Aragne
Kritik

Aragne: Sign of Vermillion (2018) – Review

Im Anime Aragne: Sign of Vermillion bekommt ihr es mit Body-Horror und allerlei Ungeziefer zu tun. Wir haben uns beim diesjährigen /slash Filmfestival für euch dem Wahnsinn ausgeliefert.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Aragne: Sign of Vermillion
Japan
75 Minuten
Saku Sakamoto
Saku Sakamoto
Kana Hanazawa u.a.

Inhalt & Hintergründe

Aragne: Sign of Vermillion ist eine Ausnahmeerscheinung in der japanischen Anime-Produktionslandschaft. Diese wird grundsätzlich dominiert von großen Studios, die sogar des Öfteren kooperieren, wenn es um größere Projekte geht. Das verwundert nicht weiter, wenn man bedenkt wie viele Menschen über Monate an einem einzigen Film arbeiten: RegisseurInnen, AutorInnen, Storyboard-ZeichnerInnen, Art-Directors, Charakter-DesignerInnen, ZeichnerInnen, AnimatorInnen, In-Between-Artists, KoloristInnen, SynchronsprecherInnen, Editors, KomponistInnen u.v.m. Darum sind Anime außerhalb dieses Studio-Systems so selten und genau solch eine Rarität ist Aragne. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren arbeitete Saku Sakamoto (Digital Effects in Ghost in the Shell 2: Innocence) an dem über Crowdfunding finanzierten Projekt und übernahm dafür die Rollen des Regisseurs, Autors, Storyboard-Zeichners, Animators und Komponisten. So hatte Sakamoto jedoch die Freiheit ohne kreative Einschränkungen und Kompromisse seine künstlerische Vision auf Zelluloid bannen zu können.

Der Film dreht sich um die Psychologie-Studentin Rin, die in einem heruntergekommenen, labyrinthartigen Gebäudekomplex am Rande der Stadt lebt. Doch ihre belastende Wohnsituation ist nicht ihre einzige Sorge, denn ein Serienkiller, der es auf junge Frauen abgesehen hat, geht in der Stadt um. Als wäre das nicht schon schlimm genug, beginnt Rin vermehrt riesige Insekten zu sehen. Als die Studentin versucht der Sache auf den Grund zu gehen, stößt sie auf die Sagen und Legenden rund um dämonisches Ungeziefer, das dazu fähig ist die Seele vom Körper zu trennen und diesen als Mordwerkzeug zu missbrauchen. Zudem scheint es auch eine Verbindung zu dem Serienkiller und zu grausamen Menschenversuchen im zweiten Weltkrieg zu geben…

Kritik

Es hat offenbar lange in Sakamotos Kopf gebrodelt und dementsprechend viele Ideen flossen in Aragne ein. Der Film erzählt eine äußerst surreale Geschichte rund um mythischen Kreaturen und großstädtische Isolation. Im Grunde jene Themen, die das japanische Kino oft dominieren. Sakamoto verknüpft zudem Rins eigene subjektive Schuldgefühle aus ihrer Kindheit mit einer kollektiven Schuld Japans aus dem Zweiten Weltkrieg. Als wäre diese Fülle an Themen und Verweisen nicht an sich schon überwältigend, kommt erschwerend hinzu, dass der Japaner wenig Interesse an konventionellen Erzählstrukturen oder Logik im Allgemeinen hat. Wenn sich Aragne zum Ende hin vollkommen in albtraumhaften Szenen auflöst, könnte das also so manche vor den Kopf stoßen.

Aragne

Die Grenzen zwischen Wahn und Realität verschwimmen ständig und als Zuschauer ist es im Endeffekt nicht mehr möglich genau zu sagen, was wirklich passiert ist und was nicht. Das Mosaik aus der Schuld aus Kindertagen, die schwer auf der Protagonistin lastet, Menschenversuchen aus Zeiten des Zweiten Weltkrieges, die das kollektive Gedächtnis zermürben, und japanischer Mythologie, die alles durchzieht, ist jedoch in jedem Augenblick dermaßen betörend, dass ich mich den Rätseln gar nicht entziehen will, die mir Aragne stellt. Der Film ist in diesen Momenten viel mehr Mystery-Thriller als Horrorfilm und lädt zum Entschlüsseln ein
Durch neue Charaktere, Rückblenden oder Visionen lernen wir immer wieder eine neue Perspektive kennen. Es kommt jedes Mal ein weiteres Puzzleteil hinzu, das aber nie gänzlich zu passen scheint – und obwohl er sich dem Wunsch nach einem kohärenten Bild stetig entzieht, so fühlt sich der Film am Ende doch rund an.

Aragne

Neben allen Mystery-Elementen ist Aragne im Kern jedoch immer noch ein Horrorfilm, der mit seinen Body-Horror und monströsem Ungeziefer für Angst und Schrecken sorgt – was der Film auch seinem beeindruckenden Monster-Design und wundervoll animierten Action-Szenen verdankt. Besonders gut gelingt es ihm jedoch eine stetige bedrohliche Atmosphäre zu erzeugen, die konstant für Spannung sorgt.

Der Animationsstil ist zum Teil etwas grob. Es ist offensichtlich, dass Sakamoto aus Zeit- und Kostengründen innovativ werden musste. So sind teilweise weniger Bilder pro Minute zu sehen, als gewohnt, wodurch das Bild nicht ganz so geschmeidig wirkt, oder es wird über eine wackelnde „Kamera“ versucht, einem Bild mehr Dynamik zu verleihen. Den Charakteren und Hintergründen mangelt es hin und wieder etwas an Details, aber in Anbetracht der Umstände ist die Qualität der Zeichnungen überaus hochwertig und der Unterschied zu aktuellen Anime-Produktionen der größeren Studios vernachlässigbar. Die paar wenigen reinen CGI-Szenen wirken etwas fremd, stören aber den Filmgenuss nicht weiter. Zudem nutzt es Aragne sehr zu seinem Vorteil, nicht an physikalische Grenzen gebunden zu sein und sich somit voll und ganz seinen surrealistischen Bildern hingeben zu können. Alles in allem mündet dies in einem äußerst eigenwilligen Stil, der in seiner entrückten Rauheit ausgezeichnet zum Inhalt passt.

Aragne

Fazit

Aragne ist ein psychologischer Horrorfilm, der uns tief in die Innenwelt der Protagonistin eintauchen lässt, uns jeglichen Halt nimmt und uns in dem dunklen Loch vollkommen allein lässt. Eine wahrlich albtraumhafte Erfahrung, die noch lange nachhallt.

 

Bewertung

Grauen Rating: 3 von 5
Spannung Rating: 3 von 5
Härte  Rating: 2 von 5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 4 von 5
Gesamtwertung Rating: 4 von 5

Bildquelle: Aragne: Sign of Vermillion © Sakamoto Saku / GK Jericho Film

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

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