Kritik

It Lives Inside (2023) – Review

In seinem Spielfilmdebüt It Lives Inside treibt Regisseur Bishal Dutta die Probleme seiner jugendlichen Protagonistin auf die Spitze, indem er einen Dämon der indischen Folklore im Spannungsfeld US-amerikanischer Vororte entfesselt.

Originaltitel: It Lives Inside
Land: USA
Laufzeit: 99 Minuten
Regie: Bishal Dutta
Drehbuch: Bishal Dutta
Cast: Megan Suri, Neeru Bajwa, Betty Gabriel u. a.
VÖ: ab 07. Dezember 2023 im Heimkino

Inhalt

Samidha (Megan Suri), von den meisten allerdings einfach Sam genannt, würde am liebsten neben all den anderen Jugendlichen in ihrer Highschool einfach in der Masse verschwinden. Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn Sam gehört zu den wenigen Schüler:innen mit Migrationshintergrund. Deshalb versucht sie fast krampfhaft, zum Leidwesen ihrer Mutter Poorna (Neeru Bajwa), ihre indische Herkunft zu ignorieren. Das führt dazu, dass sie sich immer mehr von ihrer einstigen besten Freundin Tamira (Mohana Krishnan) entfernt, die in der Schule allgemeinhin als Außenseiterin gilt und ständig ein seltsames Glasgefäß mit in den Unterricht bringt. Während Tamira sich immer eigenartiger verhält und zusehends verwahrlost, bittet sie eines Tages Sam um Hilfe mit der Erklärung, es habe sich ein übernatürliches Wesen in dem Glas eingenistet, das sie nun unentwegt terrorisiert. Sam glaubt dem verstörten Mädchen kein Wort und zerbricht in ihrer Unachtsamkeit das Gefäß, woraufhin sie eine uralte Macht entfesselt. Bald muss sie feststellen, dass die Kreaturen aus den Geschichten ihrer Kindheit keinesfalls der Fantasie entspringen.

Kritik

Mit It Lives Inside bewegt sich der indische Regisseur und Drehbuchautor Bishal Dutta nicht nur in den Grenzen des Horrorgenres, sondern kreiert mit seinem Spielfilmdebüt gleichzeitig einen Schmelztiegel migrantischer Erfahrungen: Auf US-amerikanischen Boden prallen verschiedene Kulturen aufeinander und Minderheiten werden immer noch mit anderen Augen betrachtet, sodass sich insbesondere nicht-weiße Einwandernde verschiedener Generationen mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert sehen.

Zu Beginn versucht Samidha, Teile ihrer Herkunft auf mehr oder weniger subtile Weise auszumerzen: Sie verkürzt ihren Hindu-Namen, rasiert sich die Arme, um einem weißen Ideal des weiblichen Körpers zu entsprechen und für ihre Selfies nutzt sie einen Haut aufhellenden Filter. Dabei wird sie indirekt von ihrem nachsichtigen Vater (Vik Sahay, Wer) unterstützt. Ihr Wunsch nach Assimilation kollidiert mit ihrer kulturellen Identität, die sie– zumindest am Anfang des Films – kategorisch ablehnt. Das Schamgefühl über ihre Andersartigkeit sorgt schließlich dafür, dass sie sich immer weiter von ihrer Familie distanziert. Allerdings kann sich die Schülerin auch nicht in der Welt der anderen behaupten, denn die weißen Teenager in ihrer Umgebung begegnen ihr gleichermaßen herablassend und rassistisch. Es sind Duttas eigene Erfahrungen als Einwanderer, die der Geschichte die notwendige Authentizität verleihen.

Dargestellt wird Samidha von Megan Suri, der es gelingt, genau diese Pattsituation einzufangen. Mühelos switcht die junge Schauspielerin zwischen den unterschiedlichen Emotionen und übermittelt sowohl den inneren Aufruhr ihrer Figur als auch deren verzweifelte Sehnsucht nach Akzeptanz. Neben einigen engagierten Nebenfiguren, die allerdings mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund treten, ist es vor allem Neeru Bajwa, die die Einwanderungsthematik kontextualisiert. Denn im Gegensatz zu ihrer Tochter schätzt Poorna die indische Kultur und möchte diese in ihrer Familie am Leben erhalten. Die Dynamik zwischen Mutter und Tochter erzeugt sowohl den dringend benötigten Konflikt als auch Intensität und ermöglicht es It Lives Inside sich mit der Art und Weise auseinanderzusetzen, wie sich die Einwanderungserfahrung auf verschiedene Generationen auswirkt.

Bevor also der seelenfressende Dämon Pishacha seinen Feldzug gegen die Teenagerin antritt, trifft er bereits auf eine spannungsgeladene Umgebung als perfekten Nährboden für seine Bösartigkeit. Denn tief in Traditionen verwurzelt ist die uralte Kreatur auch eine Allegorie auf den Schrecken, der eigenen Kultur den Rücken zu kehren. Anfangs ist der Dämon überhaupt nicht greifbar – seine Gestalt ist zunächst nur in der Kunst zu sehen, dann als Silhouette auf verschiedenen, sich spiegelnden Oberflächen oder als leuchtendes Augenpaar, das aus dunklen Ecken hervorblitzt. Seine allumfassende Präsenz ist spürbar, bevor die Figuren den Pishacha tatsächlich zu Gesicht bekommen und sich auch dem Publikum ein solides Creature Design offenbart.

Während das Publikum im ersten Teil behutsam in Samidhas Welt hineingezogen und die Atmosphäre immer angespannter wird, weicht die Unklarheit der Gewissheit und der Film erscheint weniger beängstigend. Dutta schafft es nicht, die Komplexität der Einwanderungserfahrungen und des Generationskonflikts bis zum Ende aufzulösen und widmet sich in der zweiten Hälfte lieber konventionellen Genretropen, um zu erschrecken, statt tatsächlich tiefgründigen Horror zu liefern. Anders als bei Remi Weeks His House oder Nanny von Nikyatu Jusus kratzt It Lives Inside gerade einmal an der Oberfläche seiner kulturellen Themen, mit denen er sich nicht konsequent genug auseinandersetzt. Je länger der Film in seiner beinahe 100-minütigen Laufzeit voranschreitet, desto mehr verliert er schließlich an Tempo und Wirkung.

Fazit

Keine Frage, It Lives Inside punktet mit einer interessanten Prämisse, einer hervorragenden Megan Suri und dem hochwertigen Horrordesign, wie Fans es von der Produktionsfirma Neon gewöhnt sein dürften. Allerdings scheitert Regisseur Dutta an der emotionalen Komplexität der Einwanderungsthematik bzw. der kulturellen Besonderheiten und verlässt sich stattdessen auf die altbewährten Aspekte des Horrors, die den Film in die Mittelmäßigkeit abgleiten lassen. Statt einen außergewöhnlichen Film zu inszenieren, geht Dutta lieber auf Nummer sicher.

 

Bewertung

Grauen
Spannung
Härte
Unterhaltung
Anspruch
Gesamtwertung

Bildquelle: It Lives Inside © Pierrot Le Fou

Ab 07.12.2023 im Handel erhältlich:

Horrorfilme… sind für mich eine Möglichkeit, Angstsituationen zu erleben, ohne die Kontrolle zu verlieren. Es ist eine positive Art der Angst, da sich ein Glücksgefühl einstellt, sobald man die Situation durchgestanden hat. Es ist nicht real – könnte es aber sein. Das ist furtchteinflößend und gleichzeitig faszinierend.

...und was meinst du?