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Horrorfilme aus 2022, die ihr gesehen haben solltet (Teil 1/2)

2022 ist fast vorbei und wir haben die Gelegenheit genutzt, um das Jahr Revue passieren zu lassen. Hier sind unsere Horror-Highlights 2022. Viel Spaß!

In dieser Liste findet ihr die persönlichen Highlights und auch die Enttäuschungen unserer Autor:innen. Wir haben uns nach den internationalen oder deutschen Premieren orientiert, aber auch am regulären (Heim-)Kinorelease. Ihr werdet hier also durchaus auch Filme finden, die schon 2021 ihre Weltpremiere feierten, aber in Deutschland erst 2022 erschienen sind. In Klammer findet ihr die Person, die Regie geführt hat.


MathiasMatze

– Empfehlungen –

Barbarian (R: Zach Gregger)

Tess bucht sich eine Airbnb-Bleibe, da für sie ein Vorstellungsgespräch in einer fremden Stadt ansteht. Am Haus angekommen, stellt sie fest, dass dort bereits Keith eingecheckt hat und das Haus, das schon bessere Zeiten gesehen hat, wohl doppelt vergeben wurde. Die beiden arrangieren sich, doch bereits in der ersten Nacht gehen seltsame Dinge vor sich und Tess entdeckt im Keller eine Art geheime Tür, die in totale Finsternis führt und Keith beim Nachsehen darin verschwindet. Vor einem moralischen Dilemma stehend, entscheidet sich Tess dafür, Keith zu retten und tritt die Hölle los.

Als ich zuerst von Barbarian hörte, war ich sofort Feuer und Flamme, was mir Zach Creggers Werk so zu bieten hat. Dass dabei einer der besten Horrorfilme des Jahres entstanden ist, konnte ich bis dahin nicht ahnen. Barbarian spielt mit der Erwartungshaltung seines Publikums, führt es an der Nase herum, legt falsche Fährten, nur um sofort wieder alles zu ändern, in dem er seine Tonalität ändert und Kontraste zum eben Erlebten schafft. Cregger nimmt seine Zuschauer*innen mit auf einen buchstäblichen Abstieg in die Finsternis, nur damit sie sich danach auf grünem Rasen wiederfinden. Barbarian ist wegen dieser ungewöhnlichen Inszenierung ein Horrorerlebnis, das ich so lange nicht gesehen habe, denn dieser Film ist bis zu einem Punkt völlig unberechenbar und lässt sich bis zum Ende auch nicht wirklich in eine Schublade stecken. Cregger erzeugt Suspense und Terror, Liebe und Gräuel. All das ist eingebettet in ein tolles Set, durchaus harten Momenten und eine Menge bizarres Zeug. Wer sich auf diesen wilden Ritt einlassen kann, wird mit einem Film belohnt, der so sicher nicht alle Jahre entsteht und gehört somit zu den späten Highlights des Jahres.

Zu sehen auf Disney+.

Bones and All (R: Luca Guadagnino)

Ein Film, den ich eigentlich gar nicht so sehr auf dem Radar hatte, war Luca Guadagninos Horror-Liebes-Mix Bones and All. Es geht um die junge Maren, die meistens ihre Zeit zuhause verbringen muss, denn ihr Vater verwehrt ihr jedweden Kontakt zu anderen Mädchen ihres Alters. Eines Abends jedoch schleicht sich Maren auf eine Pyjamaparty, wo es zu einem folgenschweren Vorfall kommt und Maren mit ihrem Vater zur Flucht zwingt. Diesem wird die Situation zu viel, sodass er seine Tochter mit etwas Geld und einigen Hinweisen zu ihrer Vergangenheit verlässt. Für Maren beginnt nun ein Roadtrip auf der Suche nach ihrer Mutter, sich selbst und der Frage, ob sie so richtig ist, wie sie ist.

