I Saw the Devil (2010) – Review
Rache ist ein tiefer Abgrund. „Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“.
Originaltitel: |
악마를 보았다, Angmareul Boatda Südkorea 142 Minuten Kim Jee-woon Park Hoon-jung Lee Byung-hun, Choi Min-sik u.a. |
Inhalt
Zarter Schneefall prägt das Bild einer abgeschiedenen und verlassenen Landstraße. Lediglich ein gelber Schulbus fährt langsam und lauernd durch die ansonsten so ruhige, verschneite Winternacht.
Dass eben diese ruhige Idylle den Anfang einer der brutalsten Hetzjagden der Filmgeschichte bildet, lässt sich trotz erster Gewaltausbrüche nicht einmal ansatzweise erahnen. Denn der Busfahrer, Kyung-Chul, ist ein lange gesuchter Serienmörder, der junge Frauen scheinbar aus reiner Lust an der Tätigkeit entführt und kaltblütig ermordet. In eben jener Nacht wird die zierliche Joo-yeon das Opfer dieses Monsters. Nachdem sie durch eine Autopanne gezwungen ist, in ihrem Wagen auf Hilfe zu warten, bietet Kyung-Chul ihr seine Hilfe an. Als sie ablehnt, attackiert er sie mit gezielten Hammerschlägen auf den Kopf, um sie danach in seinem runtergekommenen Domizil fast schon routiniert zu töten und zu zerstückeln.
Zu seinem Unglück handelte es sich bei Joo-yeon allerdings nicht nur um die Tochter des Polizeipräsidenten, sondern außerdem um die Frau des Geheimagenten Soo-hyeon, der fortan von Trauer und unbändiger Wut zerfressen nach Rache sinnt. Als er Kyung-Chul schnell ausfindig machen kann, bringt er ihn allerdings nicht einfach um, sondern versieht ihn stattdessen mit einem per GPS ortbaren Peilsender. Und ab dort beginnt ein diabolisches Katz-und-Maus Spiel, das in seiner Intensität und in seinem Wahn seinesgleichen sucht.
Kritik
Die Ausgangssituation von I Saw the Devil ist somit eigentlich denkbar einfach gestrickt. Was das Rache-Epos von Regisseur Kim Jee-woon (A Tale of Two Sisters, The Good, the Bad, the Weird) allerdings so besonders macht, ist neben der Inszenierung auch der Hergang des Rachefeldzugs. Getrieben von dem unnachgiebigen Durst nach Vergeltung begibt sich Soo-hyeon in eine düstere und verrohte Welt, die sich voll und ganz dem Wahnsinn hingegeben zu haben scheint.
Regisseur Kim Jee-woon entscheidet sich hier für eine distanzierte und kühle Darstellung der beiden Hauptcharaktere, die für den südkoreanischen Genre-Film typisch ist. Diese sind beide denkbar oberflächlich gezeichnet, sodass sich keine wirkliche Identifikationsfigur herauskristallisiert. Wenn auch die Rollenverteilung zu Beginn noch recht klar zu sein scheint, so verschwimmt die Grenze zwischen Gut und Böse mit Voranschreiten der Handlung immer weiter, bis es keinen Unterschied mehr zwischen den beiden Seiten gibt. Dadurch werden die gewöhnlichen Stereotype eines Protagonisten und eines Antagonisten aufgebrochen, da man im späteren Verlauf mit keinem von beiden mehr wirklich persönlich mitfiebern kann. Dafür fesselt die Hetzjagd selbst umso mehr.
Wenn sich beide Hauptcharaktere das erste Mal in einem Gewächshaus begegnen, während Kyung-Chul gerade eine Schülerin vergewaltigen will, kann man in den Augen Soo-hyeons förmlich den Filmtitel wiedererkennen. Dieser spiegelt sich in der Erkenntnis wider, das absolute Böse im Körper dieses Menschen gefunden zu haben. Gepaart mit dem Wissen, dass dieses Monster für den grausamen Tod seiner Geliebten verantwortlich ist, kommt es unweigerlich zum ersten Kampf zwischen den beiden. Dem Geheimagenten gelingt es, sein Gegenüber zu überwältigen und ihn schwer zu verletzen. Nachdem er sich seines noch lange nicht gestillten Rachedurstes wegen entscheidet, den Mörder leben und laufen zu lassen, findet der Teufel in ihm aber auch schnell einen weiteren bereitwilligen Wirt.
