellung, in der Tiersnuff zu sehen sein könnte. All diese Sequenzen werden von der Tonalität her kühl und dokumentarisch gezeigt, weshalb jegliche Ruhepausen oder gar Erlösung der Opfer ausbleiben. Trotz dieser unschönen Tatsachen ist Men Behind the Sun ein knallhartes Brett, das seinesgleichen sucht. Von der ersten Minute an wird das Publikum schockiert, provoziert und emotional ausgesaugt und schlussendlich mit einem Schlag in die Magengrube zurückgelassen.
Dream Home (2010)
R: Pang Ho-cheung
Der Traum einer eigenen Wohnung. In der Metropole Hongkong scheint dieser für Cheng Li-sheung (Josie Ho, Contagion) zum Greifen nah, als sie es endlich geschafft hat, das dafür notwendige Geld anzusparen. Jedoch machen die Eigentümer einen Rückzieher, weil Cheng wegen eines Staus zu spät zur Unterschrift des Vertrages kommt. Da brennen der sowieso schon gestressten Frau die letzten Sicherungen durch und sie beschließt skrupellos alle Hindernisse zwischen ihr und ihrer Traumwohnung zu beseitigen.
Dream Home ist ein überzeichneter und satirischer Splatterfilm, der die Wohnungsknappheit in Hongkong anprangert und aufarbeitet. Visuell zeigt er das seinem Publikum gleich zu Beginn in Form von riesigen, anonymen und tristen Betonfassaden der begehrten Wohnkomplexe, die den Zuschauer:innen optisch bereits klarmachen, dass es sich nicht um Luxusapartments handelt, sondern um einfachste Behausungen. Es ist ein harter Kampf, der hier um Wohnraum gefochten wird und Cheng lässt sich auch nicht lange bitten und kämpft mit gnadenloser Brutalität für ihren Traum. Die Morde sind heftig und überzogen und unterstreichen damit den Kern von Dream Home. Durch Rückblenden in Chengs Vergangenheit wird die Beziehung zu ihrem kranken Vater näher beleuchtet, so dass wir die Figur besser kennenlernen und man ihre Verzweiflung nachvollziehen kann.
Dream Home ist ein knallharter Splatterfilm, der mit einem ernsten Thema aufwartet und hochwertig inszeniert, einen starken, modernen Ableger des Horrrokinos mit der Cat-III-Freigabe aus Hongkong darstellt – und damit zeigt, dass Cat-III-Produktionen auch lange nach ihrer Hochphase in den 1990ern noch lange nicht Tod sind.
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