Die Schwestern des Bösen
Kritik

Die Schwestern des Bösen (1973) – Review

Bevor Brian De Palma mit Filmen wie Carrie, Scarface oder Mission: Impossible zu Weltruhm gelangen sollte, schuf er mit Die Schwestern des Bösen schon früh in seiner Karriere eine im Œuvre des Regisseurs häufig übersehene Filmperle, die bereits alle späteren Stärken des Filmemachers in sich vereint. Wir haben uns für euch mit in die Wohnung der Schwestern getraut.

Originaltitel: Sisters
Land: USA
Laufzeit: 92 Minuten
Regie: Brian De Palma
Drehbuch: Brian De Palma, Louisa Rose
Cast: Margot Kidder, Jennifer Salt u.a.
VÖ: Seit 16.07.2020 als Mediabook im Handel

Inhalt

Bei einem gemeinsamen TV-Auftritt lernt das Fotomodell Danielle Breton (Margot Kidder, Jessy – Die Treppe in den Tod) den Werbeexperten Phillip kennen. Nach einem gemeinsamen Dinner lädt sie den Mann zu sich nach Hause ein und sie verbringen die Nacht miteinander. Am nächsten Morgen beobachtet Grace Collier (Jennifer Salt, Hi Mom!), eine Nachbarin von Danielle, wie Phillip in deren Wohnung brutal ermordet wird. Die alarmierte Polizei kann in Danielles Wohnung jedoch keinen Hinweis auf ein Verbrechen finden und schenkt Grace keinen Glauben. Die junge Journalistin stellt daraufhin eigene Ermittlungen an und kommt schon bald einem düsteren Geheimnis auf die Spur…

Kritik

Der Blick als Instrument der Macht. Kein anderes Thema ist in den Filmen von Brian De Palma so omnipräsent und vielfältig behandelt worden wie dieses. Ob in Hi, Mom!Der Tod kommt zweimalDressed to Kill oder eben Die Schwestern des Bösen: Voyeurismus – und die Machtstrukturen, die er heraufbeschwört – ist nicht nur Dreh- und Angelpunkt der Handlung, sondern wird zum zentralen Mechanismus für De Palmas Art, Filme zu inszenieren. In Die Schwestern des Bösen zeichnet sich dies konkret dadurch aus, dass die eigentliche Hauptfigur des Films erst in dem Moment in Erscheinung tritt, in dem sie überzeugt davon ist, Zeugin eines Gewaltverbrechens geworden zu sein. Schon hier benutzt De Palma versiert das Mittel des Split-Screens, um durch eine multi-perspektivische Anordnung des Geschehens die Rollenverteilung zu verschieben und die Sicht auf die kommenden Ereignisse vermeintlich freizulegen.

Die Schwestern des BösenWohin genau die Reise gehen wird, bleibt in Die Schwestern des Bösen dann aber lange Zeit ungewiss. Die Strippenzieher werden als solche erst spät erkennbar – hier spannt De Palma gen Ende des Films einen Bogen zu der ersten Szene, in der ein Mann in einer TV-Show einer Frau beim Entkleiden zuschaut und Kandidaten der TV-Show erraten sollen, was der Mann tun wird. Nutzt er die Situation aus, um die Frau nackt zu sehen? Oder wendet er den Blick ab oder macht sich gar bemerkbar? Im ersten Moment wird jedoch für den Zuschauer nicht klar, dass es sich um eine TV-Show handelt; erst wenn die Kamera aus der Szenerie rausfährt und den Blick auf einen Fernsehbildschirm preisgibt, offenbart sich die bewusste Irreführung. Das Spiel mit dem machtbeladenen Blick ist also ein doppelbödiges, wenn sich die bewusste Täuschung des Zuschauers als solche erst später offenbart und somit die vorher sicher geglaubten Machtverhältnisse neu formiert. Der Film selbst spielt in der Folge immer wieder mit dieser Doppelbödigkeit, indem er einerseits durch den großzügigen Einsatz von Split-Screens unterschiedlichste Winkel einer Szenerie und somit einen umfangreichen Überblick über die Geschehnisse bietet, anderseits jedoch in entscheidenden Momenten den Blick auf die Entschlüsselung des Rätsels verwehrt. Die Schwestern des Bösen gelingt es dadurch bis zum Ende, die wahren Hintergründe um den anfangs klar scheinenden Mordfall unter Verschluss zu halten.

Die Schwestern des BösenWährend der Film rund die erste Stunde lang gemächlich und stringent auf die Auflösung zusteuert, entfesselt De Palma dann in den letzten 20 Minuten einen lynchesken Strudel audiovisueller Überfrachtung, der einen extremen formalen Bruch zum Rest des Films darstellt. Erneute Split-Screens und extreme Nahaufnahmen treffen auf eine unübersichtliche Konfrontation von (falschen) Erinnerungen, Träumen und Gewalt und verschwimmen zu einem undurchdringbaren Zustand des Wahnsinns, in dem plötzlich alle vorherigen Erkenntnisse in Frage gestellt werden. Dies ist nur konsequent, waren doch die vorherigen Errungenschaften bei der Ermittlung in dem Mordfall ebenfalls Schlussfolgerungen aus der Unvollständigkeit des Blicks, die ein klares Durchschauen der Hintergründe unmöglich gemacht haben.

Fazit

Die Schwestern des Bösen ist ein früher Film Brian De Palmas, der bereits viel in sich vereint, was später zu unverkennbaren Markenzeichen des Regisseurs werden sollte. Eine große Portion hitchcock’scher Inszenierung trifft auf Anleihen des Giallo und verpackt darin De Palmas Lieblingsthemen Voyeurismus, psychische Störungen, Sexualität und das Abdriften in Gewalt. Heraus kam dabei ein Film, der auf verspielte aber keineswegs fahrlässige Weise mit der persönlichen „Sicht auf die Dinge“ experimentiert und damit ein spannungsgeladenes Fundament für die späteren Filme des Regisseurs legt. Denn wenn man denkt, Die Schwestern des Bösen durchschaut zu haben, ist da am Ende doch noch wieder der geheimnis-beschwörende, beobachtende Blick.

 

Bewertung

Grauen Rating: 3 von 5
Spannung Rating: 4 von 5
Härte  Rating: 2 von 5
Unterhaltung  Rating: 4 von 5
Anspruch  Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Seit dem 16.07.2020 als Mediabook im Handel:

Bildquelle: Die Schwestern des Bösen © Koch Media

Horrorfilme sind für mich die beste Möglichkeit, die Grenzen des Zumutbaren und des eigenen Sehvergnügens auszuloten und neu zu definieren. Außerdem gibt es kaum ein anderes Genre, das so viele verschiedene gute Ideen, Möglichkeiten und Geschichten hervorbringen kann, da, ähnlich wie im Science-Fiction, einfach alles möglich ist. Es ist faszinierend, wie stark einen gute Horrorfilme in ihren Bann ziehen können und dabei sowohl schockieren als auch unterhalten.

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