Kolumne

Von Meinungsfreiheit und Geschmacksfragen – Gift & Galle

In der heutigen Rant-Kolumne Gift & Galle macht sich unser Autor Gedanken über Diskussions-Un-Kultur im Internet – aber das ist natürlich alles Geschmackssache.

In unserer letzten Rant-Kolumne hatte ich mich über den lächerlichen Anspruch der objektiven Filmkritik ausgelassen, was zu einigen überaus interessanten Diskussionen geführt hatte. Unter anderem mit dem Kollegen Volker von Die Nacht der lebenden Texte, der mich auf das heutige Thema brachte. Denn in seiner Besprechung zu I Spit on Your Grave – Deja vu schreibt er

Ja ja, ich weiß schon, „Geschmäcker sind verschieden – und das ist auch gut so.“ Eine der beliebtesten und gleichzeitig hohlsten Phrasen, die man in Filmgruppen zu hören oder lesen bekommt.

Und hat damit vollkommen Recht! Selbstverständlich sind Geschmäcker verschieden, das steht ja überhaupt nicht zur Debatte. Auch wenn manche Leute immer mal wieder meinen, dass Filmkritiken auch nur annähernd objektiv sein können. Sind sie natürlich nicht, auch sie spiegeln im Endeffekt den Geschmack des Autors oder der Autorin wider. Auch in Diskussion wird niemand Ernstzunehmendes behaupten, dass nur die eigene Meinung richtig sei und alle, die den Film anders sehen, haben Unrecht. Und sollte jemand sowas Unsinniges von sich geben, weiß man zumindest sofort, dass man ein konstruktiveres Gespräch mit einer Milchschnitte haben könnte.

Der Gebrauch des Begriffs „Geschmackssache“ ist also nichts, was einem Gespräch über Filme irgendeinen Mehrwehrt geben würde. Es macht übrigens auch keinen Unterschied, ob ich sage „Paranormal Activity ist ein furchtbarer Film“ oder „Ich finde Paranormal Activity ist ein furchtbarer Film“. Das ist ein- und dieselbe Aussage. In beiden wird eine Meinung zum Ausdruck gebracht – und wenn du auf eines davon mit „Geschmackssache“ antwortest, dann ist das eben kein wertvoller Beitrag zur Diskussion, denn dass dies Ausdruck meines Filmgeschmacks ist, ist ja sowieso Grundlage des gesamten Gesprächs.

Wenn ihr jetzt meint, es sollen doch alle schreiben wie sie wollen, dann bin ich da ganz bei euch, das Problem ist nur, dass eben jene Geschmacksfrage zu den größten Diskussionskillern gehört und damit jeglicher Austausch über Filme schlichtweg abgewürgt wird. Jemand widerspricht dir? Geschmackssache! Jemand kritisiert deinen Lieblingsfilm? Geschmackssache! Diskussion automatisch beendet. Jemand wagt es nachzufragen, was genau du an einem Film gut findest? Schreibe erbost, dass hier wohl immer noch Meinungsfreiheit gelte und blockiere sofort diese unverschämte Person – und ich wünschte, ich hätte mir das gerade so eben nur ausgedacht.
Nur damit wir uns da nicht falsch verstehen: Ihr müsst mit niemandem über Filme diskutieren, wenn ihr keinen Bock habt, und ihr könnt blocken, wen ihr wollt. Nur muss man dafür nicht mit solcherlei Unfug wie „Meinungsfreiheit“ um sich schmeißen.

Wer an einem konstruktiven Austausch zu Filmen sowieso nicht interessiert ist, soll meinetwegen weiter eine „der beliebtesten und hohlsten“ aller Phrasen nutzen, aber können wir anderen uns bitte darauf einigen, diesen Blödsinn einfach nicht mehr zu verwenden? Ja? Danke!

Damit wünsche ich einen guten Start in die Woche, viele gute Filme und lasst euch nicht ärgern!

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

2 Comments

    • Florian Halbeisen

      Hi Steffen!

      Schwieriger wäre es doch, wenn es keine Meinungen wären, sondern alles Fakten. Über Fakten wie die Filmlänge oder den Tag der Veröffentlichung kann man sich ja schlecht austauschen.
      Mit das Spannende an Kunst ist ja, dass wir sie alle unterschiedlich wahrnehmen und unterschiedlich bewerten. Erst dadurch, dass die Rezeption von Kunst so subjektiv ist, wird ja der Austausch von unterschiedlichen Perspektiven erst möglich. Und im Endeffekt geht es ja auch nicht nur darum, wieso mir ein Werk gut gefällt oder eben auch nicht, sondern auch was ein Kunstwerk über mich und meine Welt aussagt. Man kann Kunst da ja vor allem gemeinsam weiter denken und das ist doch mitunter das Schöne daran.

      Liebe Grüße
      Flo

...und was meinst du?