Die Zeit der Wölfe (1984) – Review
Die Zeit der Wölfe nimmt uns mit in die Welt unserer animalischen Albträume, in ein Reich der Werwölfe. Seid ihr bereit eure Unschuld zu verlieren?
Originaltitel: |
The Company of Wolves Großbritannien 95 Minuten Neil Jordan Angela Carter, Neil Jordan Sarah Patterson, Angela Lansbury u.a. Märchensammlung „Blaubarts Zimmer“ von Angela Carter |
Hintergründe & Inhalt
Die Zeit der Wölfe basiert auf der Geschichtensammlung „Blaubarts Zimmer – Märchen aus der Zwischenwelt“ von Angela Carter, die sich darin unterschiedlichen europäischen Märchen annahm und diese mit Sex und Gewalt anreicherte beziehungsweise vorhandene Andeutungen verstärkte und explizit ausformulierte. Carter hatte zuvor schon eine der zehn Geschichten fürs Radio adaptiert und schrieb basierend darauf auch das Drehbuch für Die Zeit der Wölfe. Auf dem Regiestuhl nahm Neil Jordan Platz, der sich 10 Jahre später mit Interview für einen Vampir einem weiteren großen Horror-Motiv zuwandte.
Die Zeit der Wölfe beginnt mit dem Alltag einer vierköpfigen Familie. Alice soll ihre jüngere Schwester Rosaleen wecken, doch diese windet sich im Schlaf. Kurze Zeit später finden wir uns in Rosaleens Albtraum wieder. Ihre Schwester hetzt durch einen angsterregenden, düsteren Märchenwald, gespickt mit Rosaleens übergroßen, lebendigen Spielsachen und einem Rudel Wölfe, dem die Gehetzte schlussendlich zum Opfer fällt. Rosaleen ist in ihrem Traum eine einfache Bauerstochter aus einem vorangegangenen Jahrhundert. Nach der Beerdigung ihrer Schwester übernachtet Rosaleen bei ihrer Großmutter (Angela Lansbury, Mord ist ihr Hobby), die ihr eine von vielen Geschichten über Werwölfe erzählt…
Kritik
Interessant an Die Zeit der Wölfe ist allein schon die Erzählweise mit mehreren Erzählsträngen innerhalb der Geschichte und zwei Rahmenhandlungen. Die erste Rahmenhandlung führt uns auch gleich schon vor Augen, dass wir uns von hier an im Land der Träume befinden, dem Reich der unterdrückten Ängste und Begierden. Gerade die ersten Traumszenen werfen uns direkt in diese albtraumhafte Welt hinein. Durch das absolut umwerfende Set Design von Anton Furst (Batman) wird eine sehr gruselige und märchenhafte Atmosphäre erzeugt, die teilweise an Jan Svankmajers Alice erinnern, wenngleich die Inszenierung des tschechischen Surrealisten noch etwas verstörender ist. Ein wahrlich grandioser Einstieg in die erträumte Welt von Rosaleen, in der ihre erwachsene Schwester schon früh den Tod findet.
Rosaleen selbst steht an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Als sie die Nacht bei ihrer Großmutter verbringt, ringt diese mit sich, ob ihre Enkelin denn schon alt genug sei für ihre Geschichten rund um haarige Bestien – manche davon haarig außen, andere metaphorisch innerlich. Es sind stark sexuell aufgeladene Geschichten über das Animalische im Manne. Die Zeit der Wölfe nimmt hierbei besonders Bezug auf das Verhalten von Männern in der Ehe, die vor der Trauung noch als unschuldige Lämmchen daherkommen und sich dann als reißerische Missbrauchswölfe entpuppen. Es sind mahnende Erzählungen der Großmutter: Rosaleen soll niemals vom Weg abkommen und keinen Fremden vertrauen, schon gar nicht jenen mit zusammengewachsenen Augenbrauen. Die Geschichten repräsentieren Rosaleens Ängste vor dem Erwachsenwerden, vor Männern und vor Sexualität.
In der Geschichte, die Rosaleen ihrer Mutter erzählt, gestaltet sich dies schon anders. Hier ist es eine Hexe, die sich an einem vormaligen Liebhaber rächt und eine gesamte Hochzeitsgesellschaft unter ihre Kontrolle bringt. Die Mutter gibt zu bedenken, dass Rosaleens Großmutter zwar viel, aber sicher nicht alles weiß: Sollte in den Männern eine Bestien stecken, so fände diese in den Frauen ihr Gegenstück. Darin ist durchaus ein gewisser Wandel zwischen den Generationen zu erkennen. Während sich die Geschichten der Großmutter stark auf ein männliches Feindbild fokussieren, vor dem frau auf der Hut sein muss, wird bei Tochter und vor allem Enkelin daraus ein ausgeglichener Kampf mit dem Bedürfnis nach Souveränität.
Schon in Carters Vorlage steckt eine feministische Umdeutung der adaptierten Märchen und eine Ablehnung von Elementen der klassischen Schauerliteratur, wie zum Beispiel der Jungfrau in Nöten. Das ist auch in Die Zeit der Wölfe deutlich spürbar. So endet der Film in einem Akt der Befreiung: Rosaleen kann sich nicht nur von den einengenden Normen ihres Dorfes lösen, sondern auch angstbefreit zur ihrer eigenen Sexualität stehen.
Neben diesen inhaltlichen Stärken kann Die Zeit der Wölfe auch optisch voll überzeugen. Dazu gehören die schon angesprochenen atemberaubenden Set Designs, aber vor allem die ikonischen Verwandlungsszenen. Diese können zwar nicht ganz mit jenen von Rob Bottin (Das Tier) oder Rick Baker (American Werewolf) mithalten, aber verstecken müssen sich die Animatronic-Effekte von Stuart Robinson keineswegs, welcher zwei Jahre am Set von Der dunkle Kristall arbeitete und dort sicherlich einiges lernen konnte.
Fazit
Die Zeit der Wölfe ist ein großartiges Werwolf-Märchen, das vor allem durch seine Erzählstruktur, den vieldeutigen Subtext, das atemberaubende Set Design und höchst kreative Special Effects begeistert. Wer genug hat von zahnlosen Märchen und stattdessen endlich einmal einen hochgradig sexuell aufgeladenen Werwolfstreifen sehen will, ist hier genau richtig. Macht euch bereit für einen surrealen Albtraum.
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Bildquelle: Die Zeit der Wölfe © Concorde Video