Bones and All ist ein groteskes Coming-of-Age-Horrordrama mit einer Prise Romanze gewürzt. Das klingt erstmal absolut ungewöhnlich, funktioniert aber ganz wunderbar. Der Film schafft während Marens Trip eine Welt, in der besondere Menschen eine gewisse Art Gelüste teilen und unfähig sind, sich dagegen zu wehren. Das darf durchaus mit dem Verhalten von Suchtkranken verglichen werden, wird während des Films immer wieder Teil der Geschichte und dem Publikum schmerzhaft vor Augen geführt. Der Horroranteil hierbei ist nicht gerade zimperlich visualisiert. Die Liebelei wird hervorragend von Taylor Russell und Timothée Chalamet gespielt. Die zwei haben eine großartige Chemie, die sie für reichlich Emotionen bei ihren Zuschauer*innen einzusetzen wissen.

Luca Guadagnino schafft es, nach Suspiria ein weiteres Mal einen fesselnden Mix zu schaffen, der für mich auch visuell und atmosphärisch zu den stärksten Beiträgen dieses Jahr gehört.

No Exit (R: Damien Power)

Als einen kleinen Geheimtipp habe ich dieses Jahr No Exit entdeckt. Es geht um die im Entzug lebende Darby (Havana Rose Liu, Mayday), die nach einer Flucht aus der Klinik in einer Lodge festsitzt. Draußen tobt ein Blizzard und zusammen mit einer Gruppe unterschiedlichster Personen wartet sie auf das Ende der Naturgewalt. Beim Füßevertreten entdeckt sie draußen ein entführtes Kind in einem der geparkten Fahrzeuge und die Situation spitzt sich immer weiter zu.

No Exit ist zunächst ein klassisches und spannendes Whodunnit-Kammerspiel im Stil von Agatha Christie, wandelt sich im Verlauf dann zu einem nervenzermürbenden Thriller, in dem es um Leben und Tod geht. Stets die lebensfeindliche Natur vor Augen, steigert sich das Misstrauen der Personen untereinander, das mit einigen Twists und anderen Überraschungen auf die Spitze getrieben wird. Wer hier mit wem unter einer Decke steckt und was warum am Laufen hat, transportiert No Exit ganz fabelhaft über seine knackige Laufzeit von etwas über 90 Minuten. Gut gelungen fand ich auch die Protagonistin, die eher als Antiheldin angelegt ist und während dieses Dilemmas mit ihren ganz eigenen Dämonen fertig werden muss. Die Figur bekommt dabei eine stark ausgearbeitete Backstory und wirkt zu jeder Zeit nahbar und verletzlich. Gerade zu dieser Jahreszeit verbreitet No Exit seine frostige Atmosphäre ganz wunderbar und sorgt mit Sicherheit für einen spannenden Thriller-Abend.

Zu sehen auf Disney+.

Violent Night (R: Tommy Wirkola)

Eine Gruppe von Söldnern greift an Weihnachten die Villa einer sehr wohlhabenden Familie an. Zufällig ist der desillusionierte Weihnachtsmann ebenfalls in dem Anwesen unterwegs, um seine Geschenke für die kleine Trudy unter den Baum zu platzieren und einfach mal kurz eine Pause bei einem kühlen Drink einzulegen. Dieser stellt per Funk Kontakt zu dem kleinen Mädchen her und muss gegen die Gruppe Brutalos antreten, um das Weihnachtsfest zu retten und vielleicht seine eigene Leidenschaft für den Job wiederzufinden.

David Harbour, bekannt aus Stranger Things, spielt einen abgehalfterten Weihnachtsmann, der fluchend und saufend irgendwie den Heiligen Abend hinter sich bringen will und dabei unfreiwillig in einen Überfall gerissen wird. Klingt nach Stirb Langsam? Dem ist auch so. Violent Night versprüht aus jeder Pore Vibes des Kultfilms mit Bruce Willis und setzt durch den Aspekt, dass es sich eben um den echten Weihnachtsmann handelt, genug eigene Akzente. Harbour hat sichtlich Spaß an der Rolle. Spätestens wenn er sich mit seiner Axt namens Skullcrusher den Fieslingen in den Weg stellt, geht es reichlich überzogen und blutig zur Sache. Trotzdem vermittelt der Film durchweg eine wundervolle Weihnachtsgeschichte rund um verlorene Liebe, Einsamkeit und den Geist von Weihnachten. Etwas Kitsch wird hier also auch geboten.

Violent Night ist ein blutiger Action-Spaß, der trotz einiger minimaler Längen durchweg unterhält und sicherlich das ein oder andere mal zu Weihnachten bei mir im Player landen wird.

