Rakka, Firebase, Zygote
Kritik

Triple Feature: Sci-Fi-Horror-Kurzfilme von Neill Blomkamp

Neill Blomkamp, der Regisseur von District 9 und Chappie, hat vor kurzem ein eigenes Produktionsstudio gegründet und zeigt auch sogleich mit drei überaus sehenswerten Kurzfilmen was wir uns in Zukunft von Oats Studios erhoffen können.

Die in den letzten Wochen veröffentlichten Kurzfilme laufen unter Oats Studios – Volume 1 und sind kostenlos auf deren Youtube-Channel abrufbar. Diese erste Reihe dürfte als Appetithappen und Finanzierungshilfe für Oats Studios – Volume 2 gedacht sein, welche dann gegen ein geringes Entgelt angeboten wird. Für diese Vertriebsweise entschied sich Blomkamp unter anderem wegen seinen Erfahrungen mit größeren Hollywoodstudios, welche nicht zu inhaltlichen oder visuellen Experimenten bereit seien. Dafür gibt es nun Oats Studios, wo sich Blomkamp dementsprechend austoben will.

Was Blomkamps frei laufende Kreativität mit geringem Budget so auf die Beine stellt, schauen wir uns nun im Detail an.

Rakka (2017)

Mit Rakka entführt uns Blomkamp, der zusammen mit Thomas Sweterlitsch auch für die Drehbücher verantwortlich war, in eine dystopische Zukunft. Die Erde ist von echsenartigen Aliens besetzt, die Oberfläche der Erde teilweise schon stark verändert und die Menschheit quasi ausgerottet. Es gibt nur noch kleine Gruppen von Überlebenden, die sich mit allen Mitteln gegen die Aliens zu wehren versuchen, sofern sie den Aliens nicht für Experimente oder als Brutstätten dienen.

Während Blomkamp sich bei der Inszenierung von Rakka an einem fast schon pseudo-dokumentarischen Stil versucht, gleicht der Handlungsaufbau einer Kurzgeschichte, was erstaunlicherweise sehr gut miteinander harmoniert. Inhaltlich werden wir mitten ins Geschehen geworfen, um nach gut zwanzig Minuten genau so abrupt wieder draußen zu sein. Hier erweist es sich dann als sehr angenehm, dass die gesamte Geschichte durch das Voice Over und nachrichtenähnliche Szenen in einen leicht verständlichen Kontext gesetzt wird.

Dies ist wunderschön verpackt, denn die apokalyptischen Bilder sehen großartig aus. Die biomechanischen Elemente der Aliens erinnern dabei stark an Tetsuo wie auch an viele Werke von H. R. Giger, wie zum Beispiel die Alien-Reihe.

Wie auch schon Blomkamps vorherige Werke eignet sich auch Rakka als Metapher für aktuelle oder auch historische Geschehnisse. Die Aliens können dabei für alle möglichen Besatzungsmächte stehen und viele weitere Details laden zum interpretieren ein. So ist Rakka nicht nur spannend inszeniert und schön anzuschauen, sondern bietet durchaus auch noch eine tiefere Ebene, über die man sich Gedanken machen kann.

 

Firebase (2017)

Mit Firebase wechseln wir von der dystopischen Zukunft in die Dschungelhölle des Vietnamkrieges. Hätte das US-amerikanische Militär nicht schon genug Schwierigkeiten mit dem Vietcong, gesellen sich nun auch übernatürliche Phänomene hinzu. Der mythische wütende Flussgott – von den GIs als Satan identifiziert – geht um.

Blomkamp lehnt sich hier stilistisch erneut an das Genre des Dokumentarfilms an. Er zeigt Archivmaterial (für den Film gedreht), das einen den Krieg hautnah erleben lässt und zur groben Orientierung dient. Die hitzige Dschungel-Atmosphäre ist gut eingefangen und im Gegensatz zu Rakka wird der Gore-Gehalt drastisch erhöht. Ebenfalls wurde sehr viel Wert auf eine zeitgetreue Ausstattung gelegt. Dabei wurden die Charaktere vernachlässigt und auch schauspielerisch kann dieser Teil nicht mit den anderen beiden mithalten.

