Kritik

Ted Bundy: No Man of God (2021) – Review

Hat die Welt wirklich noch einen weiteren Film über Ted Bundy gebraucht? Nein, vermutlich nicht. Warum Ted Bundy: No Man of God sich trotzdem lohnt und was den Film von vielen anderen Serienmörder-Biopics unterscheidet, lest ihr hier.

Originaltitel: No Man of God
Land: USA
Laufzeit: 100 Minuten
Regie: Amber Sealey
Drehbuch: Kit Lesser
Cast: Elijah Wood, Luke Kirby, Aleksa Palladino u.a.
VÖ: Ab 25.11.2021 digital zum Kaufen, ab 02.12.2021 digital zum Leihen und ab 03.12.2021 als 2-Disc Collector’s Edition im Media Book

Inhalt

In den 1980er-Jahren sitzt der US-amerikanische Serienmörder Ted Bundy (Luke Kirby, Halloween: Resurrection) in der Todeszelle und wartet auf seine Hinrichtung. Der charismatische Killer avanciert währenddessen nicht nur zum Medienstar, sondern weckt auch das Interesse der neu gegründeten FBI-Abteilung für Verhaltensanalyse. Chef-Ermittler Bill Hagmeier (Elijah Wood, Alexandre Ajas Maniac) interviewt Bundy über einen Zeitraum von mehreren Jahren, mit dem Ziel ein besseres Verständnis für die Psyche von Serientäter:innen zu erhalten – das, was wir heute als Profiling kennen. Zwischen dem tiefgläubigen Analysten und dem verurteilten Serienmörder entwickelt sich eine komplizierte Beziehung, die Hagmeier vor ungeahnte Herausforderungen stellt.

Kritik

Das Horror-Genre muss sich eine profunde Faszination für Serienmörder:innen nachsagen lassen, deren reale Bluttaten in Filmen wie Zodiac – Die Spur des Killers, Monster oder Der goldene Handschuh auf die Leinwand gebannt wurden. Damit antwortete die Filmindustrie allerdings nur auf die mediale Aufmerksamkeit, die seit den 1980er-Jahren Serientätern wie dem „Night Stalker“ Richard Ramirez, John Wayne Gacy alias „Pogo der Clown“ oder dem „Milwaukee Cannibal“ Jeffrey Dahmer zuteilwurde und sie zu regelrechten Berühmtheiten stilisierte. Ted Bundy dürfte wohl der bekannteste Serienmörder in der Geschichte der USA – und zugleich der größte Medienstar in dieser Reihe – sein. Schon sein Prozess geriet zum Spektakel und Bundys charismatisches Auftreten sorgte für volle Zuschauerränge vor Gericht – ein Charisma, dem sich auch die meisten Filmemacher:innen nicht entziehen konnten.

Diesem Fallstrick sucht Regisseurin Amber Sealey zum einen zu entgehen, indem sie ihren Film mit einem möglichst hohen Authentizitätsanspruch versieht. Nicht nur ist Hauptdarsteller Luke Kirby seinem historischen Vorbild wie aus dem Gesicht geschnitten, Ted Bundy: No Man of God ist auch inspiriert durch FBI-Transkripte, Audio-Aufnahmen und die Erinnerungen von Profiler Bill Hagmeier. Zum anderen macht der Film die Verklärung des brutalen Serienmörders explizit selbst zum Thema, und zwar sowohl in Form der Liebesbriefe, die Bundy täglich massenweise in die Zelle flattern, als auch durch die Bilder der aufgebrachten Menge vor dem Gefängnis, die in „Burn, Bundy, burn!“-T-Shirts und mit riesigen Plakaten eine Art morbider Festival-Atmosphäre verströmt und den Verurteilten zum Monster stilisiert.

Derart aufgeregt geht es in Ted Bundy: No Man of God aber eher selten zu, stattdessen bevorzugt Sealey die leisen Töne und erzielt gerade dadurch eine besonders große Wirkung. Langsame Kamerafahrten durch die Gänge der Justizvollzugsanstalt ergänzen die kammerspielartigen Aufnahmen aus dem Verhörraum, in dem der größte Teil des Films spielt. Blut spritzt in diesem Biopic keines und auch die Gespräche kreisen größtenteils um das Verstehen-Wollen, nicht um das spektakuläre Ausschlachten der Taten. Umso wirkungsvoller, wenn Bundy in einigen Momenten doch die Schwelle übertritt – und Hagmeier mitnimmt in die geistige Welt eines Serienmörders. Es sind nur wenige Worte, eingebettet in die betont ruhige Inszenierung des Films entfalten sie dennoch eine brachiale Kraft. Was treibt einen Menschen dazu, zu vergewaltigen und zu morden? Wie viel Killer steckt in jedem Einzelnen von uns und was wäre nötig, um ihn hervorzulocken?

Im Zentrum des Films steht nicht das grausame Vermächtnis Ted Bundys, sondern die Beziehung zwischen den beiden ungleichen Männern, die sich genau diesen Fragen widmen. Dabei entwickelt sich eine beinahe freundschaftliche Beziehung zwischen beiden, die bis zum Ende undurchschaubar bleibt – was ist aufrichtige Zuneigung, was Manipulation? Und wer manipuliert hier eigentlich wen? Ted Bundy: No Man of God jedenfalls kann sich am Ende doch nicht ganz davon freisprechen, dem manipulativen Charme des Serienmörders erlegen zu sein. Denn obwohl der Film auf der Geschichte von FBI-Profiler Bill Hagmeier und der neugegründeten Abteilung für Verhaltensanalyse beruht, ist Ted Bundy nicht nur dem Titel nach die Hauptfigur. Elijah Wood spielt den brillanten Analysten, dessen fundiertes Wertesystem auf den ambivalenten Charakter Bundy trifft und daran zu kriseln beginnt, zwar mit einer emotionalen Intensität, die ergreift, letztlich entwickelt die Figur ihre Stärke aber vor allem aus der Konfrontation mit dem Serienmörder und bleibt darüber hinaus eher blass.

Fazit

Amber Sealeys Biopic versucht, den „Mythos Bundy“ zu dekonstruieren, entkommt ihm dabei aber selbst nicht ganz. Dennoch ist Ted Bundy: No Man of God eine ruhige – und darum umso beunruhigendere – Annäherung an das Thema, die nicht auf blutrünstiges Spektakel setzt, sondern die analytische Auseinandersetzung sucht. Das ist eher faszinierend als spannend, weiß aber zu fesseln. Seine Stärke findet der Film vor allem im Aufeinandertreffen der beiden ungleichen Hauptfiguren und der Reflexion über die Frage: Wie viel Monster steckt im Menschen?

 

Bewertung

Grauen Rating: 3 von 5
Spannung Rating: 2 von 5
Härte  Rating: 0 von 5
Unterhaltung  rating3_5
Anspruch  Rating: 3 von 5
Gesamtwertung Rating: 3 von 5

Ab 03.12.2021 im Handel:

Bildquelle: Ted Bundy: No Man of God © capelight pictures

Horrorfilme… sind die Suche nach Erfahrungen, die man im echten Leben nicht machen möchte. Sie bilden individuelle wie kollektive Ängste ab, zwingen uns zur Auseinandersetzung mit Verdrängtem und kulturell Unerwünschtem – und werden dennoch zur Quelle eines unheimlichen Vergnügens.

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