– Größte Enttäuschung –

Jurassic World: Ein neues Zeitalter (R: Colin Trevorrow)

Die größte Enttäuschung dieses Jahr kam von einem Franchise, das mir eigentlich sehr am Herzen liegt: Jurassic World. Wer hier erwartet, die in den ersten beiden Teilen aufgebaute Geschichte rund um die Koexistenz zwischen Mensch und Dinosaurier in einem furiosen Finale zu Ende erzählt zu bekommen, der wird bitter enttäuscht werden. Diese Geschichte wird hier zugunsten einer kruden Story rund um genetisch veränderte Heuschrecken (!) mit Füßen getreten und hat darüber hinaus keinerlei Konsequenzen am Ende des Films für irgendwen. Die Saurier werden zu Statisten degradiert, die weder eine echte Gefahr für die Figuren darstellen und auch absolut keinerlei Angst und Schrecken mehr auslösen.

Jurassic World – Ein neues Zeitalter zitiert ansonsten einfach inflationär die anderen Teile und das leider auch noch ohne Emotion oder Herzlichkeit. Es ist schade, dass die Macher hier nicht mutiger waren, um dem Film auch nur einen Hauch von Kreativität zu verpassen. Stattdessen wird es von Minute zu Minute bizarrer. Selbst vor mit Laserpointern gesteuerten Gen-Raptoren macht man keinen Halt, während die normalen Velociraptoren vermenschlicht werden. Keine Spur mehr von den cleveren Mordmaschinen aus dem ersten Teil.

Es ist außerdem im Titel die Rede von einem neuen Zeitalter. Wo auch immer das beginnen soll, in diesem Film jedoch nicht. Bis auf die anfänglichen drei Minuten gibt es keine Szenen, die zeigen, wie die Dinosaurier Auswirkungen auf unseren Alltag haben. Positiv waren die vielen animatronischen Dinosaurier und das überwiegend gut aussehende CGI sowie der neue Charakter von DeWanda Wise. Ebenso gefiel mir die Chemie zwischen den neuen und alten Darstellern. Ansonsten aber leider eine große Enttäuschung und wegen des irreführenden Marketings eine Verarsche an den Fans.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

 


Roberts

– Empfehlungen –

Caveat – Die Warnung (R: Damian Mc Carthy)

Mit der bald erscheinenden Blumhouse-Produktion M3GAN soll uns Anfang 2023 erneut eine Spielzeugpuppe das Fürchten lehren. Wer sich zuvor noch einmal von dem Potenzial gruseligen Spielzeugs überzeugen möchte, sei der irische Film Caveat ans Herz gelegt, der dieses Jahr seine Heimkinopremiere in Deutschland feierte und vermutlich zu den unheimlichsten Filmen des Jahres gehören dürfte.

In einer Mischung aus psychologischem und übernatürlichem Horror ist Caveat ein unheilvoller Abstieg in einen sinistren Kaninchenbau, in dem verdrängte Bruchstücke des eigenen Ichs zutage gefördert werden und den Weg für eine beklemmende Atmosphäre ebnen, die sich gewaschen hat. Der Film spielt dabei mit der Genrekenntnis und der Erwartungshaltung des Publikums, indem er durch das Bedienen gängiger Inszenierungsmuster die Erwartungshaltung an explizite Schockmomente evoziert, diese jedoch nie einlöst und dadurch eine bisweilen unerträgliche Anspannung erzeugt. Einen unheimlicheren Film – vor allem aber nicht ausschließlich im freudschen Sinne – wird man dieses Jahr im Heimkino wohl kaum erleben dürfen.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

La Abuela – Sie wartet auf dich (R: Paco Plaza)

Mit La Abuela – Sie wartet auf dich hat der spanische Regisseur Paco Plaza (Veronica) einen echten Geheimtipp dieses Jahres geschaffen. Die Handlung dreht sich um Susana, die in Paris als Model arbeitet und zurück nach Madrid zu ihrer Großmutter Pilar zieht, um diese zu pflegen. Doch schon bald häufen sich beängstigende Ereignisse und Pilar scheint von jemandem – oder etwas – wie besessen zu sein.