Trotz der vielen positiven Punkte fiel es mir schwer, in die Geschichte hineinzufinden, sie wirkt zu überfrachtet und einem Kurzfilm von gut zwanzig Minuten bricht dies das Genick. Bis zum Schluss konnte ich keine Verbindung zu den handelnden Personen oder dem sich entfaltenden Drama aufbauen. Die hintergründige Story, die sich rund um Kriegsverbrechen entfaltet, konnte zwar noch mein Interesse wecken, schwächelte jedoch in seiner Umsetzung. Auch wenn Firebase für mich dadurch leider ein schwacher Mittelteil war, lohnt es sich dennoch, einen Blick zu wagen.

 

Zygote (2017)

Illustration zu Dantes Göttliche Komödie
Illustration von William Blake zu Dantes Göttliche Komödie

Zum Abschluss begeben wir uns in eine klaustrophobische Förderanlage in der Arktis und das Setting könnte einem schon entfernt bekannt vorkommen. Wenn ich zudem lese, dass diese Anlage einem Unternehmen namens Cerberus gehört, regt sich endgültig ein leiser Verdacht. Kerberos ist in der griechischen Mythologie ein mehrköpfiger Höllenhund, der die Tore zur Hölle bewacht.

Zu Beginn ist von der nahenden Gefahr nichts zu sehen, dennoch wird durch die Location und durch die Dialoge eine bedrohliche Atmosphäre erzeugt. Flackernde Lichter, Alarmsirenen, unregelmäßige Kurzschlüsse. Dies ist vollkommen ausreichend um die Spannungsschraube anzuziehen, sodass die sehr blutigen Rückblenden gar nicht nötig gewesen wären. Diese sind jedoch kurz gehalten und nehmen dadurch nicht unnötig Geschwindigkeit aus der Geschichte.

Das Tempo wird hier im Vergleich zu den zwei Vorgängern deutlich erhöht. Blomkamp verliert diesmal keine Zeit für Einleitungen oder einen größeren Handlungsrahmen. Mit Zygote gibt es zwanzig Minuten erstklassige, temporeiche Horror-Sci Fi-Action. Als schließlich das Monster auftaucht, gibt es keine Gelegenheit mehr zu verschnaufen.

Wer bei der Ausgangslage noch nicht an The Thing – Das Ding aus einer anderen Welt oder die Vorlage „Who Goes There“ denken muss, wird dies wohl spätestens beim Auftauchen des Monsters unweigerlich tun. Insbesondere der Einfluss von John Carpenters Adaption auf Zygote ist unübersehbar.

So verstehe ich diesen Kurzfilm dann in erster Linie auch als kleine, überaus gelungene Hommage daran. Das Setting ist toll in Szene gesetzt, das Creature Design kann sich wirklich sehen lassen und vor allem auch die Schauspielleistungen von Dakota Fanning (Hide and Seek) und Jose Pablo Cantillo (Chappie) sind durchaus überzeugend. Alles in allem ein würdiger Abschluss und für mich das Highlight dieses Volumens.

 


 

Unterm Strich sind Neill Blomkamps Kurzfilme sehr sehenswert und zeugen von sehr viel kreativem Potenzial. Daher bleibt es zu hoffen, dass er mit seiner neuen Vertriebs- und Finanzierungsstrategie Erfolg haben wird und wir in Zukunft mehr davon zu sehen bekommen.

Ihr könnt Oats Studios übrigens auch selbst unter die Arme greifen in dem ihr die Filme auf Steam kauft und somit sicherstellt, dass wir auch in Zukunft noch viel von Blomkamps Visionen zu Gesicht bekommen.

Horrorfilme sind für mich ein Tor zu den unheimlichen, verstaubten Dachböden und finsteren, schmutzigen Kellern der menschlichen Seele. Hier trifft man alles von der Gesellschaft abgeschobene, unerwünschte, geächtete, begrabene: Tod, Schmerz, Angst, Verlust, Gewalt, Fetische, Obsession. Es ist eine Entdeckungsreise auf die "Schutthalde der Zivilisation". Auf diese Reise würde ich euch gerne mitnehmen.

...und was meinst du?