La Abuela
Kritik

La Abuela – Sie wartet auf dich (2021) – Review

Der Regisseur von REC und Veronica, Paco Plaza, hat einen neuen Horrorfilm im Gepäck: La Abuela. Die titelgebende Großmutter hütet dabei finstere Geheimnisse. Wir haben diese mit ihrer Enkelin ergründet.

Originaltitel: La abuela
Land: Spanien/Frankreich/Belgien
Laufzeit: 100 Minuten
Regie: Paco Plaza
Drehbuch: Carlos Vermut
Cast: Almudena Amor, Vera Valdez, Karina Kolokolchykova u.a.
VÖ: Ab 17.03.2021 digital, ab 07.04.2022 als DVD, Bu-ray und Mediabook

Inhalt

Nachdem ihre Großmutter Pilar durch eine Hirnblutung zum Pflegefall wurde, schlägt Susanna einen vielversprechenden Modelauftrag aus, um die notwendigen Vorkehrungen für den angepassten Alltag ihres letzten Familienmitglieds in Madrid zu treffen und anschließend wieder in Paris tätig zu werden. Noch während sie sich in basalen Pflegetätigkeiten bildet und nostalgisch in der kleinen Wohnung umher geht, in der sie mit ihrer Großmutter aufgewachsen ist, beginnen sich ungewöhnliche Vorkommnisse zu häufen. Der für wenige Tage angesetzte Besuch verlangt Susanna nicht nur psychisch viel ab, denn schnell wird klar, dass der körperliche Verfall der Großmutter auch für sie selbst eine dunkle Gefahr birgt.

Kritik

Bereits mit der kryptischen Eingangssequenz weiß La Abuela zu fesseln. Eine elegante ältere Frau wartet vergebens auf jemanden. Doch als sie die andere Gleichaltrige tot in ihrer Wohnung vorfindet, schockiert sie das keineswegs. Vielmehr scheint sie sich zu freuen und blickt geradezu begeistert auf die plötzlich erscheinende nackte junge blonde Frau im Türrahmen. Regisseur Paco Plaza (Veronica) inszeniert den Auftakt mit einem Paukenschlag, ohne dabei ins Obszöne zu verfallen. Dies zieht sich durch den gesamten Film. Die hochbetagte Pilar und ihre modelnde Enkelin Susanna werden durchweg in einer fragilen Ästhetik dargestellt, die ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Dabei scheint Zeit gerade das vorherrschende Thema des Films zu sein. Überschattet von vielen Uhren, die zur gleichen Zeit stehen geblieben sind, ist die physische Ebene ein Abbild des Unabwendbaren. Parallel zum körperlichen Verfall der lebenslang stolzen und schönen Pilar, die nach der Hirnblutung nur noch eine äußere Hülle zu sein scheint, ist Susanna damit konfrontiert, im Model Business bereits zu den älteren Kalibern zu gehören und nicht nur gegen jüngere Frauen, sondern auch gegen die ersten grauen Haare kämpfen zu müssen. Die dadurch hervorgerufene Furcht fasst ein Fotograf in Worte, der zugibt, dass er lieber mit älteren Models arbeitet, da deren kämpferische Flamme im Angesicht des nahenden Karriereendes noch einmal hell auflodert. Susanna und Pilar ringen mit sehr unterschiedlichen Ebenen des Alterungsprozesses und doch wird auch bei Pilar deutlich, dass sie in ihrem vegetativen Zustand nicht bereit ist aufzugeben und sich etwa in eine Pflegeeinrichtung abschieben zu lassen.

Schauspielerisch hat La Abuela viel zu bieten. Die bislang unbekannte Almudena Amor überzeugt als Identifikationsfigur Susanna. Das stetig zunehmende Unbehagen ist ihr ins Gesicht geschrieben und wir leiden intensiv mit, wenn alles um sie herum immer bedrückender und beengter wird. Doch das Glanzstück des Films ist definitiv Vera Valdez als Pilar, die es schafft auch als geistig abwesende, kaum sprechende Figur allein mit Mimik und Gestik die Situation einer plötzlichen Pflegebedürftig- und absoluten Hilfsbedürftigkeit körperlich spürbar zu machen und deren trotzdem offenkundig fröhliches Lachen perfide in Mark und Bein fährt. Das Grauen von La Abuela zeigt sich nicht nur in psychischer Form, sondern wird auch bestärkt durch den immer wieder eingeflochtenen Body Horror: dem Nachlassen körperlicher Funktionen und eingekoteten Betten, der darauf folgenden intensiven Betrachtung von Pilars duschendem alten Körper. Immer wieder wird mal offen und mal verstohlen auf physische Abbauprozesse referiert.

Doch auch die psychologische Entwicklung weiß zu fesseln. Wie einzelne Puzzlestücke setzen sich die Vorkommnisse nach und nach zu einem erschreckenden Bild zusammen. Getragen von einem beklemmenden Sounddesign zieht sich mit jeder unheimlichen Sequenz das Netz um Susanna enger zusammen und als sie die Stücke endlich zusammensetzen kann, ist es bereits zu spät, um der ihr zugedachten Rolle in einem perfiden Plan zu entkommen.

Dank geschickter Schnitte spielt Plaza anfangs mit den Erwartungen und lässt uns im Unklaren. Leider hat aber zumindest das horrorgewohnte Auge recht bald eine Vermutung, was den Vorkommnissen zugrunde liegen könnte. Dahingehend zieht sich die Story geradlinig durch und birgt keine großen Überraschungen. Der verschwörerische, mitreißende Aufbau endet darum bedauerlicherweise auch eher banal, vorhersehbar und enttäuschend. Das macht aber nichts, denn schlussendlich überzeugt vor allem die schauspielerische Leistung in diesem kammerspielartigen Arrangement.

Fazit

La Abuela zeichnet das düstere Bild eines Versuchs, dem Zahn der Zeit zu entkommen und weiß auch beim mehrmaligen Ansehen noch zu begeistern. Plaza erzählt eine packende Geschichte aus der Perspektive starker weiblicher Charaktere, überzeugend verkörpert von Almudena Amor und Vera Valdez.

Bewertung

Grauen Rating: 3 von 5
Spannung Rating: 4 von 5
Härte  Rating: 1 von 5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 2 von 5
Gesamtwertung Rating: 3 von 5

Ab 17.03.2021 digital, ab 07.04.2022 als DVD, Blu-ray und Mediabook:

La Abuela Blu-ray La Abuela Mediabook

Bildquelle: La Abuela © Koch Films

Horrorfilme… sind die Spannung und das Spiel mit menschlichen Abgründen, ein Spiegel der Gesellschaft, Zeugnis namentlicher Grauslichkeiten und Erkundung grauslicher Namenslosigkeiten. Mal tief und schwer und dann gern auch mal ein bisschen Zombie-Musical oder Blutbad dazwischen. Denn Horror und Lachflash schließen sich nicht zwingend aus.

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