Der Mieter
Kritik

Der Mieter (1976) – Review

Nach seinen beiden äußerst erfolgreichen und positiv aufgenommenen Filmen Ekel und Rosemaries Baby widmete sich Roman Polanski 1976 noch einmal dem Motiv des Mietwohnungs-Horrors und schuf mit Der Mieter einen mehr als würdigen Abschluss seiner Mieter-Trilogie.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:
Vorlage:

Le locataire
Frankreich
125 Minuten
Roman Polanski
Gérard Brach, Roman Polanski
Roman Polanski, Isabelle Adjani u.a.
Roman „Le locataire chimérique“ von Roland Topor

Inhalt

Der zurückhaltende und schüchterne Trelkovsky (Roman Polanski), ein Büroangestellter mit polnischer Abstammung, möchte in Paris in eine Wohnung im vierten Stock eines Altbaus einziehen. Der knausrige Vermieter Monsieur Zy (Melvyn Douglas) kann ihm die Wohnung jedoch noch nicht verbindlich überlassen, da die junge Vormieterin Simone Choule nach einem Sprung aus ihrem Fenster schwer verletzt im Krankenhaus liegt. Kurz nachdem Trelkovsky sie im Hospital besucht, ereilt ihn die Nachricht von Simones Tod und so bezieht er endgültig das Appartement der kürzlich Verstorbenen. Schon bald nach seinem Einzug häufen sich allerdings Beschwerden über ihn und angebliche nächtliche Ruhestörung. Schon bald wittert Trelkovsky einen perfiden Komplott gegen ihn, der so ungeheuerlich scheint, dass es ihn langsam aber sicher an den Rand des Wahnsinns bringt…

Kritik

Im Fokus von Der Mieter steht also erneut der geistige Verfall einer Person in den Fängen der eigenen vier Wände als bösartiger Mikrokosmus. Sein Abschluss der Mieter-Trilogie vereint im Kern das Beste aus den bereits eingehend erwähnten Vorgängerfilmen Ekel und Rosemaries Baby, indem er einerseits eine mögliche Verschwörung gegen den Protagonisten thematisiert und andererseits das Verschwimmen zwischen Realität und Wahnsinn in den Vordergrund stellt. Bei Kenntnis der vorherigen beiden Filme könnte Der Mieter zwar auf den ersten Blick nur wie ein erneuter Aufguss des Mietwohnung-Szenarios wirken, das in den beiden geistigen Vorgängern von Polanski bereits zur Perfektion geführt wurde, allerdings büßt er glücklicherweise nichts von seiner Intensität und verstörenden Wirkung ein.

Der Mieter

Allein die erste Szene, ein langer Kameraschwenk durch den Innenhof, bei dem Einblick in beinahe jedes zum Hof reichende Zimmer des Miethauses gewährt wird, überzeugt durch ihre präzise Ausführung und Sogwirkung. Gleichzeitig impliziert bereits diese Kamerafahrt direkt zu Beginn, dass der von Polanski verkörperte Trelkovsky in seiner neuen Wohnung schutzlos den feindselig gesonnen Augen und Launen seiner Nachbarn ausgesetzt sein wird.

Wenngleich die erste Hälfte des Films noch sehr gemächlich und zurückhaltend erzählt wird, häufen sich bereits hier bizarre Vorfälle, die Trelkovsky in ständiges Unbehagen versetzen. Polanski selbst brilliert in der Darstellung des zaghaften und befangenen Sonderlings, indem er die schleichenden Übergänge von verdutzter Verunsicherung über Argwohn und aufkeimender Wut bis hin zu wahnhafter Paranoia bravourös schauspielert. Es ist indes keineswegs verwunderlich, dass Polanski selbst hier in die Rolle der Hauptfigur schlüpft, behandelt Der Mieter doch erneut auch autobiografische Anleihen aus dem Leben des Regisseurs. Das Gefühl des Allein-Seins und der Hilflosigkeit in einer feindlich gesinnten Außenwelt lässt sich sicherlich auf die Auswirkungen Polanskis KZ-Inhaftierung als Kind und dem damit verbundenen Verlust von Mutter und Vater zurückführen.

Der Mieter

Aber selbst ohne den Bezug zu Polanskis Leben weiß Der Mieter als verstörender Psychothriller in beinahe jeder Hinsicht zu punkten. Wie keinem Zweiten gelingt es dem Meisterregisseur, nach dem ruhigen Einstieg eine immer düstere und von schrecklichen Ahnungen geplagte Atmosphäre der Paranoia und Beklemmung zu erzeugen. In der wohl gruseligsten Szene des Films wandelt Trelkovsky im Fieberwahn durch die finsteren Gänge des Altbaus, gefangen in surrealer und bedrohlicher Architektur, um nach einer ersten schockierenden Entdeckung Zeuge einer noch weitaus verstörenderen Erscheinung zu werden. Wie schon in Ekel glänzen die Szenen, in denen Realität und Wahnsinn verschwimmen, um zu einer düsteren Manifestierung des abgleitenden Verstandes der Hauptfigur zu werden. Ein großer Pluspunkt sind hier erneut die beeindruckenden handgemachten Effekte. Polanskis handwerkliches Geschick und seine ausgeklügelte Raffinesse bei der Inszenierung atmosphärischer, unheimlich anmutender Szenen sorgt gleichermaßen für wohliges Schaudern, beklemmende Anspannung und sehnsüchtiges Lechzen nach Erlösung aus dem von Paranoia durchwucherten Albtraum.

Der Mieter

Fazit

Obwohl Roman Polanskis Der Mieter sich in vielen Punkten an den Erfolgsrezepten der früheren Filme Ekel und Rosemaries Baby bedient, braucht sich sein Abschluss der Mieter-Trilogie in Sachen Spannung, Bedrückung und der gewissen Portion Genie keineswegs hinter seinen beiden großen Vorreitern verstecken. Was in den Vorläufern bereits perfektioniert schien, wird hier auf präzise und routinierte, doch keineswegs ausgelutschte oder verbrauchte Art, meisterhaft zu Ende geführt. Wenn auch weniger bahnbrechend, so weiß Der Mieter dafür umso versierter mit bizarren Einfällen und einem unnachahmlichen Gespür für das Zeichnen des wahrhaftigen Grauens im Kopf auf ganzer Linie zu überzeugen.

 

Bewertung

Grauen Rating: 4 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 2 von 5
Unterhaltung  Rating: 4 von 5
Anspruch  Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 5 von 5

Bildquelle: Der Mieter © Paramount Home Entertainment

Horrorfilme sind für mich die beste Möglichkeit, die Grenzen des Zumutbaren und des eigenen Sehvergnügens auszuloten und neu zu definieren. Außerdem gibt es kaum ein anderes Genre, das so viele verschiedene gute Ideen, Möglichkeiten und Geschichten hervorbringen kann, da, ähnlich wie im Science-Fiction, einfach alles möglich ist. Es ist faszinierend, wie stark einen gute Horrorfilme in ihren Bann ziehen können und dabei sowohl schockieren als auch unterhalten.

...und was meinst du?