The Dark (2018) – Review
Das österreichische Horror-Drama The Dark bewegt sich auf den Spuren von So finster die Nacht. Ein beachtlicher Film über vermeintliche Monster und wahre Monster.
Originaltitel: |
The Dark Österreich 95 Minuten Justin P. Lange Justin P. Lange Nadia Alexander, Toby Nichols, Karl Markovics u.a. |
Hintergrund
The Dark ist eine Mischung, die man so nicht alle Tage sieht. Eine österreichische Produktion unter Führung eines US-amerikanischen Regisseurs gedreht im kanadischen Ontario. Begründet liegt dies in einer Freundschaft aus Studententagen zwischen Regisseur und Drehbuchautor von The Dark Justin P. Lange und seinem österreichischen Mitstudenten Florian Krügel. Nach beendetem Studium kehrte Krügel zwar nach Wien zurück, doch die Freundschaft blieb bestanden, wodurch Lange regelmäßig zwischen Österreich und den USA pendelte und sich in der Alpenrepublik eine Filmfamilie aufbaute. So lag es für den US-Amerikaner nahe, seinen ersten Spielfilm auch mit seinen Freunden und Bekannten in Österreich zu realisieren. Als sein Bekannter Robert Eggers (The VVitch) das Drehbuch las, empfahl er ihm, den Film im kanadischen Ontario zu drehen, wo auch Eggers preisgekrönter Hexenhorror entstand. Die Produktionsvorbereitungen liefen deshalb parallel in Österreich und Kanada an, bis die endgültige Entscheidung fiel, den Film in Nordamerika zu drehen. Auf seine Filmfamilie wollte Lange jedoch trotzdem nicht verzichten und so wurden beispielsweise Florian Krügel als ausführender Produzent und Klemens Hufnagel als Co-Regisseur und Kameramann engagiert.
Auch die Besetzung spiegelt die austro-amerikanische Freundschaft wider. Die beiden US-amerikanischen Jungschauspieler Nadia Alexander (Boarding School) und Toby Nichols (Chasing Ghosts) übernahmen die Hauptrollen und wurden mit Karl Markovics (Die Fälscher) und Margarete Tiesel (Angriff der Lederhosenzombies) von zwei alten Hasen des österreichischen Kinos unterstützt.
Inhalt
Karl Markovics spielt in The Dark den flüchtigen Josef Hofer, der sich auf der Suche nach dem Waldstück Devil’s Den befindet – der Höhle des Teufels. Es gehen jedoch Gerüchte um, dass die Gegend nicht zufällig so heißt, sondern sich dort wirklich ein Monster umtreibt. Schon bald darf Josef dann auch die Bekanntschaft mit dem vermeintlichen Monster machen: der jugendlichen, verwildert wirkenden Mina (Nadia Alexander). Nachdem Mina Josef umbringt und sich an ihm labt, entdeckt sie den eingeschüchterten Alex im Kofferraum von Josefs Auto. Der Junge ist blind und seine Augen sind vernarbt. Er wurde von Josef entführt und später geblendet, weil er sich nicht an seine Regeln gehalten habe, wie Mina später erfährt. Dies ist jedoch nur ein kleiner Teil der Misshandlungen, die Alex erdulden musste. Erfahrungen, die Mina sehr gut nachempfinden kann, hat sie doch selbst eine Geschichte mit Gewalt und sexuellen Übergriffen hinter sich. In Mina erweckt Alex einen Beschützerinstinkt und so machen sich die beiden versehrten Gestalten gemeinsam auf den Weg durch die Wälder …
Kritik
Inspiert wurde The Dark vom schwedischen So finster die Nacht. Autor und Regisseur Justin P. Lange war von dem Horrordrama um Oskar und Eli so fasziniert, dass er der Figurenkonstellation noch einmal mehr Raum geben wollte. Im Gegensatz zur Geschichte von John Ajvide Lindqvist und Tomas Alfredson richtet Lange seinen Fokus jedoch mehr auf das vermeintliche Monster. Wie er in einem Interview erzählte, fragte er sich wie es wäre einen Horrorfilm aus der Perspektive des Monsters zu drehen. Wie wäre Freitag, der 13. aus den Augen von Jason Voorhees?