Dass Soo-hyeon seinem Gegner anfangs noch überlegen ist, sorgt dafür, dass er früh anfängt, ihn zu unterschätzen. Und so treiben beide Akteure ihr Katz-und-Mausspiel konsequent und in einem furiosen Tempo nach vorne. Dies sorgt auch dafür, dass sich während der doch recht langen Spielzeit von fast 2 ½ Stunden zu keinem Zeitpunkt Längen oder Ermüdungserscheinungen einschleichen. Das Drehbuch gönnt dem Zuschauer an keiner Stelle auch nur die geringste Verschnaufpause und so beweist Regisseur Kim Jee-woon erneut sein hervorragendes dramaturgisches Geschick. Ebenso ist I Saw the Devil in all seiner ausufernden Gewalt zu jedem Zeitpunkt ebenso ästhetisch wie imposant gefilmt.
Die schmutzige Welt der Gewalt und der menschlichen Abgründe beschränkt sich aber nicht nur auf unsere beiden Kontrahenten. Stattdessen scheint es fast so, als würde ihr Wetteifern um den Sieg über den jeweils anderen alle auch nur annähernd Beteiligten mit in ihr gemeinsames Fegefeuer reißen. Diejenigen, die diesem lebend oder zumindest weitestgehend unbeschadet entfliehen können, werden erwartungsgemäß die wenigsten sein.
In seinem konsequenten Gewaltrausch verliert sich das fast zweieinhalb-stündige Rache-Epos jedoch nie in reinem Selbstzweck. „Auge um Auge und die ganze Welt wird blind sein“, hat Gandhi bereits vor über einem halben Jahrhundert treffend formuliert. Und tatsächlich verirrt sich der scheinbare Held Soo-hyeon schon früh in seinem selbstauferlegten Zwang, seinem Gegner dieselben Schmerzen zuzufügen, die auch seine Verlobte erleiden musste. Gewalt avanciert für ihn schnell zu einem unvermeidbaren Mittel zum Zweck und zur Befriedigung der eigenen Rachsucht. Diese niederen Triebe sind es, die ihn schnell erblinden lassen für das Leid, welches er durch sein Streben nach Vergeltung über andere bringt.
Wenn Soo-hyeon während seiner Odyssee auf aktiv gelebten Kannibalismus stößt, dann stellt das nicht nur den Zuschauer auf eine harte Nervenprobe. Und so ignoriert er die Worte seines Schwiegervaters: „Wer versucht, die Monster zu bekämpfen, wird selbst zum Monster.“ Dabei bemerkt er nicht, dass er die Grenze zum Monstrum selbst schon längst überschritten hat.
Trotz all seiner Brachialgewalt ist I Saw the Devil dennoch cineastisch unglaublich glanzvoll geraten. Dank der handwerklich tadellosen Inszenierung wirkt der Rahmen, in dem sich die scheußlichen Gräueltaten abspielen, wie ein fast schon ästhetisches Höllenfeuer, in dem sich die beiden Teufel auf Gedeih und Verderb bekämpfen. Am Ende dieses furiosen Schlagabtausches lässt einen der Film dann allein und verloren mit den gesehenen Bildern zurück, nur um in der letzten Einstellung das erste Mal wirkliche Emotionen zu zeigen. Hilflos und erschöpft erlöst die letzte Szene die Charaktere zurück in die „richtige“ Welt und hinterlässt ein gigantisches Trümmerfeld, dessen Scherben von den Überlebenden niemals vollkommen aufgelesen werden können. Was zum Schluss bleibt, ist lediglich die reine Verwüstung, die ein Kampf zwischen solchen Dämonen für alle Involvierten mit sich bringt.
Fazit
Unterm Strich ist I Saw the Devil ein ultrabrutales, abscheuliches aber zugleich so faszinierendes und epochales Meisterwerk, das in seiner schonungslosen Wucht, seiner Schönheit und seiner Brutalität seinesgleichen sucht. Trotz (oder gerade wegen) der drastischen Bilder entsteht ein Sog, der einen bis zur letzten Sekunde und noch weit über den Abspann hinaus nicht mehr loslässt. Denn wenn du lange genug in den Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.
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Bildquelle: I Saw the Devil © Splendid Film