Schneeflöckchen (2017) – Review
Dem deutschen Film eilt ein sehr schlechter Ruf voraus, denn dieser wird zumeist auf die fürchterlichen „Comedy“produktionen, um die üblichen Verdächtigen und miserablen Fernsehfilme, reduziert. Es wird Zeit, Til und Matthias zum Schweigen zu bringen. Sind die ambitionierten Macher hinter Schneeflöckchen dazu in der Lage?
Originaltitel: |
Schneeflöckchen Deutschland 120 Minuten Adolfo Kolmerer, William James Arend Remmers Reza Brojerdi, Erkan Acar, Xenia Assenza u.a. |
In naher Zukunft stoßen die Brüder Tan und Javid auf ein unvollendetes Drehbuch, das sie als Hauptfiguren in das gezeigte Geschehen einbindet. Jede Handlung, jedes Wort ist exakt im Drehbuch enthalten und sie beschließen, den Autor ausfindig zu machen. Sie finden heraus, dass er Zahnarzt ist und konfrontieren ihn mit seinem Werk, in dem nicht nur die Vergangenheit und Gegenwart der Protagonisten verfasst ist, sondern auch deren Zukunft preisgegeben wird. Wie die Geschichte ausgeht, ist jedoch noch offen. Zeitgleich werden sie von Eliana verfolgt, deren Eltern die Brüder ermordet haben.
Die Einflüsse von Schneeflöckchen sind unverkennbar. Von Filmen wie Lammbock über Der blutige Pfad Gottes bis hin zur Handschrift von Quentin Tarantino und Anders Thomas Jensen (Adams Äpfel). Doch Schneeflöckchen ist keine bloße Verbeugung vor seinen Vorbildern, es ist ein Film über das Filmemachen und eine Anklage gegen kreativ-verarmte Großproduktionen.
Tan und Javid erkennen, dass ihr gesamtes Handeln vorherbestimmt ist und versuchen, ihrem Schicksal zu entkommen. Doch selbst diese Versuche sind Teil des Drehbuchs und selbst die Einflussnahme auf den Drehbuchautor kann Bestandteil der großen Geschichte sein. Die Vergangenheit ist abgeschlossen, die Gegenwart festgeschrieben, die Zukunft kann jedoch geändert werden. Doch der Eingriff in den Schreibprozess setzt dem Autor Grenzen. Tan und Javid können als Produzenten fungieren und die Kreativität des Drehbuchautors einschränken, sollte er ihnen im Rahmen der Handlung nicht zuvorgekommen sein. Die Kritik gegen die Beschränkungen des Filmschaffens ist gerade aus Sicht der Filmschaffenden mehr als berechtigt, denn diese Einschränkungen sind vielfältig. Bei der Entstehung von Schneeflöckchen dürfte die Einflussnahme seitens der Produzenten allerdings kein Problem gewesen sein. In einem Interview mit Cinema Strikes Back verriet der Produzent Eric Sonnenburg, dass das Drehbuch um die beschränkten Mittel herum aufgebaut wurde und die Vision des Filmteams entsprechend umgesetzt wurde. Dabei betont er die Wichtigkeit des Teams, dass alle dieselbe Vorstellung bei der Konzipierung des Films verfolgen.
Die Tatsache, dass eine Person abseits des Filmgeschäfts für das Drehbuch verantwortlich ist, ist sehr interessant. Javid bekundet, dass bei einer Verfilmung des Drehbuchs ein sehr ungewöhnlicher Film dabei herauskommen würde. Die Filmemacher eigneten sich autodidaktisch ihre Fähigkeiten an und zeigen, wie viel kreatives Potential abseits des Einheitsbreis in den Kinos liegt. Doch leider steigt mit zunehmendem Bekanntheitsgrad auch der externe Einfluss auf die Filme, denn wie Sonnenburg im Interview erwähnt, ergeben sich die größtmöglichen Freiheiten lediglich beim Debüt. Und im Fall von Schneeflöckchen kann sich dieses wirklich sehen lassen.
Der Film lässt die parallelen Handlungsstränge erst am Ende zusammenlaufen. Zwar schleichen sich dabei gelegentliche Längen ein, doch die Skurrilität der Geschichte vermag es, den Zuschauer zu fesseln. Die Mischung aus Science Fiction, Kriminalfilm und Action mit Dramaelementen ist kreativ umgesetzt und jedem zu empfehlen, der den deutschen Film bereits abgeschrieben hat.
Schon Der Nachtmahr zeigte in jüngerer Vergangenheit, dass der deutsche Genrefilm einige Perlen hervorbringen kann. Leider ist Der Nachtmahr mit extrem wenigen Kopien angelaufen und nahezu untergegangen. Schneeflöckchen etablierte sich hingegen auf diversen Filmfestivals als Überraschungserfolg und genießt schon jetzt einen sehr guten Ruf unter Filmbegeisterten. Schneeflöckchen ist für die begrenzten Mittel erstaunlich gut und überzeugend umgesetzt, bietet eine kreativ ausgearbeitete Geschichte und ist nicht nur Genrefans wärmstens zu empfehlen.
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Story |
Bildquelle: Schneeflöckchen © Capelight Pictures