Pandemie (2013) – Review
2013 brachte Regisseur Kim Sung-gu nach zehn Jahren Leinwand-Abstinenz mit Pandemie seinen ersten Katastrophenfilm in die südkoreanischen Kinos, der sich durch die weltweite Corona-Krise neuer Aufmerksamkeit sicher sein kann. Sieben Jahre später bringt Busch Media das erschreckende Szenario einer Epidemie, die rasant außer Kontrolle gerät, nun auch in die deutschen Kinos.
Originaltitel: | Gamgi |
Land: | Südkorea |
Laufzeit: | 121 Minuten |
Regie: | Kim Sung-su |
Drehbuch: | Kim Sung-su, Lee Yeong-jong |
Cast: | Jang Hyuk, Su Ae, Park Min-ha u.a. |
VÖ: | Ab 06.08.2020 im Kino |
Inhalt
In Bundang-gu, nur wenige Kilometer von der Metropole Seoul entfernt, bergen zwei südkoreanische Menschenhändler einen verschifften Container aus Hongkong. Ein Bild des Schreckens bietet sich Byung-ki (Lee Hee-joon, The Drug King) und seinem Bruder, denn die illegalen Einwanderer aus Vietnam und Indonesien sind auf grauenvolle Art ums Leben gekommen. Der einzige Überlebende flüchtet und verbreitet dabei unbemerkt einen Erreger unter der städtischen Bevölkerung. Innerhalb weniger Stunden steigen die Zahlen der Infizierten und Todesfälle rapide an, sodass in der ganzen Stadt Panik ausbricht. Daraufhin trifft die Regierung drastische Maßnahmen – fast eine halbe Millionen Einwohner werden unfreiwillig unter Quarantäne gestellt und in Isolationslager zusammengetrieben. In diesem Chaos versucht die alleinerziehende Virologin Kim In-hae (Soo Ae, High Society) gemeinsam mit ihren Kollegen einen Ausweg aus der Katastrophe zu finden, da ihre Tochter Mi-reu (Park Min-ha) ebenfalls an dem Virus erkrankt ist. Hilfe bekommt sie von Kang Ji-goo (Jang Hyuk, Public Toilet), einem Mitglied des Emergency Response Teams. Doch während sich die nicht-infizierten Insassen der Isolationslager gegen die militärische Sperrung wehren, steigern sich die Spannungen und die Situation droht endgültig zu eskalieren.
Hintergründe & Kritik
Seit einigen Jahren erfreut sich der Katastrophenfilm großer Beliebtheit in Südkorea und die ansässige Filmindustrie hat keine Probleme, die stetig steigenden technischen Anforderungen der Produktionen zu erfüllen. Angefangen mit dem 2009 erschienen Film Tsunami – Die Todeswelle, in der eine große Flutwelle die Küstenstadt Busan bedroht, folgen drei Jahre später The Tower und Deranged. Während sich Ersterer an John Guillermins Flammendes Inferno orientiert, behandelt der zweite eine tödliche Epidemie aus dem Hangang. 2013 nahm sich Kim Sung-gu mit Pandemie ebenfalls diesem Thema an, wenn auch mit einer etwas anderen Prämisse. Der deutsche Titel Pandemie ist allerdings irreführend, da es sich im Film nicht um einen weltweiten, sondern um einen regionalen Ausbruch handelt, der nur auf eine Stadt beschränkt ist. Der Originaltitel „Gamgi“ bedeutete so viel wie „Grippe“ und auch im Ausland wird er unter den Titeln The Flu oder Virus beworben.
Pandemie folgt dem konventionellen Muster eines Katastrophenfilms und stellt die Hauptfiguren in ihren Alltagssituationen vor, bevor er kompromisslos in das Ausnahmeszenario einsteigt. Ein Ereignis jagt das andere und dem Zuschauer wird schnell klar, dass Kim einen lauten, chaotischen Film geschaffen hat und keine Gesellschaftsstudie mit schleichender Eskalation. Wie bereits in den vergangenen Filmen nutzt er verschiedene vertraute Motive des Genres, beispielswiese eine furchterregende Situation, die immer weiter zu eskalieren droht, bis sich auch die Menschen untereinander bekämpfen. Die verzweifelte Suche nach einem Ausweg durch ein Fachpersonal, das erst durch Zufälle ausgebremst und dann vorangetrieben wird. Nicht zu vergessen die familiäre Dynamik rund um den sympathischen Alltagshelden, der nicht nur als moralisches Gewissen fungiert, sondern auch als Gegensatz zu einer utilitaristisch denkenden Regierung.
