Rabid (2019) – Review
Nachdem sie ihren Namen inzwischen schon mit teils mehr, teils weniger ruhmreichen Beiträgen im Genre etabliert haben, präsentieren die Soska Sisters (American Mary) das gleichnamige Remake des Cronenberg-Klassikers Rabid. Wir hatten die Gelegenheit die erstaunlich souveräne Adaption beim /slash Filmfestival in Augenschein nehmen zu dürfen.
Originaltitel: |
Rabid Kanada 107 Minuten Jen Soska, Sylvia Soska John Serge, Jen Soska, Sylvia Soska Laura Vandervoort, Stephen Huszar, Lynn Lowry u.a. Ab 25.10.201900 im Handel |
Inhalt
Rose (Laura Vandervoort, Jigsaw) arbeitet als Designerin und Schneiderin für ein Modelabel. Vom Chef wird sie kritisiert, von vielen ArbeitskollegInnen, mit Ausnahme ihrer engen Freundin Chelsea (Hanneke Talbot, Ready or Not), kaum wahrgenommen. Generell ist sie für ihre Branche außergewöhnlich in sich gekehrt und scheint sich nicht recht wohl in ihrer Haut zu fühlen. Als sie durch einen Autounfall grotesk entstellt wird, bringt sie das an den Rand des Zusammenbruchs, bis Chelsea sie zu einer experimentellen Therapie überredet, die verspricht, ihr Gesicht wiederherzustellen. Tatsächlich gelingt der Eingriff nicht nur, Rose ist anschließend fast schöner als zuvor und wirkt auch in Schaffenskraft und Selbstbewusstsein massiv erstarkt. Wie sie bald feststellen muss, hat die neuerrungene Stärke aber ihren Preis, denn die Nach- und Nebenwirkungen des Eingriffs haben es in sich. Die ominöse Zwangsdiät und reichlich bizarre Albträume sind dabei noch die harmloseren Übel.
Kritik
Wenn Rabid nach einer etwas zähen Anfahrtszeit langsam in die Gänge kommt, macht er gerade im Mittelteil umso mehr Spaß. Man muss sich etwas gedulden, doch gerade die Anfangsphase der Eskalation der Ereignisse, wenn einem als Zuschauer bewusst wird, was für eine Katastrophe sich aus der maßlos unterschätzen Grundproblematik zu entstehen anschickt, ist enorm unterhaltsam geraten. Die eigentlich bemitleidenswerte Protagonistin Rose arbeitet im Design-Team einer Modelinie namens Schadenfreude (Und ja, der vom Kanadier Mackenzie Gray köstlich skurril verkörperte Modeschöpfer Günter ist Deutscher, auch in der OV fällt das deutsche Wort Schadenfreude sehr häufig) und dieser Name ist zweifelsohne ganz bewusst gewählt. Der abgrundtief boshafte Service an die Schadenfreude des Publikums ist eine der ganz großen Stärken von Rabid. Es ist geradezu faszinierend wie viel Freude es macht, dabei zuzuschauen, wie alle Charaktere des Films an zum Teil völlig unterschiedlichen Enden sich aufspaltender Erzählstränge mit verzweifeltem Optimismus glauben, sie könnten die entstehende Katastrophe noch irgendwie in den Griff bekommen, während man mit dem zuschauerexklusiven Gesamtüberblick schon sehr früh erkennt: „Nee Leute, das kriegt ihr nicht in den Griff!“
Leider konzentriert sich Rabid im Finale nicht mehr auf diese Stärke, sondern verkleinert den Rahmen wieder auf Rose und die Experimentalklinik, die die Wurzel allen Übels scheint. Die gelieferte Aufklärung ist nur bedingt befriedigend, da sie vollkommen übertrieben ist, aber zu stumpf präsentiert wird. Hier wäre weniger vielleicht mehr gewesen, nämlich insofern, auf die detaillierte Erklärung, die maximal klischeehaft vom Bösewicht höchstselbst feierlich dahergebetet wird, einfach zu verzichten. Immerhin werden aber auch in dieser erzählerisch recht missratenen Sequenz noch einige spektakulär scheußliche Ekeleffekte abgefackelt, die nachhaltig Eindruck hinterlassen.
Spektakuläre Effekte sind generell eine auffällige Stärke. Das beginnt schon bei unauffälligeren Tricks wie der Maske von Hauptdarstellerin Laura Vandervoort, der man in der Charaktereinführung ihre Schönheit zwar durchaus anmerkt, das unerträglich verklemmte Mauerblümchen durch ein gekonnt unvorteilhaftes Make-up aber voll abnimmt. Ihr entstelltes Gesicht nach dem Unfall ist hochgradig verstörend, ihre Schönheit nach der Wiederherstellungs-OP geradezu atemberaubend.
Genauso überzeugend arbeiten die Maskenbildner dann auch in den zum Teil gnadenlos derben Gore-Szenen, die dank überwiegend handgemachter Effekte wirklich „schön“ aussehen. Auch wenn Rabid mit visuellen Scheußlichkeiten nicht gerade geizt, hätte man sich davon ohne weiteres noch deutlich mehr zu sehen gewünscht, aber in Anbetracht des genregemäß überschaubaren Budgets ist dieser Wunsch wohl geradezu undankbar.
Die sexuellen Komponenten, die in Remake wie Original eine Rolle spielen, fügen sich indes mal mehr, mal weniger stimmig in das Gesamtbild ein. Dass der Beginn der Verwandlung und vor allem die Emanzipation aus Rose einstiger Lämmchen-Persönlichkeit auf ihrem Weg zur scheinbar alleskönnenden Schönheitskönigin mit einem intensiven, sexuellen Erwachen einhergeht, ist absolut schlüssig, aber auch kein innovatives Motiv. Andere Elemente, insbesondere der aus ihrer Achselhöhle ausfahrbare, überlange Penis, erscheinen dann doch eher als wenig notwendiges Kuriosum, das mehr als das Aufwerfen von an dieser Stelle nicht unbedingt bereichernder Fragen kaum liefert. Die Interpretation, dass Rose sich im Rahmen der physischen Verwandlung durch die Fusion beider Geschlechter auch sexuell zu einem Überwesen entwickelt, liegt hier natürlich nahe. Da Sexualität, wenn zum Teil auch gut in die Geschichte eingewoben, aber doch eher ein Nebenschauplatz des großen Ganzen bleibt, wirken solche Ausuferungen dann doch als ein wenig zu viel.
Fazit
Auch wenn Rabid nicht frei von Schwächen ist, etwas schleppend in die Gänge kommt und zum Teil an den falschen Stellen übertreibt, überzeugen die toll in Szene gesetzte Hauptdarstellerin, zusammen mit viel bitterbösem Humor und großartigen Spezialeffekten genug, um am Ende ein sehr unterhaltsames Gesamtwerk zu ergeben. Den Kultstatus des Originals wird dieses Remake bestimmt nicht erreichen, unwürdig ist es aber sicher nicht und Spaß macht es allemal.
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Bildquelle: Rabid © Splendid Film