Eraserhead
Kritik

Eraserhead (1977) – Review

„In Heaven everything is fine“, aber in Eraserhead ist nichts in Ordnung. David Lynchs Debütfilm ist düster, klaustrophobisch und gilt bis heute als einer der besten Filme aller Zeiten.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Eraserhead
USA
89 Minuten
David Lynch
David Lynch
Jack Nance, Charlotte Stewart, Allen Joseph u.a.

David Lynch gehört für mich, ohne Frage, zu den besten Regisseuren aller Zeiten. Die Art und Weise, in der Lynch seine Ideen auf die Leinwand transferiert, ist einfach über jeden Zweifel erhaben. Von mystischen Noir-Thrillern wie Mullholand Drive oder Inland Empire, über fast schon erdrückende Dramen wie Der Elefantenmensch bis hin zum extrem durchgestylten Wild at Heart, in welchem sogar Tausendsassa Nicholas Cage eine mehr als gute Figur macht, gibt es kaum einen Film, der er es nicht schafft mich vollends in seinen Bann zu ziehen. Ganz gleich, welches Genre der Ausnahmekünstler sich gerade zur Brust nimmt. Wenn Lynch etwas macht, dann bis hin zur Perfektion. Und man vergesse nicht seine mehrfach ausgezeichnete Mystery-Serie Twin Peaks, die mich wochenlang an den Fernsehbildschirm gefesselt und mir mehr als einmal wilde Träume beschert hat. Ich kann David Lynch einfach nicht genug lobpreisen. Doch es gibt einen Film, der mich bis heute weit mehr beschäftigt, als alle Filme seiner Filmographie zusammen. Einen Film, der weit über das hinausgeht, was man gewohnt ist. Und das ist David Lynchs Erstlingswerk Eraserhead aus dem Jahre 1977.

Eraserhead
Der ikonische Song „In Heaven“ aus Eraserhead wurde unzählige Male gecovert.

Inhalt

In Eraserhead geht es um Henry, einen schüchternen jungen Mann mit wirrer Turmfrisur, der von den Eltern seiner Freundin Mary eines Tages eine Einladung zum Abendessen erhält. Weil sich das Paar schon eine Weile nicht gesehen hat, nimmt Henry die Einladung eher zurückhaltend an. Doch der Ärmste muss nicht nur ein wirklich verstörendes Abendessen überstehen, sondern erfährt obendrein, dass Mary ohne sein Wissen ein Kind zur Welt gebracht hat. Noch verrückter wird es, als Mary bei ihm einzieht und sich das Kind als wenig menschlich entpuppt. Die frischgebackene Mutter ist schon bald mit den Nerven am Ende und lässt Henry mit dem unaufhörlich schreienden Kleinen allein. Ohne Hilfe und völlig überfordert mit der Situation, findet dieser sich schon bald in albtraumhaften Wahnvorstellungen wieder, welche sein ohnehin schon jämmerliches Dasein noch weiter auf die Probe stellen.

Kritik

„Was zum Henker geht hier ab?“ Eine Frage, die ich mir im Laufe des Films immer wieder gestellt habe. Abstrakt, irre und verstörend, das sind nur einige Wörter, die mir sofort in den Sinn kommen. Eines ist jedoch gewiss: Lynch nimmt keine Gefangenen. Eraserhead ist definitiv alles andere als leichte Kost. Man könnte stunden-, tage-, wenn nicht sogar wochenlang über die Bedeutung einzelner Szenen diskutieren oder diese analysieren, ohne auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Was will Lynch mit diesem Werk aussagen? Gibt es überhaupt eine tiefere Bedeutung? Spiegelt der Film vielleicht sogar Teile und Einflüsse aus dem Leben seines Schöpfers wider? David Lynch hat in diversen Interviews erzählt, wie er einst mit seiner damaligen Frau Margeret und der gerade geborenen Tochter Jennifer auf engstem Raum in einem Industriegebiet in Philadelphia gewohnt hat, in dem Gewalt, Einbrüche und sogar Mord an der Tagesordnung waren. Da stellt sich mir die Frage: Ist Henry in Wirklichkeit David Lynch? Ist Eraserhead vielleicht sogar teils autobiografisch?

Eraserhead

Der Film fühlt sich für mich surreal an. Wie in einem Traum, gibt es keine feste Orts-, oder Zeitangabe, Personen verhalten sich entgegen normaler Gepflogenheiten, wirre, fast schon hypnotisch anmutende Ereignisse und unwirkliche, gänzlich alptraumhafte Szenarien spielen sich auf der Leinwand ab. Alles scheint quer gegen den Strich zu laufen und lässt einem die Nackenhaare zu Berge stehen. Insbesondere auch deshalb, weil Lynch sich dafür entschieden hat, den Film in Schwarz-Weiß anstatt in Farbe zu drehen. Durch diesen Umstand, in Kombination mit dem dauerhaften Soundteppich aus nervenaufreibenden Geräuschen, sowie einem der besten Schockmomente jenseits des klassischen Horrorfilms, wirkt der Film umso befremdlicher und schafft es, den Zuschauer immer tiefer in die Spirale aus Verzweiflung, Wahnsinn und Mitleid zu ziehen. Ich jedenfalls fühlte mich angewidert und beeindruckt zugleich, was in der Form eher selten passiert.

Lynch brauchte fünf Jahre vom Entwurf des gerade einmal 21 Seiten langen Skripts bis zur Fertigstellung. Als der Film 1977 uraufgeführt wurde, gab es nichts Vergleichbares und so wurde Eraserhead für Jahrzehnte zum Inbegriff des Mitternachtsfilms. Es ist ein reiner, ursprünglicher Lynch, dessen Echo man in der Stimmung und Atmosphäre seiner späteren Werke wie Der Elefantenmensch (1980) wiedererkennen kann, die aber nie wieder die gleiche Intensität und Wirkung erreicht haben.

 

Bewertung

Spannung Rating: 1 von 5
Atmosphäre Rating: 5 von 5
Gewalt  Rating: 0 von 5
Ekel  rating3_5
Story  Rating: 4 von 5

Bildquelle: Eraserhead © Arthaus Filmverlei

Horrorfilme sind wie Essen. Zwischen dem immer gleichschmeckenden Fast Food, gibt es auch mal kulinarische Höhepunkte, die es aber nur zu Erkunden gibt, wenn man sich auch mal traut, etwas Neues auszuprobieren.

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