Caveat - Die Warnung
Kritik

Caveat – Die Warnung (2020) – Review

Das düstere Kammerspiel Caveat markiert das Regiedebüt des Iren Damian McCarthy und ist vermutlich einer der bisher unheimlichsten Filme des neuen Jahrzehnts. Wir sind für euch dem gruseligen Hasen in seinen sinistren Bau gefolgt.

Originaltitel: Caveat
Land: Irland
Laufzeit: 88 Minuten
Regie: Damian McCarthy
Drehbuch: Damian McCarthy
Cast: Jonathan French, Leila Sykes u.a.
VÖ: Ab 09.06.2022 digital, ab 08.07. als Blu-ray und DVD

Inhalt

Der vielbeschäftigte Moe bittet seinen an Amnesie leidenden Kumpel Isaac um einen Gefallen: Er soll für ein paar Tage auf dessen psychisch kranke Nichte aufpassen, die allein in dem abgelegenen Haus ihrer verstorbenen Eltern lebt. Nach anfänglichem Zögern nimmt Isaac den Job an, doch als Moe ihn zu dem Haus begleitet wird schnell klar, dass dieser ihm bei weitem nicht alle Details über diese vermeintlich leichte Aufgabe verraten hat…

Kritik

Was macht einen Film unheimlich? Manchen Menschen lassen Jump Scares die Herzfrequenz in die Höhe schießen, andere schwören auf psychologisch fundierten Horror und wieder anderen wird von expliziter Gewaltdarstellung zugesetzt. Doch was, wenn sich ein Film solchen effekthascherischen Möglichkeiten der Gruselgenerierung entzieht? Caveat ist ein Film, der die Idee davon, worin genau das Unheimliche liegt, ernst nimmt. Durch das Plot-Element der Amnesie der Hauptfigur bietet sich eine Lesart ganz besonders an: die des Unheimlichen nach Freud.

Caveat - Die WarnungVereinfacht ausgedrückt liegt der Kern des Unheimlichen laut Freud nicht in etwas unbekannten Fremden, sondern lässt sich auf das Vertraute, das längst verdrängt und überwunden geglaubt war, zurückführen. Wenn das im Unbewussten Verborgene in entfremdeter Form wieder an die Oberfläche drängt. Caveat eignet sich diese Vorstellung des Unheimlichen an und lässt seinen Protagonisten genau dies durchleben: Bedingt durch seine Amnesie wird er von seinen eigenen Erinnerungen und somit auch von sich selbst entfremdet. In Folge dieser Entfremdung wird das bisweilen unerträglich finstere Haus zu einer Projektion seines Innenlebens: Pechschwarze Ecken in den Zimmern und Gängen stehen für vergessene Fragmente der Erinnerung, der Keller wird zum buchstäblichen Kaninchenbau, der all das Verdrängte beherbergt – und gemäß dem bekannten Sprichwort haben alle Leichen im Keller.

Caveat - Die WarnungDurch diesen Ansatz wird Caveat mit reichlicher Metaphorik beladen. Der Clou dabei ist, dass es, anders als in ähnlich bedeutungsschwangeren Filmen wie Mother!, jedoch nicht primär um die Entschlüsselung dieser Symbolik geht. Vielmehr ist Caveat daran interessiert, eine solche mentale Entrückung am eigenen Leib erfahrbar zu machen. Und vor allem, wie enorm unheimlich das Unbekannte im Bekannten sein kann.

McCarthys Spielfilmdebüt spielt dabei mit der Genrekenntnis und der Erwartungshaltung des Publikums, indem er durch das Bedienen gängiger Inszenierungsmuster die Erwartungshaltung an explizite Schockmomente evoziert, diese jedoch nie einlöst und dadurch eine bisweilen unerträgliche Anspannung erzeugt. Man sollte an dieser Stelle keine penible Dekonstruktion von Genremechanismen wie zum Beispiel in Oz Perkins kongenialem I Am The Pretty Thing That Lives In The House erwarten, aber der versierte Umgang mit und das gleichzeitige Unterwandern von konventionellen Inszenierungsstrategien ist beachtlich.

Caveat - Die Warnung

Fazit

Genau wie das „Heimliche“ als Nährboden für das Unheimliche lebt auch Caveat von einer grundlegenden Ambivalenz: Ist der Quell der Gefahr natürlicher oder übernatürlicher Natur? Durch die großzügig eingesetzte Symbolik wird der gesamten Szenerie ein undurchschaubarer Animismus induziert, der stets das Vorhandensein dämonischer Mächte suggeriert, diesen Verdacht aber nie eindeutig einlöst.

Stattdessen lebt die gesamte Atmosphäre von einer erdrückenden Unsicherheit, die sich zu einem reißerischen Strudel entwickelt, der einen – genau wie den Protagonisten – immer tiefer in den Kaninchenbau hineinzieht, den der eigene Verstand darstellt. In dieser Hinsicht ähnelt Caveat sehr dem ebenfalls britischen und absolut ebenbürtigen Horrorfilm Possum von 2018, dem bisher leider noch immer keine deutsche Veröffentlichung vergönnt ist. Glücklicherweise gilt das für Caveat nicht; einen unheimlicheren Film – vor allem, aber nicht ausschließlich im freudschen Sinne – wird man dieses Jahr im Heimkino wohl kaum erleben dürfen.

 

Bewertung

Grauen Rating5_5
Spannung Rating: 4 von 5
Härte  Rating: 1 von 5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Ab 08.07.2022 im Handel:

Bildquelle: Caveat – Die Warnung © Tiberius Film

Horrorfilme sind für mich die beste Möglichkeit, die Grenzen des Zumutbaren und des eigenen Sehvergnügens auszuloten und neu zu definieren. Außerdem gibt es kaum ein anderes Genre, das so viele verschiedene gute Ideen, Möglichkeiten und Geschichten hervorbringen kann, da, ähnlich wie im Science-Fiction, einfach alles möglich ist. Es ist faszinierend, wie stark einen gute Horrorfilme in ihren Bann ziehen können und dabei sowohl schockieren als auch unterhalten.

...und was meinst du?