Crazies (1973) – Review
In George A. Romeros Seuchenfilm Crazies verwandelt eine biologische Waffe die Bevölkerung einer Kleinstadt in blutrünstige Bestien, während sich immer mehr Menschen den Maßnahmen des Militärs widersetzen.
Originaltitel: | The Crazies |
Land: | USA |
Laufzeit: | 103 Minuten |
Regie: | George A. Romero |
Drehbuch: | George A. Romero |
Cast: | Lane Carroll, Will McMillan, Lynn Lowry u.a. |
VÖ: | ab 19.03.2021 im Handel |
Inhalt
Ein Militärtransportflugzeug stürzt im ländlichen Pennsylvania ab und setzt dabei einen tödlichen Virus in der Wasserversorgung der Kleinstadt Evans City frei. Der vom Militär entwickelte Kampfstoff verbreitet sich rasend schnell unter den Einwohner:innen und führt entweder zum Tod oder lässt die Menschen zu gewalttätigen Bestien mutieren. Um die Ausbreitung der hochinfektiösen Seuche einzudämmen, wird das Militär unter dem Kommando von Colonel Peckem (Lloyd Hollar) in die Stadt geschickt, um die verhängte Quarantäne durchzusetzen. Währenddessen versuchen die zwei Feuerwehrmänner und Vietnam-Veteranen Clank (Harold Wayne Jones) und David (Will McMillan) sowie dessen schwangere Freundin Judy (Lane Carroll) einen Weg aus der abgeriegelten Stadt zu finden. Die einzig Hoffnung auf ein Gegenmittel für die unsichtbare Gefahr des Virus bietet derweil der mürrische Wissenschaftler Dr. Watts (Richard France), der bereits an der Entstehung des Erregers beteiligt war. Doch das Militär hat angesichts der unberechenbaren Bedrohung bereits andere Pläne: die atomare Zerstörung der Stadt.
Hintergründe
Der 1973 mit einem geringen Budget entstandene Film von George A. Romero (Living-Dead-Reihe) erinnert thematisch und strukturell auf den ersten Blick stark an den fünf Jahre zuvor erschienen Die Nacht der lebenden Toten: Es gibt eine Pandemie, die große Teile der Bevölkerung erfasst und eine kleine Gruppe von Überlebenden versucht, sich gleichzeitig vor dem todbringenden Virus sowie dem gesellschaftlichen Zusammenbruch zu retten. Doch während es sich in Die Nacht der lebenden Toten noch um eine scheinbar extraterrestrisch verursachte Zombie-Seuche handelte, gibt es in Crazies eine nur allzu weltliche Erklärung: Regierung und Militär haben unter strenger Geheimhaltung gemeinsam einen biologischen Kampfstoff entwickelt, der außer Kontrolle geraten ist.
Mit dieser Vision fügt Crazies sich nahtlos in das durch den Vietnamkrieg geprägte Kino der 1970er-Jahre ein, das sich voller Zynismus und Kriegsverdrossenheit mit dem Thema auseinandersetzte. Seit den 1960er-Jahren kam es regelmäßig zu Protesten einer zunehmend unruhigen und enttäuschen US-amerikanischen Öffentlichkeit gegen den Einsatz der eigenen Truppen in Vietnam. Romero greift diese Einstellung auf und wählt von Anfang an einen düsteren Ton, der ein extremes Gefühl von Pessimismus und Nihilismus vermittelt. Die vorherrschende Haltung der Demonstrierenden war ein tiefes Misstrauen gegenüber der Regierung und militärischen Einsatzkräften, die sich auch in drastischen Maßnahmen ausdrückte, und auch dies greift Romero in Crazies auf , indem er die Szene einer verstörenden Selbstverbrennung einbaut. Mit seinen uniform gekleideten Soldaten in ihren albtraumhaften Gasmasken und der apokalyptischen Atmosphäre von Gewalt und Wahnsinn erschafft Crazies die Schreckensvision einer idyllischen Kleinstadt, irgendwo zwischen Langeweile und „American Dream“, die der Paranoia anheimfällt.
