Jörg Buttgereit
Interview

Interview mit Jörg Buttgereit (Nekromantik, Der Todesking) (Teil 1 von 3)

Wir hatten das Vergnügen mit Jörg Buttgereit ein Interview zu führen und haben über Nekromantik, Zensur, die Faszination an Monsterfilmen und vieles mehr gesprochen.

Unser Autor Thomas hatte sich mit Jörg Buttgereit in Berlin getroffen, um über ihn und sein künstlerisches Schaffen zu plaudern. Dabei hat uns der Autor, Kritiker und Film-, Theater- und Hörspielregisseur einige spannende Einblicke gewährt. Viel Spaß!

Hallo Jörg! Vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns nimmst. Starten wir mit zwei deiner bekanntesten Filme: Nekromantik 1 und 2.
Du hast einmal gesagt Nekromantik 2 sei ein Horrorfilm für Frauen.

Es ist tatsächlich so, dass eine der ersten Vorführungen in Österreich auf einem Frauen-Filmfest stattfand. Da dachte ich mir, das ist doch super. Das ist glaube ich einer der wenigen Horrorfilme, die auch unter Frauen einen recht guten Ruf haben.

War dir im Vorhinein klar, dass es bei Nekromantik zu Zensurproblemen kommen wird?

Tatsächlich hat ja erst der Zweite die Zensurprobleme bekommen. Also hatte ich mich eigentlich schon fast sicher gefühlt. Beim Ersten war das ja nicht abzusehen, dass der Film so einen Bekanntheitsgrad erreicht. Ich hätte mir schon denken können, dass den einige Leute nicht mögen werden, aber der war ja eigentlich für das Berliner Punkrock-Publikum, für so ein paar Kneipen, gedreht. Der lief dann zwar auch im Kino, die Premiere auch, da waren auch ungefähr 500 Leute da, obwohl nicht so viele Sitzplätze da waren, aber dass der so einen durchschlagenden Erfolg haben würde, dass der selbst bei der Bundesprüfstelle aufschlägt, das war mir nicht klar. Da war ich einfach noch zu naiv. Aber natürlich ist die Provokation, die da drin steckt, ein Protest gegen die Zensurpolitik damals. Es war im Prinzip geplant, aber ich hätte nicht zu hoffen gewagt, dass es tatsächlich so weit kommt.

Als ich in Nekromantik 2 dann einen Schritt weiter ging und Beschlagnahme folgte, also mit der Bundesprüfstelle und einem Verbot regelrecht und Ermittlungsverfahren und Hausdurchsuchungen und so, da hörte der Spaß dann natürlich auf, da wurde es bedrohlich. Später gab es dann eine Hausdurchsuchung beim Produzenten. Das war schon hart, weil wenn wir den Prozess, der sich irgendwie zwei Jahre in die Länge gezogen hatte, nicht gewonnen hätten, dann hätten die den Film auch einbehalten. Dann hätte man vielleicht bis heute warten müssen. Heute ist das Thema ja ein anderes. Heute kann man Sachen wieder relativ leicht vom Index holen oder auch von der §131-Liste, aber damals war das eigentlich eine totale Ausnahme. Mir hat mal jemand gesagt, dass ich damals der erste war, der einen Film wieder von der Liste runterbekommen hat, weil einfach ein Prozess geführt wurde.

Kurz vor Nekromantik 2 ist im Werkstattkino, wo auch Nekromantik 2 beschlagnahmt wurde in München, auch Texas Chainsaw Massacre 2 beschlagnahmt worden und du siehst ja wie lange es gedauert hat bis der runter kam. Da war damals aber auch gar kein deutscher Vertrieb dahinter. Es gab den einfach nicht. Das Werkstattkino hatte einfach eine Kopie gekauft, eine amerikanische. Der Film ist in Deutschland ohne, dass er einen Vertrieb oder Verleiher gehabt hätte beschlagnahmt worden.

Wobei der ja aus heutiger Sicht relativ harmlos ist, gerade wenn man sie mit den Remakes vergleicht.

Aber TCM 2 hat ja auch diese Phallus-Symbolik, die in der Kettensäge drin ist, das wird ja schon ausgespielt und die Amis sind ja schon ein bisschen prüder als die Deutschen, also für die war das schon was, glaub ich. Aber letztendlich wirkt der Film heute ein bisschen wie eine Komödie, das stimmt schon. Auch weil die Effekte alle praktisch sind. Aber als ich den das erste Mal gesehen hatte, hatte ich eine alte VHS-Raubkopie aus Holland gesehen und da war kaum was zu sehen. Da war nur der Ton drauf zu hören und dazu irgendwelche zerstörten Bilder. Da dachte ich mir auch „Boah, was ist denn da los“. In meiner Imagination war der sehr hart.

So ging es mir früher mit Tanz der Teufel und das war eine Videokassette, die war tausendmal überspielt und da hat man nur noch so weiche Gesichter gesehen. Das war noch vor der Wende.

Den hatte ich noch richtig im Kino gesehen, als er noch nicht beschlagnahmt war.

Neulich gab es auf ARTE mal so eine Doku wie die Videorevolution Ceaușescu gestürzt hat und es wird ja auch gesagt, dass selbst in Nordkorea als in China die DVD rauskam die ganzen alten VHS-Rekorder und Tapes rauskamen über diese Brücke in China nach Nordkorea gewandert sind und die sehen da Sachen, die sie eigentlich nicht sehen sollen. Das ist ja doch die einzige noch funktionierende Diktatur zurzeit noch. Und ich find es bemerkenswert wie Mainstreamkultur so ganze politische Systeme stürzen kann. Das sollte man nicht unterschätzen. Die Doku hieß glaube ich Wie Rocky Ceaușescu stürzte (Anm. d. Red. Wie Hollywood Ceaușescu stürzte), weil die ganzen Stallone-Filme da wohl total bekannt waren. Deswegen wundert es mich, dass es im Osten auch schon damit losging mit VHS damals.

