The Hunt (2020) – Review
The Hunt ist ein satirischer und in Gore getränkter Rundumschlag, der für viele Diskussionen sorgte, bevor ihn überhaupt wer gesehen hatte. Wir haben uns unter die Jagdgesellschaft gemischt und verraten euch, was es mit der ganzen Aufregung auf sich hat.
Originaltitel: | The Hunt |
Land: | USA |
Laufzeit: | 90 Minuten |
Regie: | Craig Zobel |
Drehbuch: | Nick Cuse, Damon Lindelof |
Cast: | Betty Gilpin, Hilary Swank, Ike Barinholtz u.a. |
„Verrückt und bösartig“
So bezeichnete Fox News Anfang August 2019 die Satire The Hunt, die sechs Wochen später in den Kinos starten sollte, und setzte damit eine Welle der Entrüstung in Schwung. Zwei Tage später folgte US-Präsident Donald Trump seiner Informationsquelle Nr. 1 und verurteilte das linke Hollywood ob seines hasserfüllten Rassismus. Am nächsten Tag verkündete Universal, dass die Veröffentlichung des Films gestrichen sei – als Grund dafür wurden zwei Amokläufe genannt, die sich kurz zuvor ereignet hatten.
Schnell wurde The Hunt, zumindest in den USA, zu einem überaus kontrovers diskutierten und vor allem in konservativen Kreisen geächteten Film, obwohl kaum jemand mehr kannte als den Trailer. Das war auch gar nicht nötig, denn Stein des Anstoßes waren die simple Geschichte an sich und ein kleines Wort aus dem Drehbuch. Denn die Koproduktion von Universal und Blumhouse dreht sich ganz im Stile von Graf Zaroff – Genie des Bösen darum, dass eine reiche Elite offenbar zum Zeitvertreib Jagd auf Menschen macht. Als wäre das allein nicht schon genug, um nach zwei Amokläufen für Aufregung zu sorgen, wurde es politisch erst richtig brisant als die Gejagten als „Deplorables“, Bedauernswerte, bezeichnet wurden. Dieser Begriff ist in den USA äußerst vorbelastet, wurde er doch von Hillary Clinton im Wahlkampf gegen Donald Trump verwendet, die dessen Supporter, frei übersetzt, als eine Ansammlung von bedauernswerten Rassisten, Sexisten, Homophoben und Xenophoben bezeichnete. Damit wurde der Film schnell als linke Gewaltphantasie gebrandmarkt, in dem eine linke Elite Jagd auf Trump-Supporter macht und diese bestialisch zur Strecke bringt.
Inzwischen hat es der Film doch noch auf die Kinoleinwände der USA geschafft und auch wir konnten uns ein Bild davon machen, ob der ganze Trubel gerechtfertigt war.
Demokraten vs. Republikaner?
Zunächst einmal: Ja, der Film handelt, vereinfacht gesprochen, von einer Gruppe reicher Liberaler, die Jagd auf Republikaner machen – und das ist im Grunde auch schon die gesamte Story. Doch während der Beginn in seiner Tonalität noch Assoziationen zu Die Tribute von Panem – The Hunger Games oder gar Battle Royale aufkeimen lässt, bleibt dank der schon in Kürze wild umherfliegenden, abgetrennten Körperteile kein Zweifel daran, dass wir es mit einer äußerst blutigen Satire zu tun bekommen.
Ohne größere Exposition werden wir Teil der Gejagten und dürfen mit ihnen bangen, ob sie der bisweilen gesichtslosen Gefahr entkommen werden können. Die Sympathien sind hier zu Beginn sehr eindeutig verteilt, weshalb der Vorwurf der linken Gewaltphantasie auch vollkommen absurd ist.
Stattdessen verteilt der Film schon in diesem rasanten und launigen ersten Drittel äußerst geschickt gesetzte kleinere Spitzen gegen alle Seiten. So wird der Einsatz des Wortes „Snowflake“ parodiert, aber auch „White guilt“ bekommt sein Fett weg, wenn ein linkes, weißes Ehepaar sich darüber streitet, wie sie denn nun korrekterweise Afroamerikaner bezeichnen dürfen, nur um zum Schluss zu kommen, dass sie als Weiße doch einfach das Allerletzte sind. Da sich der Film stark auf den politischen Diskurs in den USA bezieht, stellt sich für mich auch die Frage, inwieweit es gelingt dies nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell zu übersetzen.
Gnadenloser Rundumschlag
Im Verlauf der Geschichte dürfen wir nicht nur mit den Gejagten mitfiebern, sondern lernen wir diese auch besser kennen, was dem Identifikationspotential nicht sonderlich zuträglich ist. Denn schnell wird klar, dass wir es hier mit Wilderern, Verschwörungstheoretikern, Rassisten und ähnlichen unappetitlichen Gesellen zu tun haben. Doch auch die andere Seite bekommt mit der Zeit Kontur und schnell wird klar, dass die schnöseligen Pseudo-Weltverbesserer keineswegs sympathischer sind.
The Hunt inszeniert hier somit überhaupt keinen Kampf Links gegen Rechts. Die titelgebende Jagd ist allein Kulisse, vor der sich die Satire einen gnadenlosen Rumdumschlag erlaubt und dabei niemanden unbeschmutzt lässt. Die Drehbuchautoren Damon Lindelof (Lost) und Nick Cuse (Serie Watchmen) arbeiten dabei mit allerlei Überspitzungen und denken die derzeitige Spaltung der Gesellschaft konsequent zu Ende. Der für mich interessanteste Ansatz des Drehbuchs ist Lindelofs und Cuses Umgang mit alternativen Fakten, Filterblasen und Echokammern und das Aufzeigen der schmerzlichen Konsequenzen, die diese selbstgeschaffenen Realitäten schlussendlich für uns alle haben können.
The Hunt lässt uns mit den ganzen Wahnsinnigen auf beiden Seiten jedoch nicht allein, sondern stellt uns Betty Gilpins Charakter Crystal zur Seite. Dem Drehbuch gelingt dabei der Drahtseilakt so wenig über sie zu verraten, dass sie keiner Seite zuordenbar ist, ihr aber dennoch genug Profil zu verleihen um die Figur zum Leben zu erwecken. Gilpin ist hierfür eine hervorragende Besetzung, die schon in der Wrestling-Serie Glow, bezeichnenderweise in der Rolle als American Sweetheart Liberty Bell, voll überzeugen konnte.
Es ist nur schade, dass der Streifen den Schwung nach dem fulminanten Start nicht mitnehmen kann und im zweiten Drittel etwas versumpft. The Hunt wird zwar nie wirklich langweilig, ist aber etwas sketch-artig geraten, ohne großartig etwas zu erzählen zu haben, wodurch er leider auch Leerlauf generiert und zuweilen etwas fragmentarisch wirkt. Glücklicherweise macht das furiose und blutige Finale mit actionreich choreographierten Kampfszenen einiges wieder wett.
Ein blutiger Kommentar
Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird und so offenbart sich auch der Trubel um The Hunt als reichlich übertrieben. Natürlich teilt die Satire fleißig aus und für ein nicht Horror-affines Publikum dürften der Gore-Gehalt und die Gewaltspitzen wohl durchaus beträchtlich sein, allerdings auch nicht brutaler als ein typischer Tarantino-Streifen. Alles in allem ist der Film von Regisseur Craig Zobel (The Leftovers) ein clever inszenierter, blutiger und actionreicher Kommentar über die Absurditäten der US-amerikanischen Polit- und Diskussionskultur, der sich allerdings auch problemlos auf uns übertragen lässt.
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Bildquelle: The Hunt © Universal Pictures