Holiday – Sonne, Schmerz und Sinnlichkeit (2018) – Review
Mit ihrem Regie-Debüt wagt Regisseurin und Drehbuchautorin Isabella Eklöf einen kühnen und mutigen Filmversuch im Gewand eines Arthouse-Thrillers. Wir haben geschaut, was Holiday neben der heißen Sonne türkischer Strände an Schmerz und Sinnlichkeit zu bieten hat.
Originaltitel: |
Holiday Dänemark, Niederlande 93 Minuten Isabella Eklöf Isabella Eklöf, Johanne Algren Victoria Carmen Sonne, Lai Yde u.a. Ab 23.08.2019 im Handel |
Inhalt
Lange Beine stolzieren geradlinig und zielgerichtet durch eine leergefegte Flughafenhalle. Sie gehören zu Sascha (Victoria Carmen Sonne), einer geheimnisvollen, blonden Schönheit, die gerade an der türkischen Riviera gelandet ist. Zusammen mit ihrem Liebhaber, dem Clan-Boss Michael (Lai Yde), und seinen Gefolgsleuten verbringt sie ihren Urlaub dort zwischen wilden Partys, kostspieligen Shopping-Touren und einem Leben im Überfluss. Eines Tages spricht sie der Niederländer Thomas in einer Eisdiele an, die beiden treffen sich, lernen sich besser kennen. Doch trotz der Urlaubsidylle beginnt in Michael eine patriarchalische Eifersucht zu keimen, der alle Beteiligten auf ganz eigene Art und Weise begegnen…
Kritik
Bevor sich allerdings die undurchsichtigen Abgründe in Holiday auftun, stehen gemeinsames Chillen am Strand, der Kauf von ultra-exquisitem Schmuck und Grillpartys auf der Tagesordnung. Sascha genießt dieses Leben in vollen Zügen und lässt dafür auch eine ganze Reihe an – mal unterschwelligen, mal ganz offensichtlichen – Demütigungen über sich ergehen. Diese sind für sie aber nicht weiter schlimm, denn anscheinend ist sie sich ihrer Objektivierung vollkommen bewusst und nimmt diese deswegen nüchtern und emotionslos hin. So genau lässt sich das allerdings nicht sagen, denn Sascha bleibt als eigentliche Protagonistin eine reine Silhouette ohne Charakterzüge oder besondere Eigenschaften. Selbiges trifft im Übrigen auch auf alle anderen Akteure in diesem Ensemble zu, denn Eklöf legt keinerlei Wert auf das Erfüllen irgendwelcher filmischen Konventionen. Indem sie sich bewusst jeglicher Figurenzeichnung entgegenstellt, werden die Figuren schon früh zu leeren, seelenlosen Hüllen, was eine emotionale Bindung bzw. Identifizierung oder gar Sympathie – auch mit der Protagonistin – unmöglich macht.
Diese oft sehr kühl und distanziert wirkende Art der Inszenierung wird unterstützt von der extrem statischen Kamera; oft sind ganze Szenen in nur einer festen Einstellung ohne jegliche Schnitte gedreht. Handwerklich erinnert dies in den besten Momenten vor allem an Funny Games, in dem besondere Schockmomente ebenfalls durch ein ohnmächtiges und starres Betrachten der Szenerie ihre verstörende Wirkung entfalten. In Holiday ist es vor allem eine ebenso unvermittelte und plötzliche wie explizite Vergewaltigungsszene, die wiederum unweigerlich an jene aus Irreversibel erinnert. So schockierend solche Szenen in ihrem Kern auch sein mögen, so schwer fällt es dennoch, bei all der gezeigten Gewalt überhaupt irgendwas zu fühlen. Denn genau diese emotionale Distanzierung, die Holiday mit seiner fast schon fanatischen Ablehnung jeglicher Dramaturgie und Charakterzeichnung ausmacht, hat mich letztendlich nur noch ratlos zurückgelassen.
Über beinahe die gesamte Laufzeit des Films passiert nämlich einfach überhaupt nichts. Zwar wird dem Film unter seinem Deckmantel der unbekümmerten, sonnengetränkten Leichtfüßigkeit häufig Kapitalismuskritik attestiert, die eigentliche Story bleibt jedoch zu jedem Zeitpunkt mindestens genauso dünn und leer wie die Figuren. Die Blase des Überflusses, in der die Gangster leben und offensichtlich austauschbare Statisten einer proletenhaften Verschwendungsgesellschaft mimen, lässt sich viel zu leicht als solche entlarven und die unterschwellig intendierte Gesellschaftskritik verpufft erfolglos. Selbst die wunderschönen Kulissen können mit ihren reinen Schauwerten nicht darüber hinwegtäuschen, dass was Holiday eigentlich ausmacht, seine komplette Abwesenheit jeglicher Spannung ist. Viel schwieriger als die Kälte und Belanglosigkeit der Handlung ist nämlich die unfassbare Langeweile auszuhalten, die sich spätestens nach der Hälfte als fester Bestandteil des Films integriert hat.
Selbst mich als großen Fan von extremen Slow-Burnern wie Die Tochter des Teufels oder auch Rosemaries Baby konnte dieses unbekümmerte Nichts-Erzählen nicht mitreißen, da hier eben keine dichte Atmosphäre, keine schleichende, sich zuspitzende Bedrohung, kein tiefer, schlummernder Abgrund, kein nervenaufreibender Showdown oder Ähnliches aufgebaut wird. Stattdessen verliert sich der Film in seinen lethargisch-lasziv anmutenden Bildern, die ihn immer weiter in totale Antriebs- und Belanglosigkeit abdriften lassen. Wenn es auch offensichtlich wird, dass Eklöf bewusst keinerlei Interesse an solcherlei Konventionen hat, konnte mich diese beabsichtigte Ignoranz trotz all ihrer Kühnheit in keiner Sekunde abholen. Selbst die unerwartete Wendung am Ende konnte leider, trotz ihres durchaus gelungenen Überraschungsmoments, weder sonderlich schockieren noch über die viel zu ereignislose Hinführung bis zu diesem Punkt hinwegtäuschen.
Fazit
So bleibt Holiday – Sonne, Schmerz und Sinnlichkeit leider nur ein wirklich kühner Versuch Eklöfs, mit ihrem Regie-Debüt gängigen Genre-Motiven zu strotzen und auf bewusst zähe Art und Weise einen gesellschaftskritischen Arthouse-Thriller zu filmen. Zwar schafft es der Film, genauso künstlerisch anmutend zu sein, wie es von Eklöf scheinbar beabsichtigt war, jedoch verbirgt sich hinter ihrer Methodik der Inszenierung nichts, was mich darüber hinaus hätte mitreißen können. Wer mit einer vollständigen Abwesenheit von Spannung und Dramaturgie kein Problem hat und wem die kühle Ästhetik ausreicht, mit der die Regisseurin ihr gesellschaftliches Kritikmotiv inszeniert, der wird mit Holiday durchaus trotzdem seine Freude haben. Wem das nicht ausreicht, der wird mindestens genauso emotionslos und leergefegt zurückgelassen werden, wie die matten Figuren dieses durchaus mutigen Filmversuchs.
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Ab 23.08.2019 im Handel:
Bildquelle: Holiday – Sonne, Schmerz und Sinnlichkeit © Alamode Filmverleih