The First Purge (2018) – Review
The First Purge ist der mittlerweile vierteiligen Filmreihe als Prequel vorangestellt und fokussiert sich mehr denn je auf die politischen Hintergründe und gesellschaftlichen Zusammenhänge der dystopischen Zukunftsvision.
Originaltitel: |
The First Purge Dänemark 98 Minuten Gerard McMurray James DeMonaco Y’lan Noel, Lex Scott Davis, Joivan Wade u.a. |
„They want to kill ourselves. The best way you can destroy a people, you take their ability to reproduce themselves.“
Worte, die Laurence Fishburnes Charakter Furious Styles im Kriminaldrama Boyz n the Hood an Bewohner des kriminellen Ortsteils Crenshaw richtet. Diese Prämisse liegt The First Purge zu Grunde. Der Film demaskiert eine faschistoide Regierung, die sich die Wut in sämtlichen Hierarchien der Gesellschaft zunutze macht, um wirtschaftliche Probleme auszumerzen. Das Establishment tritt nach unten, die sozial benachteiligte Schicht der US-Bevölkerung massakriert sich. So zumindest ist es seitens der neuen Gründerväter angedacht und das kontrovers diskutierte Gedankenexperiment um die Purge wird in Staton Island ausgerufen, einer Insel im Osten Amerikas. Für zwölf Stunden werden dort sämtliche Verbrechen erlaubt und sobald die Sirene ertönt, herrscht das Chaos. Mit finanziellen Anreizen wird die Bevölkerung dazu bewegt, ihrer Frustration und Wut freien Lauf zu lassen, damit die Purge ein voller Erfolg wird und landesweit, einmal jährlich, stattfindet. Doch die Nacht verläuft nicht, wie geplant. Viele bleiben in ihren Wohnungen, andere feiern Partys und nur vereinzelt werden Straftaten begangen. So beauftragen die Befehlshaber eine Söldnerarmee, um für eine erfolgreiche Purge zu sorgen…
Nachdem der erste Teil als Home-Invasion-Thriller daherkam, wurde das Geschehen ab The Purge: Anarchy auf die Straße verlagert und mit steigernde Kreativität bei den Masken und Tötungsszenen stiegen die Logikbrüche, die The First Purge teils aufgreift und Erklärungen präsentiert. Ob diese zufriedenstellend sind, beantwortet jeder Zuschauer für sich. Zumindest ist der mittlerweile vierte Teil der Purge-Reihe in dieser Hinsicht durchdachter als seine Vorgänger. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Figuren immer logisch handeln. Wenn beispielsweise Teile der Bevölkerung in der Nacht eine ungeschützte Kirche aufsuchen, lässt sich das als satirisches Element dem blinden Glauben der Charaktere zur Religion lesen oder den Betrachter stört die Stupidität der Figuren.
Eine weitere Stärke kommt durch den größeren politischen Bezug in The First Purge zum Tragen, jedoch ohne jegliche Subtilität und dem Zuschauer werden simpelste Zusammenhänge mehrmals erklärt. Die Kritik an einer verrohten Gesellschaft der vorangegangen Teile nimmt der Film stark zurück und legt sie auf das Herrschaftssystem. Gerade gegen Ende des Films, der das Geschehen auf einen Wohnblock zulaufen lässt, kämpft sich ein Widerstandskämpfer in bester „The Raid“-Manier durch eine Söldnerarmee, deren Erscheinungsbild vor allem beim Oberhaupt an SS-Uniformen angelehnt ist und die Anklage gegen eine faschistische Staatsführung auf die Spitze treibt.
Was die Spitze der Regierung anbelangt, so ist The First Purge der zweite Beitrag der Reihe, der sich dem derzeitigen US-Präsidenten annimmt und drüber hinaus noch seine Gefolgschaft verspottet. Und wo Trump steht, sind die Medien nicht weit entfernt, auf deren Sensationslust sich The First Purge bezieht, indem die Nachrichtenlandschaft den ersten Mord im Fernsehen überträgt und das Medium als politisches Machtinstrument fungiert. Der Kommunikationswissenschaftler Georg Gerbner formulierte in seiner nicht unumstrittenen Kultivierungshypothese im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt in Medien, dass Vielseher, die vermehrt in sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten anzutreffen sind, ängstlicher sind und sich unsicherer in ihrem Umfeld fühlen, da sich die gezeigte Kriminalität auf ihr Realitätsempfinden auswirkt. Bezogen auf The First Purge sinkt nach der Argumentation die Hemmschwelle vor Gewaltanwendung und der Bürger würde das gesetzlich legitimierte Töten als Normalität anerkennen. Hier zeigt sich die Perfidität der Initiatoren.
Inszenatorisch ist bei The First Purge wenig zu beklagen. Spannend inszeniert und optisch ähnlich stilisiert wie sein Vorgänger, kommt der Film in einer ernsteren Tonalität daher, wodurch die Gewalt drastischer wirkt. Trotz einer Freigabe ab 18 Jahren erwartet den Fan kein Schlachtfest, da die Tötungsszenen sich auf Einschüsse und Messerattacken beschränken. Unblutig geht es aber nicht zu, wenn auch erst im letzten Drittel der Film seinen Blutzoll einfordert. Gegenüber den kreativen Hinrichtungsarten, die ihren bisherigen Höhepunkt mit The Purge: Election Year erreichten, allerdings ein klarer Rückschritt – jedoch zugunsten der Logik. Bis es zum blutigen Finale kommt, nimmt sich der Film ausreichend Zeit, die Geschichte zu entwickeln und die Charaktere einzuführen. Diese sind im Allgemeinen simpel gezeichnet und agieren vorhersehbar, können aber überzeugen.
Untermalt wird das Szenario mit einem „Hip Hop“-Soundtrack und einem oft dröhnenden Score, der die Bedrohlichkeit des Treibens verstärkt. Auch auf Stilmittel wie Symbolik oder dem Foreshadowing, das Hinweise auf den Verlauf der Geschichte preisgibt, verzichtet Regisseur Gerard McMurray nicht, wobei ihr Aufkommen einfach gestrickt ist.
Wer den Purge-Filmen nicht abgeneigt ist und sich darauf einlässt, dass The First Purge die gesellschaftspolitischen Hintergründe der Schreckensnacht fokussiert, bekommt eine sehr sehenswerte Fortsetzung präsentiert. Stimmig und ohne Längen umgesetzt, schöpft der Film sein Potential leider nicht gänzlich aus und macht es dem Zuschauer zu leicht, das Gesehene einzuordnen. Stark fallen die Kritikpunkte jedoch nicht in den Gesamteindruck und The First Purge entpuppt sich meiner Ansicht nach als bisher mit Abstand gelungenste Teil der Reihe.
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Gewalt | |
Ekel | |
Story |
Bildquelle: The First Purge © Universal