Aniara (2018) – Review
In Aniara, dem ersten Film der schwedischen Filmemacher Pella Kagerman und Hugo Lilja, werden wir auf eine dunkle und nihilistische Odyssee ins Weltall geschickt. Wir haben uns für euch mit auf die trostlose Reise gemacht.
Originaltitel: |
Aniara Schweden 106 Minuten Pella Kågerman, Hugo Lilja Pella Kågerman, Hugo Lilja Emelie Garbers, Bianca Cruzeiro u.a. Versepos „Aniara“ von Harry Martinson Ab 14.02.2020 im Handel |
Inhalt
Der Klimawandel hat die Erde in einen für Menschen unbewohnbaren Planeten verwandelt. Um den Erhalt der Spezies dennoch zu gewährleisten, soll ein erlesener Kreis an Menschen auf den Mars umgesiedelt werden, um dort ein neues Leben zu beginnen. Auf dem Weg zum Mars wird das gigantische Passagierschiff Aniara jedoch von Weltraumschrott getroffen und kommt daraufhin vom Kurs ab. Ohne verbleibenden Kraftstoff gleitet die Aniara daraufhin ab in die dunkle, leere Trostlosigkeit des Alls…
Kritik
Konsum. So leicht lässt sich wohl die Quintessenz von Aniara beschreiben. Und so schnell, wie man die offensichtliche Kritik daran bemerkt, so schnell könnte man versucht sein, den Film irrtümlicher Weise als vorhersehbar und langweilig abzustempeln. Glücklicherweise verbirgt sich hinter dieser Grundthematik dann aber doch noch einiges mehr.
Denn Aniara konfrontiert uns nicht nur mit der, in Zeiten hitziger Klimadebatten umso brisanteren Frage nach den Auswirkungen des Höher-Schneller-Weiter-Drangs der Menschheit, sondern hält uns mit Aufforderung zur Selbstreflexion auch den Spiegel vor. Dabei geht Aniara zu keinem Zeitpunkt ausschließlich anklagend mit erhobenem Zeigefinger vor; stattdessen erzeugt er Situationen, die dazu anregen, die eigenen Standpunkte kritisch zu hinterfragen. Während die endlose Reise des Passagierschiffs voranschreitet, ergeben sich im Laufe der Zeit immer wieder neue Strukturen und Situationen, die auf den ersten Blick sehr abstrus wirken, aber bei genauerer Betrachtung in komprimierter Form nur jene Sonderheiten repräsentieren, die wir auch auf unserem Planeten finden. Machtstrukturen, Klassenordnungen und neue Religionen sind einige dieser Aspekte.
Dabei ist Aniara vom optimistischen Anfang (aus Sicht der Passagiere) bis zum nihilistischen Ende von einer seltsam gekünstelt wirkenden Hektik durchzogen und mit einer durchweg negativen Attitüde der Figuren behaftet. Die Kälte des Alls findet sich auch unter den Menschen wieder, die von dem unabänderlichen Gleiten in die Tiefen des Weltalls von der Sinnlosigkeit ihres jetzigen Seins geplagt werden. Die endlos trostlose Frage, die Aniara unweigerlich aufwirft, ist: Wäre das ursprünglich angestrebte Leben in genau dieser Form, nur eben auf der Oberfläche des Mars, auch nur annähernd erfüllter als das jetzige? Wohl kaum. Und dennoch sehnen sich die Menschen an Bord des Schiffs nach ihrem festen Platz im Universum.
Diese von Grund auf pessimistische, lebensmüde und antriebslose Stimmung ist definitiv die größte Stärke des Films. Die Fragen nach der Sinnlosigkeit des Seins und dem Ansporn für ein erfülltes Leben sind dabei keineswegs neu. Aniara schafft es jedoch, diese neu zu kontextualisieren, indem der Film ein Szenario erschafft, das so trist und elend ist, dass es augenscheinlich keinerlei Grund dafür gibt, die lebenserhaltenden Maßnahmen am Laufen zu halten. Hinter der Fassade offenbart sich dann aber, dass sich das Leben der Menschen auf der Aniara von dem unseren in Wirklichkeit doch eigentlich ausschließlich durch die eingeengte Bewegungsfreiheit unterscheidet.
So bemerkenswert und interessant wie diese ganzen Ansätze auch sind, so schafft es Aniara auf rein erzählerischer Ebene leider nicht, der Größe seiner Ideen gerecht zu werden. Durch die immer größer werdenden Zeitsprünge wirkt die gesamte Handlung sehr episodenartig, worunter die erzählerische Kohärenz im späteren Verlauf des Films immer stärker leidet. Diese auch thematisch teilweise gänzlich verschiedenen Abschnitte sorgen zwar für einen weiten Einblick in das Leben auf dem Passagierschiff im Verlauf der Zeit, lässt aber ab einem gewissen Punkt den roten Faden beinahe komplett verschwinden, was es spätestens im letzten Drittel dann doch stellenweise sehr schwer macht, bei der Stange zu bleiben. Indem man den Film entweder um zwei, drei solcher Zeitsprünge gekürzt oder aber mit einer klareren Struktur versehen hätte, würde sich das gesamte Seherlebnis wohl deutlich runder anfühlen.
Fazit
So bleibt von Aniara zwar unterm Strich ein durchweg positiver Eindruck, der aber leider durch einen fehlenden roten Faden im Drehbuch besonders im letzten Drittel stark getrübt wird. Diese narrative Schwäche ist wohl dem Umstand geschuldet, dass es sich um eine Verfilmung des gleichnamigen Versepos von Harry Martinson handelt, das in seiner Erzählweise ebenfalls sehr fragmentarisch ist. Der Autorin Pella Kågerman und dem Autor Hugo Lilja gelang also eine filmische Umsetzung, die sich sehr nah an der Vorlage orientiert, aber übertragen auf das Medium Film leider einige Schwächen in sich birgt. Die Ansätze und die nihilistische Wirkung ihres gemeinsamen Regiedebüts sind aber dennoch bemerkenswert und machen Lust auf kommende Arbeiten der beiden Filmemacher. Denn letztendlich ist es auch nur konsequent, dass sich der Film Aniara stellenweise immer wieder merkwürdig haltlos anfühlt, ohne festen Boden unter den Füßen, ziellos in der dunklen Schwebe hängend, mit wirren Gedanken in endloser Leere allein gelassen. Trübsinnig und trostlos. Also genau wie das Raumschiff Aniara. Und somit auch genau wie wir als dessen Passagiere.
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Ab 13.02.2020 im Handel:
Bildquelle: Aniara © EuroVideo Medien GmbH