Door Lock (2018) – Review
Der südkoreanische Thriller Door Lock ist ein intensiver und atmosphärischer Slowburner, der seine Zuschauer keine Sekunde lang vom Haken lässt. Inmitten der Millionenmetropole Seoul entfesselt Regisseur Lee Kwon einen urbanen Alptraum von ausgesucht klaustrophobischem Charme. Wir haben die Deutschlandpremiere auf dem Fantasy Filmfest 2019 besucht und nehmen euch mit auf eine Reise in den Abgrund.
Originaltitel: |
Do-eo-lak Südkorea 102 Minuten Kwon Lee Park Jung-Hee, Lee Kwon, Alberto Marini Gong Hyo-jin, Kim Ye-won, Kim Sung-oh u.a. |
Inhalt
Die Bankangestellte Gyeong-min bewohnt allein ein winziges Appartement in Seoul, in das, so glaubt sie, ein Unbekannter einzudringen versucht. Dass es bei dem Versuch nicht geblieben ist, ahnt sie derweil noch nicht. Während die Polizei Gyeong-min und ihr einziges Beweisstück – einen Zigarettenstummel, der neben der Tür lag – belächelt, reagiert die junge Frau zunehmend argwöhnisch auf ihr Umfeld. Der charmante Vorgesetzte, der stille Portier ihres Wohnkomplexes oder der aufgebrachte Kunde in der Bank, hinter all diesen Fassaden könnte sich der anonyme Stalker verbergen. Unterstützt von Kollegin Hyo-ju und Kommissar Lee versucht Gyeong-min den Fremden aufzuspüren und stößt dabei auf unerwartete Abgründe …
Kritik
Door Lock ist eine Neuverfilmung des spanischen Thrillers Sleep Tight, doch dass es Regisseur Lee Kwon nicht darum geht, den Fußspuren des Originals zu folgen, wird schon in den ersten Minuten klar. Die ursprüngliche Geschichte wurde komplett überarbeitet, was geblieben ist, sind der klaustrophobische Charme und die beklemmende Atmosphäre der filmischen Vorlage.
Die Klaviatur des Schreckens spielt Door Lock langsam und bedächtig. Bevor Gyeong-min sich im Finale des Films der Bedrohung stellen muss und ihrem Peiniger endlich ins Antlitz blicken kann, bleibt der Eindringling lange Zeit kontur- und namenlos. Jeder Versuch, ihm auf die Spur zu kommen, verläuft ins Leere, als hätte man es mit einem wahrhaftigen Phantom zu tun. Seine Identität liegt ebenso im Dunkeln wie weite Teile der Handlung, die sich auf den düster-verregneten Straßen von Seoul, in spärlich beleuchteten, endlosen Fluren und in nächtlichen Appartements abspielen. Für das klaustrophobische Gepräge sorgen derweil die labyrinthischen Straßen der Metropole, die pragmatisch-platzsparend eingerichteten Lebens- und Arbeitsräume und der mechanisch-triste Alltag ihrer Bewohner. Um angesichts dieser Kulisse ein permanentes Schaudern zu empfinden, braucht es eigentlich gar kein Phantom mehr.
Der Schrecken pulsiert unter der Oberfläche. Eine der stärksten Szenen des Films zeigt den Eindringling, der wie ein Schatten unter dem Bett der schlafenden Gyeong-min hervorgleitet. Während sie noch täglich den elektronischen Zugangscode zu ihrer Wohnung ändert, schmiegt er sich bereits jede Nacht an die junge Frau, die er zuvor betäubt. Wenn Gyeong-min morgens mit Kopfschmerzen erwacht, ahnt sie nicht, dass ihr Phantom sie nur Stunden zuvor verlassen hat – dieses grausame Geheimnis teilt nur der Zuschauer.
Die wenigen actionreichen Szenen, in denen der Horror sich überschlägt, stechen vor diesem ruhigen Hintergrund umso drastischer hervor. Die Kamera freilich bleibt davon unbeeindruckt; präzise wie ein Rasiermesser fängt sie die einzelnen Szenen ein und sorgt für subtiles Unwohlsein. Door Lock gelingt es aber auch in der Zwischenzeit, die Nerven seiner Zuschauer zu strapazieren und die Spannung hochzuhalten. Denn der Horror lauert an allen Enden, und man muss nicht erst unters Bett schauen, um seiner ansichtig zu werden: Der toxische Alltag und die radikale Vereinzelung der Millionenmetropole halten die Protagonisten fest umschlossen und sorgen für einen ganz eigenen urbanen Alptraum.
Lee inszeniert diesen Alptraum mit einer Tiefe und Wucht, die sich auch dem großartig aufgelegten Cast verdankt. Besonders die packende Performance von Hauptdarstellerin Gong Hyo-jin hallt noch lange nach. Sie stattet die fragile und zurückhaltende Figur der Gyeong-min mit einem fesselnden Charisma aus, dass die Herzen der Zuschauer augenblicklich für sie einnimmt. Die schweigsame Heldin wird im Verlauf der Handlung zur Projektionsfläche ihres (männlichen) Umfeldes: vom Fräulein in Nöten, das es unaufgefordert zu beschützen gilt, über die hysterische Singlefrau, die sich einen Stalker herbeiphantasiert, bis hin zur versnobten Emanze, die sich doch glatt der Caféeinladung eines Wildfremden verweigert. Stoisch nimmt sie all diese Zuschreibungen hin, um im entscheidenden Moment aufzudrehen und ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Gong transportiert diese Entwicklung nicht nur mühe-, sondern vor allem nahezu wortlos. Mehrmals ist sie dem kompletten Zusammenbruch nahe – und der Zuschauer mit ihr.
Fazit
Mit Door Lock liefert Regisseur Lee Kwon einen bemerkenswerten Genre-Beitrag, der sich schon in den ersten Minuten von seiner filmischen Vorlage, dem spanischen Thriller Sleep Tight, lossagt. Die düstere Inszenierung lebt von ihrem konstant bedrohlichen Grundton, dem klaustrophobischen Setting und der großartigen Leistung von Hauptdarstellerin Gong Hyo-jin. Door Lock erklärt die Metropole Seoul zum Angst(t)raum und spürt den bösen Ahnungen seiner Hauptfigur in jedem Winkel nach. Ein meisterlich komponierter Thriller, der noch lange im Gedächtnis verweilt. Was bleibt, sind ein drückendes Gefühl in der Magengrube und das dringende Verlangen sofort zu überprüfen, ob die Haustür auch wirklich abgeschlossen ist.
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Bildquelle: Door Lock © Megabox Plus M