Trotz der Klischees und Rollen-Stereotypen gibt es auch einige Besonderheiten in Pandemie. Ein durchgängig dreckiger Filter lässt die Infizierten in ihrem Erbrochenen und den Blutlachen noch unappetitlicher wirken, während ihre Körper in Body-Horror-Manier von Ausschlägen, Pusteln und Blasen entstellt werden. Dominierend sind Grau- und Gelbtöne, die die Farben des fauligen Fleisches noch deutlicher hervorheben. Besonders stark sind die Bilder der hilflosen Menschen in den massiven Quarantänelagern und Massengräbern, die eine gute Vorstellung davon bieten, wie einfach eine moderne Gesellschaft zusammenbrechen kann. Ein weiterer Pluspunkt ist die Beschränkung auf den regionalen Ausbruch in Bundang-gu, wodurch es Kim möglich war, den Film stringent zu inszenieren, ohne sich in allzu vielen Nebenhandlungen zu verlieren.
Während Pandemie zunächst den existenziellen Horror und die Gefahr der Zerstörung in den Vordergrund stellt, gibt es ab der zweiten Hälfte einen Wendepunkt. Was den südkoreanischen Katastrophenfilm von anderen unterscheidet, nämlich die Bedeutung anderer Genre-Tropen, insbesondere des Melodramas, kommt nun zum Tragen. Kim konzentriert sich auf die Emotionalität seiner Geschichte und ähnlich wie beim 2019 erschienenen Ashfall gerät der Hauptkonflikt der Epidemie in den Hintergrund. Dadurch verliert der Film an Schwung und Energie, denn die Dramatik der Hauptfiguren und der Polit-Thriller sorgen nicht für die nötige Spannung, sondern existieren vielmehr nebeneinander. Immer wieder kommt es so zu ungeschickten Tonverschiebungen und dem anhaltenden Bedürfnis, berührende oder lustige Momente zu konstruieren, um die verzweifelte Stimmung aufzuhellen. Die Verdichtung auf das Melodram hätte mit einer kräftigeren Charakterzeichnung möglicherweise besser funktioniert, doch auch wenn die Schauspieler eine mehr als solide Leistung abspulen, gibt es keine überzeugenden Beziehungen zwischen den Protagonisten. Insbesondere die fehlende Chemie zwischen Jang Hyuk und Soo Ae schwächt die Geschichte stark ab. Die beiden Hauptdarsteller versuchen, ihren Rollen die nötige Tiefe zu vermitteln, bleiben aber in ihren stereotypen Rollen gefangen. Ähnliches gilt für die Nebenrollen, so wirkt Yoo Hae-jin (Veteran) als trotteliger Arbeitskollege in vielen Szenen deplatziert und die bereits erwähnten Politiker des Krisenstabs drosseln das Tempo in langatmigen Dialogen auffallend. Einen Tiefpunkt stellt allerdings Ma Dong-seok (The Gangster, The Cop, The Devil) als Karikatur eines Bösewichts den Tiefpunkt dar, dessen Anwesenheit den Film nur unnötig in die Länge zieht.
Fazit
Nach einer soliden ersten Stunde kippt Pandemie von einem düsteren Katastrophenfilm in ein substanzloses Melodram mit überflüssigen Figuren und unglaubwürdigen Handlungen. Für Fans des Genres lohnt sich der Blick auf Grund der soliden Action und der bündigen Inszenierung, die trotz der Mängel wenig Langeweile aufkommen lässt. Wer allerdings nach einem nüchternen Virus-Thriller sucht, der sich mit dem Thema realistisch auseinandersetzt, sollte lieber zu Steven Soderberghs Contagion greifen.
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Ab dem 02.10.2020 auch im Handel:
Bildquelle: Pandemie © Busch Media Group