Ja, um die Filme zu bekommen wurden diese dann getarnt in einer Puppe oder so, damit man es eben nicht sieht bei der Kontrolle. Es gab da schon so ein paar Möglichkeiten sich die Filme zu besorgen.

Wir haben immer in Holland getauscht. Die sind dann oft im Zoll hängen geblieben und wir haben die dann immer als Leerkassetten getarnt, waren ja auch nur Kopien und die dann wieder eingeschweißt, also als wie wenn man so Leerkassetten verschickt. Manchmal haben die die dann auch aufgemacht. Das passiert heute ja manchmal immer noch, wenn man Sachen aus dem Ausland bekommt, die bleiben jetzt aber vornehmlich beim Zoll hängen, weil die Geld haben wollen, weil die da einfach die Mehrwertsteuer draufhauen wollen.

Du bist bekannterweise großer Monsterfan und hast dazu Bücher geschrieben und Dokus gedreht. Woher kommt die Faszination für Monster?

Die MonsterinselHier in Schöneberg – ich bin hier aufgewachsen – in der Hauptstraße oben, da waren früher drei Kinos und am Wochenende liefen da im Jugendprogramm nur die japanischen Godzilla-Filme, die Hammer-Horrorfilme, die alten Universal-Monsterfilme, so ein paar „Jack Arnold“-Filme, Planet der Affen kam dann später noch dazu, manchmal noch mal so etwas wie Ben & Willard aber eigentlich kam da nur Horror-Schlonz. Ich war irgendwann schockiert festzustellen, dass es auch Filme gibt, in denen keine Monster vorkommen; im Fernsehen oder so. Ich fand es normal und deswegen ist die Sozialisation da entscheidend gewesen.

Ich habe mir dafür auch die Laserdiscs gekauft, weil früher die Godzilla-Filme gar nicht erst rausgekommen sind – gerade die aus den frühen Neunzigern – und die einzige Möglichkeit die zu sehen, war sich die als Laserdisc über das Videodrom in Berlin in Japan als Laserdisc bestellen zu lassen. Die haben dann immer 119 Mark oder so gekostet und dann hatte ich einen neuen Godzilla-Film in Japanisch.

Hast du einen Lieblingsmonsterfilm und gab es in den letzten Jahren sehenswerte Monsterfilme für dich?

Shingodzilla war toll. Also der vorletzte Godzilla-Film von 2015. Der ist von Splendid auf DVD rausgekommen – Mitte letzten Jahres glaube ich. Das ist tatsächlich eine direkte Umsetzung der Fukushima-Katastrophe mit all den Dingen, die die japanische Regierung damals auch verbockt hat. Das ist ein durch und durch politischer Film. Ist vielleicht ein bisschen ermüdend für „Westler“, wenn man sich da nicht so auskennt. Aber ich fand den total super und die Kritiken waren eigentlich auch alle recht gut.

Und dein Lieblings-Monsterfilm? So von allen, die du bisher gesehen hast?

Das sind in der Regel wirklich alte Sachen, die ich als Kind gesehen habe. Es gibt so aus den verschiedenen Subgenres Sachen, die mich damals  total aus den Socken geschossen haben. Es war das erste Mal, als ich Sindbads siebente Reise gesehen habe; dieser Harryhausen-Sindbad-Film mit dem Zyklopen. Der lief im Ostfernsehen. Die habe ich in Schwarz-Weiß das erste Mal gesehen, da konnte ich noch nicht richtig denken. Dann habe ich ihn irgendwann mal auch im Ostfernsehen in SECAM, also in diesem Ost-Farbsystem, mit meinem Videorekorder aufgenommen und dann immer so geguckt. Und dann lief noch als ich ganz klein war schon immer Frankensteins Braut im Fernsehen. Der lief nachts und da hat mich mein Vater immer geweckt. Den habe ich auch total geliebt, von James Whale. Ohne den ein heutiger Tim-Burton-Film gar nicht denkbar wäre, weil da eigentlich alles schon angelegt ist. Dann gab‘s noch bei den Godzilla-Filmen damals tatsächlich den von 1971, der hieß auf Deutsch Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster was nicht viel mit dem Originalfilm zu tun hatte. Also den fand ich total super. Und irgendwas hatte ich noch im Kopf. Aber das sind ja auch schon drei statt nur einem. Was auch viel damit zu tun hat, dass ich in einem Alter war, in dem ich noch den Filmen geglaubt habe. Heute geht man ja viel analytischer ran, was natürlich viele Filme kaputt macht. Aber das Lustige ist, wenn ich mir heute diese alten Godzilla-Filme, wo die Leute noch in Gummikostümen herum rennen, ansehe, dann erscheinen mir die besser als alles, was die Amis in der Zeit gemacht haben.


In Teil zwei geht es um German Angst, Finanzierungsprobleme, A Serbian Film, Marian Dora und Jörgs Lieblingsfilme und in Teil drei um seine Arbeit als Kritiker, welche Themen ihn interessieren würden, das Videodrom in Berlin, Streamingdienste und seine Arbeit fürs Theater.

 

Das Interview wurde von Thomas Ortlepp geführt und von Heike Fleischmann transkribiert.

Titelbild: Vera de Kok (CC BY-SA 4.0)

Seid gegrüßt, Ich habe unzählige Namen und erscheine in vielen Gestalten. Hier kennt man mich als Dark Forest und ich bin euer Gastgeber. Ich führe euch durch die verwinkelten Bauten, düsteren Wälder und verfallenen Ruinen. Immer mir nach!

...und was meinst du?