Tesis – Der Snuff Film (1996) – Review
Alejandro Amenábar, der ein paar Jahre später mit The Others glänzte, konnte schon mit seinem Debütfilm Tesis für Aufsehen sorgen. Das Werk rund um Snuff-Filme gilt auch heute noch als einer der besten Filme des chilenisch-spanischen Regisseurs.
Originaltitel: |
Tesis Spanien 125 Minuten Alejandro Amenábar Alejandro Amenábar, Mateo Gil Ana Torrent, Fele Martínez, Eduardo Noriega u.a. |
Mythos Snuff-Film
Snuff beschreibt Filme, in denen aus kommerziellen Gründen oder rein zur Unterhaltung echte Morde begangen werden. Die Existenz solcher Filme ist bislang nicht mehr als eine moderne Legende und dennoch hält sich der Mythos Snuff-Film hartnäckig. Prächtig gefüttert wurde dieser mit diversen Mondo-Produktionen wie der berühmt-berüchtigten Reihe Gesichter des Todes und später mit verschiedenen Fake-Snuff-Produktionen wie den Guinea–Pig– oder August–Underground-Reihen. Mit äußerst geringen Produktionskosten und der Faszination für die unmittelbare Erfahrung von Tod und Leid entstand somit ein eigener kleiner Markt für vorgetäuschte Snuff-Filme.
Wie der reißerische deutsche Untertitel von Tesis – Der Snuff-Film verrät, begibt sich der damals 23-jährige Alejandro Amenábar (The Others) mit seinem Debütfilm in genau diese Gefilde. Allerdings keineswegs in der Form eines billigen Schockers, sondern als mitreißender Whodunit-Thriller à la Hitchcock, für dessen Story der Snuff-Film im Endeffekt nicht viel mehr ist als ein MacGuffin.
Die titelgebende spanische Tesis ist Ángelas Abschlussarbeit an der Universität, in der sie sich mit Gewalt in Filmen beschäftigt. Für die tiefgreifendere Auseinandersetzung mit dem Thema bittet sie ihren Professor Figueroa, sich im Archiv diesbezüglich umzusehen. Gleichzeitig wendet sie sich auch hilfesuchend an ihren Mitstudenten Chema, der für seine große Sammlung an extremen Horrorfilmen und Pornos bekannt ist. Als Ángela sich am nächsten Tag mit Figueroa treffen will, findet sie diesen tot in einem Vorführraum. Fasziniert vom Tod und neugierig, was ihr Professor wohl vor seinem Tod gesehen hat, stiehlt sie die Videokassette. Das Video zeigt die grausame Folterung und Ermordung einer jungen Frau. Als sie Chema mit dem Inhalt konfrontiert, ist für diesen klar, dass sie es mit einem Snuff-Film zu tun haben…
„Wer sieht sich denn sowas an?“ „Du, zum Beispiel.“
Tesis weiß sein Thema geschickt einzusetzen, um Spannung und eine bedrohliche Atmosphäre aufzubauen. Geradezu meisterlich setzt Amenábar dabei die Tonebene ein. In vielen Einstellungen geht es genau darum, was wir nicht sehen, aber womöglich sehen möchten. Der Film beginnt schon mit einer komplett schwarzen Leinwand und entzieht sich damit unserem Voyeurismus. Eine Stimme aus dem Off verkündet von einem tödlichen Unglück auf den Schienen und bittet die Fahrgäste auszusteigen. Unter ihnen ist auch Ángela, die trotz der Ermahnungen des U-Bahn-Personals versucht einen Blick auf die Tragödie zu erhaschen. Langsam folgt die Kamera des spanischen Kino-Veteranen Hans Burmann Ángelas Bewegung und ihren Blicken, mit jedem Schritt steigert sich die Spannung: Wird unser Voyeurismus befriedigt? Wollen wir uns überhaupt der körperlichen Manifestation des Todes aussetzen?
Auch in Bezug auf das Snuff-Video spielt Amenábar geschickt mit unserer Erwartungshaltung. Als Ángela einen sturmfreien Abend dazu nutzt das geklaute Video zu schauen, erträgt sie dieses nicht und dreht den Kontrast ihres Fernsehers auf null, sodass nur noch der Ton zu hören ist. Selbst als sie das Video zu Chema bringt, wagt sie es nicht hinzuschauen und dreht sich weg. Erst als Chema sie mehrfach auffordert auf keinen Fall hinzusehen, kann sie sich der Faszination nicht mehr erwehren. Dies ist auch der Moment in dem wir als Publikum zum ersten Mal erste Ausschnitte des Videos zu Gesicht bekommen.
Insbesondere in der ersten halben Stunde widmet sich Amenábar sehr ausführlich dieser Faszination des Grauens anhand seiner Hauptdarstellerin, bevor der Film mehr Fahrt aufnimmt und sich seinem Whodunit widmet. Dieser ist ziemlich klassisch erzählt, legt immer wieder ein paar falsche Fährten aus und lässt uns fleißig mit raten, wer schlussendlich Teil des Snuff-Ringes ist. Damit gelingt es Tesis mich über weite Strecken am Ball zu halten und selbst bei einer stattlichen Laufzeit von über zwei Stunden erlaubt sich der Film wenig Leerlauf.
Die Inszenierung wirkt an manchen Stellen noch etwas roh und Amenábars Unerfahrenheit scheint in einzelnen Einstellungen durch. Doch gerade das herausragende Sounddesign macht hier wieder einiges wett, ebenso wie das erwähnte Spiel mit dem, was wir eben gerade nicht sehen. Sehr entgegen kommt dem Film seine Location, jene Universität an der Amenábar selbst zu dem Zeitpunkt studierte. Diese und ein Nachbargebäude können mit einem faszinierenden wie auch absolut gruseligen Tunnelsystem glänzen, das für einige schauerhafte Szenen sorgt.
Fazit
Unterm Strich ist Alejandro Amenábar ein überaus spannender Thriller zum Thema Snuff gelungen und kann besonders mit der ausführlichen Einführung der Charaktere und seines Themas glänzen. Damit erzeugt er eine bedrohliche Stimmung ohne überhaupt einen wahren Antagonisten zu haben – die Existenz des Snuff-Videos ist Bedrohung genug. Ein absolut beeindruckendes Debüt.
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Bildquelle: Tesis – Der Snuff Film © Wicked-Vision Media