Um mit dem Monster auch wirklich mitfiebern zu können, braucht es jedoch auch einen passenden Charakter und Mina ist hierfür perfekt. Dramaturgisch ist die Konstruktion der Hauptfigur sehr geschickt gelöst. Wir lernen Mina als Monster kennen und erst mittels Rückblenden erfahren wir, wie sie zudem wurde, was sie ist. Vom Freund ihrer alkoholsüchtigen Mutter wird sie missbraucht, bis sie sich schlussendlich aus ihrem Dasein befreit und in eine Monster-Persona flüchtet. Diese bringt sie in eine Machtposition, in der sie diejenige ist, die über die Körper anderer verfügen kann und sich monströs an ihnen labt. Ohne klare Charakteristika, angesiedelt irgendwie zwischen Zombie, Vampir und Rachegeist. Mina hat sich fast jeglicher Menschlichkeit entledigt, um ihrem grausamen Schicksal zu entfliehen und wurde gleichzeitig selbst zum Monster gemacht. Der Missbrauch machte sie zu einer Aussätzigen und stigmatisierte sie, wie es leider oft auch in unserer Realität der Fall ist.
Mina gelingt es erst in der Gesellschaft von Alex, Menschlichkeit wieder zuzulassen. Für beide Charaktere, die mit Körperlichkeit in erster Linie Negatives verbinden, gipfelt diese Entwicklung in einer sehr emotionalen Szene, in der körperliche Nähe für beide wieder einen heilbaren Charakter bekommt.
Wo So finster die Nacht stark die Mobbingthematik thematisiert, dreht sich The Dark um Missbrauch. Alex wurde von Josef Hofer entführt und musste nach strengen Regeln leben, die im Film nie ausformuliert, aber mehrfach erwähnt werden; Alex‘ Blendung ist das Ergebnis einer Regelübertretung. Auch wenn Alex‘ Martyrium nie explizit gezeigt wird, so webt Lange immer wieder einzelne Szenen ein, die uns das ungeheure Ausmaß erahnen lassen. Gerade in Anbetracht der österreichischen Produktion wurden bei mir auch Assoziationen zu den Fällen Priklopil und Fritzl geweckt, was dem Film noch einmal eine besonders bittere Note verleiht.
Wie bei Alex so wird auch bei Mina auf explizite Darstellungen verzichtet. Lange nicht an einer Ausschlachtung des Themas interessiert, sondern an den Folgen, die solch traumatische Erlebnisse auf Menschen haben können und wie es ihnen möglich ist, damit zu leben.
Bei der Inszenierung ist The Dark um Realitätsnähe bemüht. Trotz der Verortung in der Phantastik bleibt der Film geerdet. Passenderweise nennt hier Justin P. Lange Guillermo del Toro (Pans Labyrinth, The Devil’s Backbone) als Vorbild, der in einigen Filmen ebenfalls sehr düstere Themen mit den Stilmitteln der Phantastik ergründete.
Lange verzichtet dafür beinahe vollständig auf den Einsatz von Filmmusik oder unnatürlichen Kamerafiltern und legt trotz eines sehr beschränkten Budgets sehr viel Wert auf ein glaubhaftes Make-up. Dadurch gelingt es dem Filmteam beim Streifzug der beiden Jugendlichen einige beeindruckende Einstellungen einzufangen. Grundsätzlich ist die erzeugte Atmosphäre in den kanadischen Wäldern phantastisch und ich komme nicht umhin mich zu wundern, wie diese Aufnahmen wohl bei einem Dreh in Österreich ausgesehen hätten.
Unterm Strich ist The Dark ein beachtliches Spielfilmdebüt in der Tradition von Horrordramen wie So finster die Nacht. Der Film nimmt sein Publikum ernst und serviert nicht alle Antworten auf einem Silbertablett. Und auch wenn der Film mit seinen düsteren Themen weit von einem Feel-Good-Movie entfernt ist, so ist Langes Werk weit entfernt von einer nihilistischen Bankrotterklärung der Menschheit. The Dark sucht und findet seine Menschlichkeit in seinen vermeintlichen Monstern.
Bewertung |
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Spannung | |
Atmosphäre | |
Gewalt | |
Ekel | |
Story |
Bildquelle: The Dark © Dor Film