Doch auch ohne diesen historischen Kontext Crazies beinhaltet der Film immer noch eine substanzielle Botschaft, indem er exemplarisch vorführt, dass Menschen von Natur aus das fürchten, was eigentlich ihrem Schutz dienen sollte. Die Einfachheit des Ortes mit seinen sanften grünen Hügeln und dünnen Wäldern vermittelt das Gefühl, als könnte die Bedrohung überall lauern und Romero verstärkt diese unheimliche Atmosphäre noch durch seine Kameraarbeit, um maximale Spannung entstehen zu lassen. Wir wissen nie, was sich hinter dem nächsten kleinen Anstieg befindet und ob diese schwankenden Schatten in der Ferne Bäume oder Menschen sind.
Kritik
Dramaturgisch verpackt Romero seine Geschichte in zwei alternierende Handlungsstränge. Der erste gewinnt seine Dynamik aus der Interaktion der Überlebenden, die darum kämpfen, auch weiterhin am Leben zu bleiben. Sie sind zwischen ihren enthemmten Nachbar:innen und der fortschreitenden Kompromisslosigkeit des Militärs gefangen. Romero zeigt friedliche Menschen, die plötzlich in Gewalt ausbrechen und verwischt dabei gekonnt die Grenzen zwischen Infizierten und Nicht-Infizierten. So können wir nie sicher sein, welcher der gewaltbereiten Charaktere wirklich krank ist und wer sich nur selbst schützt. Deutlich wird das insbesondere durch die Figur Clank, einem Vietnam-Veteran, dessen bedrückendste Momente nicht jene sind, in denen er in Wut gerät und Hubschrauber abschießt, sondern die kurzen Augenblicke der Klarheit, in denen er sich eingestehen muss , dass etwas mit ihm nicht stimmt und es wahrscheinlich nicht besser wird. Ob sein Zustand einer fortschreitenden Infektion zuzuschreiben ist oder es sich um eine ernsthafte psychische Erkrankung, ausgelöst durch seinen Kriegseinsatz, handelt, wird nicht aufgelöst.
Der andere Handlungsstrang konzentriert sich auf das gescheiterte Programm um biologische Waffen des Militärs, dessen Vertuschung letztlich zu einer Katastrophe führt. In erster Linie besteht das Ziel der hohen Offiziere und Minister nämlich nicht darin, Leben zu retten oder die Öffentlichkeit über drohende Gefahren zu informieren, sondern zu verbergen, was vor sich geht und wer für die Ausbreitung verantwortlich ist. Romero hält die moralische Trennlinie zwischen Gut und Böse dabei verschwommen. Die maskierten Soldaten wirken zunächst wie gesichtslose Bösewichte, darunter verbergen sich jedoch gewöhnliche Menschen – manchmal gefühllos, manchmal gelangweilt, meistens verängstigt und schließlich einfach desillusioniert. Auch die Vorgesetzten vor Ort scheinen so viel Schaden wie möglich vermeiden zu wollen, werden aber entweder durch Bürokratie oder die Inkompetenz ihres Umfelds gelähmt. Dies zeigt sich am deutlichsten beim leitenden Wissenschaftler Dr. Watts. Er verbringt praktisch den gesamten Film damit, sich in einem jähzornigen Anfall über die Ausrüstung auszulassen, die er nicht bekommen kann, die Zustimmung, die niemand geben kann, und die Hinweise, die sonst niemand zu haben scheint. Bill Hinzmans wackelige Kamera fängt diese Verwirrung gekonnt ein und seine grobkörnigen, hektischen Aufnahmen verleihen Crazies einen fast dokumentarischen Stil, als würde jemand diese apokalyptischen Bilder für die Berichterstattung der Fernsehnachrichten schnell zusammenfügen.
Fazit
Mit Crazies hat George A. Romero keinen Wohlfühlfilm gedreht, sondern einen bitteren sozialen Kommentar in seiner rausten Form. Die engagierte Regie und das intelligente Drehbuch arbeiten dabei auf mehreren Ebenen des Grauens, und das dokumentarisch anmutende Filmmaterial ist ein klassischer Romero-Akzent. Wie Die Nacht der lebenden Toten ist Crazies eine intensive, überzeugende und ausgesprochen beängstigende Gesellschaftskritik, die zur Auseinandersetzung zwingt und weder Hoffnung noch Trost bietet.
Bewertung |
|
Grauen | |
Spannung | |
Härte | |
Unterhaltung | |
Anspruch | |
Gesamtwertung |
ab 19.03.2021 im Handel
Bildquelle: Crazies © Capelight Pictures