Was auf den ersten Blick nach einem gewöhnlichen Haunted-House beziehungsweise Besessenheits-Schocker klingt, entpuppt sich schon früh als ein sorgfältig konzipierter und unglaublich stimmungsvoll inszenierter Genrebeitrag der Extraklasse. Mit versierter Präzision zieht Plaza bei der Inszenierung alle Register, stellt die handwerklichen Entscheidungen kreativ in den Dienst seiner Geschichte und erzeugt eine Atmosphäre ständigen Unbehagens, während die Art der Bedrohung lange im Unklaren bleibt.

Das Highlight bleibt aber das im klassischen Sinne tragische Ende, das eine ebenso zärtliche wie bittersüße Note hat und das Publikum ganz sicher mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurücklassen wird.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

Skinamarink (R: Kyle Edward Ball)

Vermutlich kennen die meisten von euch diffuse Erinnerungen an die Kindheit, wenn die Eltern außer Haus waren, man allein war und eine instinktive Angst vor der Dunkelheit in Verbindung mit kindlicher Fantasie das sonst so traute Heim in einen Hort unvorstellbarer Gefahren verwandelt hat. Wenn hinter jeder Tür ein Monster versteckt oder in jeder dunklen Ecke noch weitaus Schlimmeres zu lauern scheint. Skinamarink ist vielleicht die furchteinflößendste weil authentischste filmische Darstellung dieser spezifisch kindlichen Angst vor der Dunkelheit überhaupt.

Mit einem immersiv-avantgardistischen Stil erzeugt Regiedebütant Kyle Edward Ball eine dermaßen verschlingende Atmosphäre, dass man sich selbst als Erwachsener wieder wie in einem längst verdrängten, ewig anhaltenden Albtraum vorkommt. Grobes Filmkorn und endlose Einstellungen verzerren die Wahrnehmung in einem Maß, dass selbst die fantasielosesten Zuschauenden in der alles verschlingenden Finsternis unvorstellbare Gefahren imaginieren werden. In Skinamarink wird das Suchen nach Monstern unter dem Bett oder nach den verschwunden geglaubten Eltern erneut zur ultimativen Zerreißprobe. Nach diesem Film hat man wieder Angst vor der Dunkelheit.

– Größte Enttäuschung –

Goodnight Mommy (R: Matt Sobel)

Nach Funny Games U.S. ist Goodnight Mommy bereits das zweite Remake eines österreichischen Horrorfilms, in dem Naomi Watts eine Hauptrolle einnimmt. Dieses Mal bildete die Vorlage der Film Ich seh, Ich seh des Regie-Ehepaars Veronika Franz und Severin Fiala und so durfte man im Vorfeld gespannt sein, ob das Remake dem sehr Twist-orientieren Original etwas Neues abgewinnen kann. Und das Ergebnis hätte armseliger kaum ausfallen können. Für Kenner:innen der Vorlage ist Goodnight Mommy nicht weniger als eine hämische Beleidigung: nicht nur wird die finale Auflösung ohne neue Impulse eins zu eins übernommen, was dem Film als Remake jegliche dramaturgische Daseinsberechtigung nimmt, sondern auch die entsprechenden Indizien muten ob ihrer Offensichtlichkeit nicht selten wie ein Verspotten der Intelligenz des Publikums an.

Es bedarf vonseiten der Involvierten in Drehbuch, Regie und Produktion schon einem unüblichen Maß an Überheblichkeit, um anzunehmen, dass ein stumpfes Kopieren der Vorlage auch nur den Hauch eines Mehrwerts darstellen könnte. Und da Ich seh, Ich seh seit seiner Veröffentlichung 2014 mitunter auch in den USA eine gewisse Bekanntheit erlangen konnte, lässt sich nicht einmal mangelnde Popularität als Entschuldigung für die Frechheit, die Goodnight Mommy darstellt, vorschieben.

Zu sehen auf Amazon Prime*.

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Seid gegrüßt, Ich habe unzählige Namen und erscheine in vielen Gestalten. Hier kennt man mich als Dark Forest und ich bin euer Gastgeber. Ich führe euch durch die verwinkelten Bauten, düsteren Wälder und verfallenen Ruinen. Immer mir nach!

...und was meinst du?